Inhaltsverzeichnis
1. Komplette Neuauslegung des Elektromotors
2. Hochdrehende Elektromotoren: Achtung bei den AC-Verlusten
3. Rotorintegrität ist wesentliches Kriterium in der Simulation
4. Entwicklungspartner ohne Serienfertigung
Sowohl bei Brennstoffzellen-Luftversorgungssystemen (FCAS) als auch bei elektrisch unterstützten Abgasturboladern (EAT) sieht das Unternehmen Pankl Turbosystems aus Mannheim großes Wachstumspotenzial. Aufgrund eines dynamischen Auftragsmarkts erteilte Pankl Turbosystems einen Entwicklungsauftrag an LCM (Linz Center of Mechatronics). Dieser lässt sich knapp zusammenfassen: Um den technologischen Vorsprung auszubauen, müssen jene Elektromotoren, die in FCAS- und EAT-Systemen die Verdichterräder antreiben, leichter, kleiner und leistungsstärker werden. Zum Einsatz kommen diese in der Luftfahrt, in Nutzfahrzeugen, Schiffen oder Zügen, sowie in stationären Systemen.
Nach nur neun Monaten lieferte LCM die ersten Funktionsmuster für die hochdrehenden Elektromotoren. Diese erfüllten die Erwartungen von Pankl und liefern Drehzahlen von bis zu 140.000 U/min und eine Nennleistung von 22kW. Ein von Pankl Turbosystems und LCM optimierter Verdichter dürfte es an sogar an Bord eines unbemannten Zero-Emission-Flugobjekts schaffen.
Jonas Kranz, Entwicklungsingenieur Leistungselektronik bei Pankl Turbosystems, bewertet das neue Luftzufuhrsystem, das für Flüge in die Stratosphäre entwickelt wurde, als zukunftsweisend. „Selbst wenn dieses Projekt noch in einem sehr frühen Stadium ist, zeigt es die enorme Dynamik in der Brennstoffzellen-Technologie“, erklärt Kranz. Das genannte Projekt läuft im Auftrag der britischen Stratospheric Platforms Ltd, eines Herstellers von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt. Gemeinsam mit anderen Unternehmen arbeitet man an der Entwicklung eines unbemannten Zero-Emission-Flugobjekts. Dieses soll künftig aus der Stratosphäre unterbrechungsfreie LTE/4G/5G-Datenverbindungen sicherstellen.
Komplette Neuauslegung des Elektromotors
Das von Pankl entwickelte mehrstufige Luftzufuhr-System sichert in jeder Flughöhe die optimale Luftzufuhr für die Brennstoffzelle. Die erfolgreiche Validierung erfolgte durch Simulation stratosphärischer Umweltbedingungen bei Bodentests. So unterschiedlich die Technologie bei Verbrennungsmotoren und Wasserstoffantrieben auch ist, die Aufgabenstellung für das LCM-Entwicklungsteam ändert sich kaum.
![Hubert Mitterhofer mit dem Stator des neu entwickelten, hochdrehenden Elektromotors](https://kem.industrie.de/wp-content/uploads/E/l/Elektromotor_Mitterhofer_web.jpg)
Bild: Wakolbinger
„Es geht immer darum, den Motor für die Luftzufuhr leichter, kleiner und leistungsstärker zu machen“, betont Josef Passenbrunner, Teamleiter Motor-Technology, LCM. „Einerseits war eine möglichst hohe Drehzahl für die Verdichterräder gefordert, was kleine Rotordurchmesser erfordert, die den Fliehkräften standhalten können.“ Der Motor könne im Gegenzug aber nicht beliebig verlängert werden, da sowohl der verfügbare Bauraum als auch die Rotordynamik klare Grenzen setzen. „Überschreitet man die Stabilitätsgrenze, kann es zu Vibrationen kommen, die bis zur mechanischen Zerstörung des Motors führen“, erklärt Passenbrunner. Um auf spezifische Kundenanfragen rasch mit maßgeschneiderten Lösungen reagieren zu können, hat Pankl Turbosystems LCM mit einer kompletten Neuauslegung des Elektromotors beauftragt.
