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Erema und Borealis legen Fokus auf Kreislaufwirtschaft vor der K 2022

Kunststoffbranche vor Leitmesse K 2022
Wie Erema und Borealis die Kreislaufwirtschaft anschieben

Rund drei Monate vor der Kunststoff-Leitmesse K 2022 präsentieren sich die österreichischen Unternehmen Erema und Borealis als Speerspitzen für die Kreislaufführung von Kunststoffen: Recycling-Spezialist Erema entwickelt und wächst unaufhörlich, Borealis verweist auf einen 40%igen Marktanteil an biobasierten Polyolefinen – und will diesen weiter ausbauen.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

Über 100 Mio. Euro hat die Erema-Gruppe in den letzten fünf Jahren am Stammsitz Ansfelden und weiteren Standorten investiert, so die eigenen Angaben. Auf der K 2022 in Düsseldorf wird der österreichische Spezialist für mechanisches Recycling erstmals mit allen sechs Tochterunternehmen auf einem gemeinsamen Stand auftreten – mit Erema, Pure Loop, Umac, 3S, Keycycle und Plasmac.

Die Zahlen, die der Recycling-Pionier gegen Mitte Juni präsentierte, verdeutlichen die Bedeutung und Brisanz, die das Thema inzwischen erlangt hat: Die Gruppe hat im Geschäftsjahr 2021/22 einen Umsatz in Höhe von 295 Mio. Euro erzielt, ein Plus von 18 % gegenüber Vorjahr. Dahinter verbergen sich ausgelieferte Anlagen mit einer Kapazität, um jährlich 1,3 Mio. t Kunststoffe zu verarbeiten. Die Zahl der Mitarbeiter liegt inzwischen bei 840 weltweit.

Kreislaufwirtschaft ist alternativlos

„Kreislaufwirtschaft ist zum Megathema in der Kunststoffbranche geworden – auch für Kunststoffabfälle, bei denen das vor wenigen Jahren noch undenkbar war“, sagte Erema-CEO Manfred Hackl. „Dieser Schub ist eine Bestätigung für unsere Arbeit in den vergangenen Jahren. Es gibt zwar noch viel zu tun, aber alle Akteure in der Wertschöpfungskette ziehen nun an einem Strang.“ Mit Borealis zeigte er sich bei der kombinierten „Pre-K“-Präsentation im Juni einig, dass nur ein gemeinsames Agieren der gesamten Branche zum Erfolg führen kann: „Auf der Messe zeigen wir dem Fachpublikum, dass es möglich ist Kreislaufwirtschaft zu realisieren, wenn die Akteure entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten.“

Für den großen Kunststoffhersteller Borealis drückte dies Lucrèce Foufopoulos, Executive Vice President Polyolefins, Innovation & Technology, so aus: „Eine Zukunft, in der Kohlenstoffneutralität und kreislauforientierte Kunststoffe oberste Priorität haben, kann nur durch koordinierte und konsequente Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werden.“

2050 sollen zwei Drittel der Kunststoffe aus Altmaterial sein

Bevor Hackl erste Einblicke in die zu erwartenden Messe-Neuheiten gab, stellte er ein Szenario für den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft vor. Der Bedarf an Kunststoffen steige. Sie seien Teil der Lösung, um den Klimawandel zu stoppen, so sein Credo – als unabdingbare Voraussetzung dafür nannte er aber die Kreislaufwirtschaft. Aus Hackls Sicht kann es bis 2050 möglich werden, 60 % der Kunststoffe aus wiederverwendeten und recycelten Materialien zu produzieren.

Allerdings entspricht der dann verbleibende Anteil an neuproduzierten Kunststoffen in Höhe von 40 % immer noch der heutigen Produktionsmenge in absoluten Zahlen oder liegt sogar etwas höher. An diesem Szenario wird deutlich, welch politischen, gesellschaftlichen und auch technischen Rang die Kreislaufführung unabdingbar haben wird.

