Inhaltsverzeichnis
1. Das Ziel der Kreislaufwirtschaft
2. Herausforderungen für die Produktentwicklung
3. Tipps für eine nachhaltigere Antriebstechnik
4. Engineering-Support durch SEW-Eurodrive
5. Wie lässt sich Nachhaltigkeit „messen“?
Das Ziel der Kreislaufwirtschaft
KEM Konstruktion|Automation: Wie geht SEW-Eurodrive die Herausforderung zur Realisierung einer Kreislaufwirtschaft an, um langfristig nachhaltig zu agieren?
Gregor Dietz (SEW-Eurodrive): Nachdem das Thema Energieeffizienz der elektrischen Komponenten und Verbraucher in den letzten 20 Jahren eine große Bedeutung erlangte, hat sich der Fokus nun auf weitere Felder ausgedehnt. Eines der neuen Themen ist die Kreislaufwirtschaft. In mehr als 90 Jahren, die SEW-Eurodrive jetzt am Markt tätig ist, wurden die Produkte am Ende des Produktlebenszyklus niemals verbrannt oder deponiert. Wenn sie nicht mehr gebrauchsfähig waren und auch nicht mehr repariert werden konnten, wurden sie an einen Altmetallhändler verkauft, das heißt, verschrottet. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft wäre damit der äußere Kreis der stofflichen Wiederverwendung abgedeckt.
Aber die heutigen Definitionen der Kreisläufe gehen weiter. Das, was früher Instandsetzung hieß, ist heute stellenweise ein Re-Use, eine Re-Paratur oder ein Re-Furbishment, das heißt, ein Aufarbeiten am Produkt. Das praktiziert SEW-Eurodrive schon sehr lange unter der Bezeichnung „Neuwertreparatur“. Wir versetzen das gebrauchte Produkt in einen annähernden Neuzustand und geben darauf wieder eine Gewährleistung. Neue Prozesse der Kreislaufwirtschaft sind nun die Rücknahme eines kompletten Produkts sowie die Zerlegung mit anschließender Bewertung der Teilequalität. Die Aufbereitung der wirtschaftlichen Elemente und Rückführung ins Teilelager schließen dann das Product Mining ab. Man erkennt dann nicht mehr, ob es ein völlig neu produziertes Bauteil ist oder ein aus dem Rücknahmeprozess gewonnenes. Wir stehen für die gleiche, hohe Qualität ein. Unklar – auch seitens des Gesetzgebers – ist nur, ob wir eine Informationspflicht an den neuen Kunden haben, dass Teile seines Produkts auch aus einem Kreislauf stammen könnten, und wie detailliert sie erfolgen soll.
Herausforderungen für die Produktentwicklung
KEM Konstruktion|Automation: Vor welche Herausforderungen stellt ein Cradle-to-cradle-Ansatz insbesondere die Produktentwickler bei Ihnen?
Dietz: Für den kreativen Prozess in unserer Produktentwicklung ist das Mitdenken einer Kreislaufbefähigung „nur“ ein weiteres Element – und damit kein Störfaktor. Ein erheblicher Zusatzaufwand entsteht jedoch durch die Anforderungen zu neuen und anderen Dokumentationsprozessen. Dadurch werden zeitliche Ressourcen gebunden. Der Ausbau einer entsprechenden Tool-Landschaft wird diesen zeitlichen Nachteil jedoch wieder ausgleichen. Es reicht zum Beispiel nicht mehr aus, eine Legierung auszusuchen, die die Anforderungen der Anwendung erfüllt und dazu die produktionstechnischen Optimierungen einer großtechnischen, industriellen Fertigung ermöglicht. Die Wahl der Legierung muss nun mit den Aspekten des Rezyklatanteils gewählt werden, um die prozentualen Kreislaufvorgaben im Detail zu erfüllen. Da genügt es nicht mehr, das technische Datenblatt zu kennen. Sondern wir müssen auch gleich die potenziellen Lieferanten ins Boot zu holen, um von ihnen ihre Kreislaufdaten zu erhalten. Deren Scope-3-Angaben fließen in unsere Scope-1- und -2-Werte und -Betrachtungen ein.
Tipps für eine nachhaltigere Antriebstechnik
KEM Konstruktion|Automation: Können Sie Ihren Anwendern Tipps geben, wie diese selbst mit dem Einsatz Ihrer Produkte nachhaltiger werden können?
Dietz: Der wichtigste Baustein in der Nachhaltigkeit ist der sorgsame Umgang mit dem Einsatz der Energie. Hier reicht es nicht mehr nur aus, hocheffiziente Komponenten zu kaufen, sondern die Anlage oder Maschine muss bedarfs- und zeitorientiert verwendet werden. Wenn wir als Hersteller durch einen hohen konstruktiven Aufwand und einem deutlichen Mehr an Material den Wirkungsgrad um ein Prozent verbessern, so kann durch eine vorausschauende Planung, was die Anlage beziehungsweise Maschine in den nächsten fünf bis zehn Stunden tun muss, eine Einsparung von 20 % und mehr erreicht werden, wenn eine Drehzahlregelung umfangreich zum Einsatz kommt.