Hochdrehende Elektromotoren: Achtung bei den AC-Verlusten
Dass sich die Neuauslegung des Motors nicht mit am Markt verfügbaren Standardkomponenten realisieren lässt, wird schon bei den speziellen und herausfordernden Randbedingungen klar. Ausgehend von einer speziellen Motortopologie muss bei hochdrehenden Maschinen großer Wert auf die Betrachtung von AC-Verlusten gelegt werden. „Alleine in der Wahl der Leiteraufteilung liegt Optimierungspotenzial“, umreißt Passenbrunner die Komplexität der Aufgabe.
Rotorintegrität ist wesentliches Kriterium in der Simulation
Um alle Komponenten – von der Baugröße des Motors über die Materialauswahl bis zur Dimensionierung jedes Bauteils – so aufeinander abzustimmen, um den optimalen Antrieb zu erhalten, kommt „SyMSpace“ zum Einsatz. Diese Software-Plattform von LCM führt dabei die dafür nötige sogenannte „multikriterielle Optimierung“ (Mehrzieloptimierung) durch. Dabei werden Zielgrößen wie die Länge des Motors und das Gewicht minimiert, der Wirkungsgrad hingegen maximiert. Auch die Rotorintegrität bildet dabei ein wesentliches Kriterium, welches in der Optimierung mit betrachtet werden muss. „Das Ergebnis dieser Berechnung mit mehreren tausenden Varianten ist ein Elektromotor in der geforderten Baugröße, der in der Simulation 97 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Es lässt sich kein Parameter weiter verbessern, ohne einen anderen zu verschlechtern“, erklärt Passenbrunner.
Entwicklungspartner ohne Serienfertigung
Bis zu 140.000 U/min schafft der von LCM neu entwickelte Motor mit rund 9 cm Länge und einem Durchmesser von rund 10 cm. „LCM hat uns schon mit dem ersten Funktionsmuster überrascht und unsere Erwartungen erfüllt. Seither haben wir das Tempo unserer Entwicklungszusammenarbeit sukzessive erhöht“, resümiert Entwicklungsingenieur Kranz. Da die Brennstoffzellen-Luftversorgungssysteme und Abgasturbolader von Pankl für sehr spezifische Anwendungen entwickelt werden, sind die Stückzahlen naturgemäß gering. „Unsere Entwicklungszusammenarbeit mit LCM ist langfristig, weil wir ständig neue Anfragen mit ebenso neuen Aufgabenstellungen bekommen“, sagt Kranz. „Mittlerweile schaffen wir es, innerhalb von sechs bis neun Monaten nach Kundenanfrage einen Prototyp zu liefern.“
![Pankl_LCM-Team](https://kem.industrie.de/wp-content/uploads/P/a/Pankl_LCM-Team_web.jpg)
Bild: Wakolbinger
Weil Pankl außerdem in die Entwicklungsarbeit von LCM-Einsicht bekommt, können sich die Partner gemeinsam auf die Suche nach geeigneten Produktionsbetrieben für Kleinserien machen. Als reines Entwicklungsunternehmen ohne nachgelagerte Produktionsabteilung könne LCM mit hoher Schlagzahl agieren, sagt LCM-Geschäftsführer Gerald Schatz. „Wir sind keinen Lieferanten verpflichtet und müssen unsere Entwicklungen nicht auf spezielle Produktionsprozesse ausrichten. Dadurch können wir uns voll und ganz auf die technisch und wirtschaftlich beste Lösung für unsere Kunden konzentrieren.“ Dass LCM im Entwicklungsprojekt mit Pankl auch die Effizienz der Brennstoffzelle und damit die Energiewende vorantreibt, freut Schatz besonders. „Es ist für unser gesamtes Team immer eine besondere Motivation, Zukunftstechnologien praxistauglich zu machen.“ (eve)