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Digitalisierungsprojekte erfolgreich umsetzen

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Digitalisierungsprojekte erfolgreich umsetzen

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Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen. Bei komplexen Fragestellungen kann das vollständige Durchdenken einer Aufgabenstellung vorab aber an Grenzen stoßen – weswegen es sich lohnt, klein anzufangen, betonen Dr. Stefan Hennig, Bereichsleiter Transconnect bei der SQL Projekt AG in Dresden und Ronald Sieber, Vorstandsvorsitzender der SYS TEC electronic AG in Heinsdorfergrund.

Interview: Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion

Inhaltsverzeichnis

1. Digitalisierung eröffnet neue Einblicke
2. Der Einstieg in die Digitalisierung
3. Methodische Unterstützung
4. Die Rolle des Edge Computing
5. Software effizient erstellen
6. Praxisbeispiel

KEM Konstruktion: Sie wollen zusammen zeigen, dass sich Mehrwerte per Digitalisierung erreichen lassen und wie sich Projekte erfolgreich umsetzen lassen – vom Kunden bis zur Fertigungslinie. Welcher Nutzen lässt sich aus der Digitalisierung ziehen?

Stefan Hennig (SQL Projekt): Digitalisierung setzt beim Geschäftsprozess an und legt die Basis mit der folgenden Prozessautomatisierung – ein Grund, warum sich SYS TEC als Elektronikdienstleister und SQL als Beratungs- und Integrationsdienstleister zusammen getan haben. Denn auch wenn Digitalisierung vom Geschäftsprozess getrieben wird, reicht sie natürlich bis hinab zur Datenebene. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen, die in Digitalisierungsprojekten stecken, häufig keinen Mehrwert erzeugen. Der Grund ist trivial: Werden Geschäftsprozesse einfach nur 1:1 digitalisiert, betreibt man Digitalisierung hauptsächlich um der Digitalisierung willen. Nutzen kann man erst daraus ziehen, wenn man bereit ist, die Wertschöpfungs- und Geschäftsprozesse zu analysieren, um diese – mit den dann nutzbaren digitalen Mitteln – neu zu denken. Will heißen: Wie lassen sich Engpässe beseitigen, wie Innovation fördern, um Produktions- und damit Stückkosten zu reduzieren? Wie kann ich meinen Kunden Mehrwerte bieten? Gelingt mir das, trägt Digitalisierung wesentlich dazu bei, meine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Skalierungseffekte freizusetzen. Das gilt umso mehr, je weiter ich mich der Losgröße 1 nähere.

Digitalisierung eröffnet neue Einblicke

Ronald Sieber (SYS TEC electronic): Im Vordergrund steht bei vielen Projekten Transparenz – erst wenn ich die Prozesse analysieren kann, kann ich sie optimieren. Erst Transparenz ermöglicht es, fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen, um etwa Flaschenhälse in der Produktion gezielt zu beseitigen. Vielfach ist dieses Wissen zwar vorhanden, aber nicht sichtbar. Denken Sie an einen Kollegen, der schon länger Investitionen in neue Maschinen fordert, aber nicht gehört wird. Digitalisierung macht solche Engpässe sichtbar und ermöglicht auf diese Weise wesentlich fundiertere Entscheidungen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt sind Routinearbeiten – Digitalisierung bietet die Möglichkeit, Mitarbeiter von Routineaufgaben zu entlasten. Dabei gilt: Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto einfacher lassen sich Probleme lösen. Viele unserer Kunden bieten ja Produkte an, die an den verschiedensten Stellen im Feld im Einsatz sind. Treten nun Ausfälle auf, geht es zunächst immer darum, eine Ursachenanalyse durchzuführen. Je einfacher ich hier direkt gezielte Informationen erhalten kann, desto detaillierter und schneller kann ich helfen. Und nicht nur das: Für mich als Hersteller kann ich auch Hinweise bekommen, in welcher Weise ich meine Produkte verbessern muss. Denn viele Anwender sind ‚kreativ‘ und setzen meine Produkte vielleicht in einer Weise ein, die ich bei der Auslegung nicht berücksichtigt habe. Dieses Know-how ist aber entscheidend, um verlässliche Produkte zu entwickeln und so selbst wettbewerbsfähig zu bleiben.

Hennig: Digitalisierung bietet mir damit nicht nur die Chance, Engpässe in der Produktion zu erkennen, sondern auch Chancen im Produktmanagement und letztlich für das Geschäftsmodell.