Der nächst-wichtigste Baustein ist die Pflege und Wartung der Investition in die Anlage oder Maschine. Das triviale Einhalten und Durchführen von Inspektionszyklen verlängert die Nutzbarkeit und damit den Produktlebenszyklus. Funktionierende Maschinen müssen nicht erneuert oder verschrottet werden. Man spart so Rohstoffe bei der Neuproduktion ein.
SEW-Eurodrive als Hersteller von Antriebskomponenten trägt seinen Teil dazu bei und verlängert durch gezielte Optionen die Intervalle zwischen den Inspektionen. Je nach Nutzung kann das bis zur Verdoppelung des zeitlichen Abstandes führen. Und wenn bei der Inspektion dann doch mal ein Verschleiß entdeckt wird, muss der Aufwand zum Bestellen der Ersatz- und Einzelteile so gering wie möglich ausfallen. Mit einem QR-Code auf dem Antrieb gelangt man online in die Ersatzteilwelt von SEW-Eurodrive. Mit wenigen Klicks ist das Bauteil auf dem Weg, kann eingebaut werden und den Lebenszyklus aufrechterhalten. Das Recht auf Reparatur bietet SEW-Eurodrive seinen Kunden schon immer an. Man bekommt immer noch Ersatzteile, auch wenn es das Produkt schon zehn Jahre nicht mehr neu zu kaufen gibt.
Engineering-Support durch SEW-Eurodrive
KEM Konstruktion|Automation: Welche Engineering-Unterstützung kann SEW-Eurodrive hier anbieten?
Dietz: Die Toolwelt von SEW-Eurodrive bietet in allen Phasen des Lebenszyklus entsprechende Hilfe zur Unterstützung an. Das beginnt bei der Auswahl mit der Bestimmung und Berechnung der Antriebskomponenten. Hierbei zeigt der Energiereport die Einsparungen unterschiedlicher Lösungen an. Das Bestellwesen und Liefermanagement wird umfangreich durch Online-Tools auf der Webseite von SEW-Eurodrive begleitet. Dort finden sich auch die Dienstleistungsangebote, die sich nicht allein auf den Lebenszyklus nach der Lieferung beziehen.
Ein Variantenmanagement hilft, den Überblick zu behalten und das Complete-Drive-Management CDM entlastet den Wiederbeschaffungsprozess. Inspektionsangebote wie Thermografie und Endoskopie vermeiden die Anschaffung teurer Geräte und nutzen die Erfahrung der SEW-Fachleute bei Diagnose und Therapie. Doch zuvor kann mit dem Kurzcheck eine erste Bestandssichtung vorgenommen werden. Falls erforderlich, holt der SEW-Service mit eigenen Fahrzeugen die defekten Antriebe bei den Kunden ab.
Wie lässt sich Nachhaltigkeit „messen“?
KEM Konstruktion|Automation: Wie lässt sich sowohl bei Ihnen als auch Ihren Anwendern Nachhaltigkeit „messen“? Welche Rolle spielen dabei die Scope-1-, -2- und 3-Emissionen beziehungsweise wie vollständig und verlässlich können aus Ihrer Sicht solche Angaben sein?
Dietz: Messungen setzen einen vereinbarten Vergleichsvorgang voraus. Diese Vereinbarungen sind europäische oder internationale Normen und Standards. Aus konstruktiver und werkstofflicher Sicht ist die Normenwelt nahezu vollständig abgebildet beziehungsweise wird durch die Fortschreibung beständig auf der Höhe gehalten. Damit können wir als Hersteller die Emissionen im Scope 1 und 2 ermitteln – nicht aufwandsarm, aber verlässlich und reproduzierbar. Beim Scope 3 wird das schon komplexer. Hier lassen sich die Vielzahl und die Unterschiede in der Nutzung von Antriebskomponenten nicht normativ korrekt und genau beschreiben. Dadurch kommt es zu Vereinfachungen und Zusammenfassungen, die zunächst nur eine Annäherung an den tatsächlichen Einsatzfall darstellen.
Diese sogenannten Lastprofile bilden die Nutzungsphase mit Zeitscheiben der Belastung ab. Aus heutigen, wenigen Profilen in Normen wird es dann künftig etwa ein Dutzend voll vereinbarter Profile geben. Bei der Berechnung und Auslegung des Antriebes wird dann das Scope-3-Profil ausgewählt, das der tatsächlichen Verwendung am nächsten ist. Je nach Vereinbarung wird der Scope 3 dann für die gesamte Lebensdauer errechnet (zum Beispiel für 15 Jahre mit 5.000 h/a) oder als eine relative Größe in kg CO2/100 h angegeben.
Diese Scope-3-Werte werden aber nur im Verkaufsprozess zur Ansicht kommen, denn in Fortsetzung der Lieferkette sind unsere Scope-3-Angaben letztlich die Scope-1- oder -2-Werte beim Maschinen- und Anlagenhersteller. Der Betreiber wird sich für seinen Nachhaltigkeitsbericht nicht auf die theoretischen Angaben aus der Lieferkette stützen wollen, sondern dort werden die Echtwerte und -verbräuche erfasst und ausgewiesen. Somit sind die zwischenzeitlichen Vereinfachungen zur Scope-3-Ermittlung zulässig und angebracht.
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