Messe K 2022: Erema stellt sieben neue Recyclingsysteme vor

Auf der K 2022 will die Erema-Gruppe sieben neue Recyclingsysteme und Komponenten vorstellen. Sie machen Produktionskapazitäten von bis zu 6 t/h in Großanlagen möglich und zum anderen steigern sie weiter Rezyklatqualität und Stabilität der Rezyklierprozesse. Dazu verhelfen unter anderem technologische Neuerungen an der Plastifiziereinheit speziell für hohe Durchsätze bei niedrigem spezifischen Energieverbrauch und weiter eine neue Anlage „Erema Laserfilter 406“ mit 50 % größerer Siebfläche (wobei der Name auf die Filterherstellung durch den Laser anspielt).

Zudem kündigt Erema neue digitale Assistenzsysteme an, die ab Messebeginn auf der Erema-Kundenplattform BluPort verfügbar sind. Dazu zähle die App PredictOn, die drohende Störungen vorausschauend erkennt und das Beheben ermöglicht.

Standard-Recyclinganlagen ab Lager

Wer nach rasch verfügbaren Recyclingsystemen für einfache Anwendungen sucht, dürfte sich über das neue Angebot von Umac freuen: Die bisher auf Gebrauchtanlagen spezialisierte Erema-Tochter erweitert ihren Geschäftsbereich und präsentiert mit Readymac eine standardisierte, vorgefertigte und auf Lager produzierte Recyclinglösung. Sie basiert auf der bekannten TVE-Technologie von Erema.

Nicht zuletzt präsentiert Erema live Kunststoffrecycling im Außengelände der K-Messe, zusammen mit Kooperationspartnern. Dafür werden unterschiedliche Abfallströme verarbeitet. Die Ausstellung „products made of recyclate“ wiederum demonstriert die große Vielfalt an hochqualitativen Endanwendungen, die aus Rezyklat entstanden sind – eine Einladung, sich der Idee gedanklich anzunähern. Die Palette an Gezeigtem soll von technischen Bauteilen über Konsumgüter bis hin zu Lebensmittelverpackungen reichen. Man darf gespannt sein.

Borealis: Vorreiter bei nachhaltigen Kunststoffen

Mit Borealis hat sich einer der großen Kunststoffhersteller mit dem Recycling-Pionier – zumindest in der Pre-K-Präsentation – verbündet. Der Konzern mit Sitz in Wien und rund 6900 Mitarbeiter weltweit ist einer der großen Produzenten von Polyolefinen – den Massekunststoffen, zu denen PE und PP gehören. Der gemeinsame Nenner mit Erema ist die angestrebte Kreislaufwirtschaft. Im Blick auf den Marktanteil ist Borealis ein Schwergewicht: Nach eigenen Angaben produziert das Unternehmen 40 % der in Europa hergestellten nachhaltigen Polyolefine.

Im Blick auf absolute Zahlen mutet dies freilich noch bescheiden an: Die 40 % stehen für 0,1 Mio t recycelte oder erneuerbare und damit nachhaltige Materialien. Doch bis 2030 will Borealis diese nachhaltige Produktionsmenge auf 1,8 Mio t steigern, also um den Faktor 18 vervielfachen.

Ambitionierte Ziele brauchen Partner

Ein ehrgeiziges Ziel, weswegen Lucrèce Foufopoulos auch darauf hinwies, dies könne die Branche nur gemeinsam schaffen – wohl denkt sie dabei auch an notwendigerweise steigende Nachfragen nach nachhaltigem Kunststoff. „Der Umstieg auf ein regeneratives und kreislauforientiertes System ist eine epochale gesellschaftliche Herausforderung“, erklärte die Vice-Präsidentin Polyolefins. Dazu will sie der Branche auf der K-Messe als Angebot und Vorschlag den „Innovate Collaborate Accelerate“-Ansatz von Borealis vorstellen.