Der Einstieg in die Digitalisierung

KEM Konstruktion: Wenn ich Digitalisierung in dieser Weise nutzen will – wie steige ich dann am besten in die Umsetzung ein?

Hennig: Seitens SQL Projekt nutzen wir dazu vor allem Workshops, um systematisch Anforderungen zu ermitteln und Schwachstellen zu analysieren. Bei der von uns entwickelten Methodik spielt das Know-how unserer Kunden die zentrale Rolle – wir bauen darauf auf und führen sie sinngemäß wie ein Navigationsgerät zum Ziel. Dabei stehen die Geschäftsprozesse wie oben erwähnt im Vordergrund, der Mehrwert für den Kunden – erst danach lassen sich weitere Schritte ableiten.

Eine wichtige Voraussetzung ist übrigens, dass Digitalisierung von der Unternehmensführung getragen wird – sonst funktioniert das nicht. Nur einen Studenten an ein Digitalisierungsprojekt zu setzen, wird nicht zum Ziel führen. Man muss mit einem konkreten Ziel, mit einer klaren Vorstellung in solch ein Digitalisierungsprojekt und den folgenden Kommunikationsprozess gehen – das Unternehmen braucht eine Strategie. Dabei ist wichtig, dass es eine Digitalisierungsstrategie nicht losgelöst von der Unternehmensstrategie geben kann. Erfolgreiche Digitalisierung kann nur Teil eines erfolgreichen und integrierten Strategieprozesses sein.

Sieber: In der Umsetzung geht es dann darum, die richtigen Informationen zu sammeln und sichtbar zu machen. Ob eine Produktion gut läuft oder nicht, können erfahrene Mitarbeiter zum Beispiel ‚hören‘ – vergleichbar dem Obermaschinisten Johann in Wolfgang Petersens Film ‚Das Boot‘, der am Klang den Zustand der Dieselmaschinen erkennt. Das lässt sich dann allerdings gar nicht so einfach messtechnisch erfassen. Dennoch muss ich für ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt diese Erfahrung in den digitalen Prozess transferieren. Bei neueren Maschinen lässt sich bereits vieles über OPC-UA-Schnittstellen erfassen, doch in manchen Produktionshallen verrichten auch noch zahlreiche ältere Maschinen zuverlässig ihren Dienst – diese dennoch einzubinden, ist die Herausforderung. Schaffe ich es nicht, dabei die erfahrenen Maschinenbediener und Prozesstechniker mit an Bord zu nehmen, habe ich schon verloren.

Methodische Unterstützung

KEM Konstruktion: Wenn es so wichtig ist, sich vorab über die Zielsetzung im Klaren zu sein – gibt es einen Ansatz, wie ich diese Aufgabe effektiv lösen kann?

Hennig: SQL hat dazu das ‚Agile Integration Framework‘ entwickelt, hinter dem inzwischen fast 30 Jahre Erfahrung aus zahlreichen Integrationsprojekten stehen. Wie sich das Framework konkret anwenden lässt, genau das wollen wir den Teilnehmern unserer beiden Workshops anlässlich des Automatisierungstreffs Böblingen zeigen (siehe Infokasten ‚Veranstaltungstipp‘ am Ende). Im Grunde braucht man dazu übrigens vor allem Post-its, um herauszuarbeiten, an welcher Stelle man steht und welche Optionen sich bieten.

Die Rolle des Edge Computing

KEM Konstruktion: Folgen muss dann die technische Umsetzung – ein Stichwort lautet hier Edge Computing, korrekt?

Sieber: Edge Computing ist eine tragende Säule für Digitalisierungsprozesse, weil es mir hilft, die Vorteile einer lokalen Steuerung mit den Annehmlichkeiten der Cloud zu verbinden. Per Edge Computing kann ich die Steuerungs-Performance unmittelbar am Ort des Geschehens nutzen, also dort, wo die Daten entstehen und ich diese verarbeiten will. Denn das muss mit ganz kurzen Latenzen erfolgen, mehr oder weniger unmittelbar. Daten einer Vielzahl von Sensoren zunächst in die Cloud zu schicken, funktioniert einfach nicht. Der Vorteil ist: Auf diese Weise kann ich durch die kontinuierliche Überwachung der Produktionsprozesse in Echtzeit Entscheidungen vor Ort treffen und Flaschenhälse von vornherein vermeiden. Nur auf diese Weise erreiche ich übrigens auch die gewünschte Autonomie und Datensouveränität.

KEM Konstruktion: Wollen Sie das etwas genauer erläutern?

Sieber: Einerseits muss ich einen autonomen Betrieb sicherstellen – selbst wenn ich Cloud-Funktionalitäten nutzen will. Wenn der Internetanschluss unterbrochen ist, möchte ich ja einen Produktionsstillstand vermeiden. Andererseits will ich zwar eine hohe Transparenz meiner Produktion erreichen, aber nicht jeder soll diesen tiefen Einblick erhalten. Diese Datensouveränität kann ich per Edge Computing gut erreichen, weil ich damit Daten isolieren und auf diese Weise schützen kann. Das schließt aber nicht aus, dass ich bestimmte Auswertungen dennoch in einer übergeordneten Ebene zusammenführe – aber die Hoheit darüber will ich selbst behalten.

„Noch wird die Power der Edge nicht genutzt“

Software effizient erstellen

KEM Konstruktion: Ergeben sich daraus nicht letztlich hohe Anforderungen an die Erstellung der Software? Welche Rolle kann hier das Low-Coding spielen?

Hennig: An dieser Stelle kommt zunächst SQL mit seiner zentralen Integrationsplattform Transconnect als zentraler Datendrehscheibe ins Spiel. In der Mehrzahl der Unternehmen arbeiten ja einzelne Fachbereiche mit hochspezialisierter Software, die mittels Schnittstellen verknüpft werden muss – und wenn diese Verknüpfung ohne Plan und ungeordnet vollzogen wird, dann endet man schnell in einem Wartungsalbtraum. Unsere Plattform führt alle Schnittstellen zentral zusammen, ordnet die Datenflüsse, versorgt alle angeschlossenen Systeme mit gültigen Informationen und übernimmt deren Vermittlung von Quellsystemen in beliebige Zielsysteme. Auf diese Weise können wir zudem die kontinuierliche Verfügbarkeit aller relevanten Daten und Informationen sicherstellen.

Sieber: In der Tat darf die IT nicht zum Flaschenhals werden. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen Akzeptanz durch die jeweiligen Fachabteilungen, die wir ja bewusst mit im Boot haben wollen. Dem Low-Coding kommt deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil sich damit auch Kommunikationsprobleme sehr effektiv vermeiden lassen. Muss etwa ein Prozesstechniker zunächst dem Informatiker Details der Kunststofffertigung vermitteln, wird es schwierig. Kann der Prozesstechniker dagegen per Low Coding seine Prozesse selbst modellieren, ist das stressfreier für alle. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten mit offenen Schnittstellen arbeiten – Low-Coding lebt davon! Unser größter Wunsch ist deshalb, dass wir zukünftig nur mit offenen Standards arbeiten – wie etwa OPC UA.

Praxisbeispiel

KEM Konstruktion: Können Sie zum Abschluss kurz ein erfolgreich umgesetztes Digitalisierungsprojekt beschreiben?

Sieber: Wir können uns selber – SYS TEC – als Referenz nennen, da uns die Digitalisierung beim Energiedaten-Monitoring sehr geholfen hat. Konkret standen wir nach der Erweiterung unserer Fertigung vor dem Problem, dass sich Lastspitzen überlappten – und damit unser Anschluss an das Versorgungsnetz nicht mehr ausgereicht hätte. Mit Hilfe der Digitalisierung und der so gewonnenen Transparenz ist es uns aber gelungen, die Lastspitzen zeitlich zu entkoppeln. Das ersparte es uns, in einen Mittelspannungs-Anschluss investieren zu müssen. Das ist ein ganz praktisches Beispiel, wie sich unter dem Strich Geld sparen lässt.

Hennig: Betonen möchte ich an dieser Stelle gerne noch einmal, dass man vor dem Griff zum Technologie-Baukasten zuerst den konkreten Anwendungsfall analysiert und sichergestellt haben sollte, dass Digitalisierung auch einen Mehrwert schafft. Stellt man seine Kunden und die relevanten Wertschöpfungsprozesse in den Vordergrund, wird Digitalisierung zur Skalierung des Geschäftsmodells beitragen. Ganz wichtig ist zudem, dass die Unternehmensleitung die Verantwortung trägt – und diese sollte auch eingefordert werden.

Kontakt:
SQL Projekt AG
Franklinstraße 25a
01069 Dresden
Tel. +49 351/87619-0
www.sql-ag.de

SYS TEC electronic AG
Am Windrad 2
08468 Heinsdorfergrund
Tel. +49 3765/386000
www.systec-electronic.com

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