Wie solche Kooperationen aussehen könnten, reißt der Kunststoffkonzern im Vorfeld der K 2022 mit exemplarischen Kundenprojekten an, die auf dem Borealis-Portfolio „Bornewables“ beruhen – kreislauforientierten Polyolefinprodukten, die aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden. Sie sollen Messethema werden.

HLK-Rohre von Nupi aus erneuerbarem Polypropylen

Beispiele daraus: Der Rohrleitungshersteller Nupi Industrie Italiane nutzt für die nächste Generation seiner Lösungen in Sanitär-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen das Bornewables-Programm für Polypropylen (PP): Laut Borealis wird Bornewables PP aus erneuerbaren Rohstoffen gefertigt und ist damit unabhängig von fossilen Rohstoffen. Das Material biete aber die gleiche Performance wie konventionelles PP. Nupi fertigt daraus die Rohre Niron Beta aus PP-RCT (PP Random Crystalline Structure Temperature) für höhere Belastungen und Temperaturen.

Dieses nachhaltige „PP-RCT“-Material lässt sich auf bestehenden Rohrverarbeitungsanlagen ohne Modifikation anstelle von fossilbasiertem PP einsetzen. Es erfordert keine neue Genehmigung durch die Wasserbehörden.

„Damit machen wir einen großen Schritt, um den CO2-Fußabdruck unserer Produkte zu verringern und den immer strengeren Vorschriften einen Schritt voraus zu sein“, erklärt Roberta Brusi, Quality Director der Nupi Group. „Außerdem hilft uns die ISCC-Plus-Zertifizierung dieses Werkstoffs dabei, den Anteil an erneuerbaren Rohstoffen in unserer PP-RCT-Rezeptur und unseren Rohren klar und nachvollziehbar zu dokumentieren.“

Der Bornewables-Rohstoff selbst wird aus natürlichen Ressourcen der zweiten Generation gewonnen, teilt Borealis mit: Dazu gehören beispielsweise Abfälle aus der Zellstoffproduktion oder aus Ölresten der Lebensmittelverarbeitung.

Speiseeis Aino mit recycelbarer PP-Monoverpackung

Borealis kann noch weitere Beispiele für Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette anführen. Mit dem finnischen Speiseeisgersteller Froneri und dem deutschen Verpackungsspezialisten Paccor arbeiteten die Österreicher an einer nachhaltigen Verpackung für die Speiseeis-Marke Aino. Die auf den Bornewables-PP-Typen basierende Monomaterial-Verpackung lasse sich zu 100 % recyceln – anders als die früheren Mehrschichtsysteme.

In einem weiteren Projekt suchte der ebenfalls finnische Rohrspezialist Uponor nach einem nachhaltigen Rohmaterial für seine Kalt- und Heißwasserrohre aus vernetztem Polyethylen (PE-X). Im Ergebnis sei das Portfolio „PEX Pip Blue“ von Uponor das weltweit erste aus komplett erneuerbaren Rohstoffen. Hier kommt das ebenfalls durch Massenbilanzierung gemäß ISCC-Plus-Standard zertifizierte Produkt Bornewables Polyethylen (PE) von Borealis zum Einsatz.

Rohre aus erneuerbarem PE-X senken CO2-Fußabdruck um 90 %

Der Effekt: Die PE-X-Rohre von Uponor zeichnen sich durch einen um bis zu 90 % reduzierten CO2-Fußabdruck aus. Diese Bilanzrechnung setzt auf der ISCC-Plus-zertifizierten Nachhaltigkeit von Borealis‘ Bornewables PE auf. Die ISCC-Plus-Akkreditierung ihrerseits basiert auf einer unabhängigen Massenbilanz mit der Möglichkeit, nachhaltige Inhaltsstoffe über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu überwachen, zurückzuverfolgen und zu verifizieren. Um sicherzustellen, dass stets sämtliche Anforderungen erfüllt sind, würden die ISCC-Plus-Zertifikate von Borealis und Uponor jährlich auditiert, teilen die Unternehmen mit.

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