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Murtfeldt macht den Kunststoff zum Sensor

Technische Kunststoffe
Murtfeldt macht den Kunststoff zum Sensor

Optimale Gleiteigenschaften helfen dabei, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, betont Murtfeldt-Chef Detlev Höhner im Interview mit KEM Konstruktion. Die Kunststoff-Spezialisten haben dafür vor allem ihren bewährten Werkstoff S im Angebot, zusätzlich aber auch eine große Bandbreite weiterer technischer Werkstoffe. Zudem denken die Dortmunder darüber nach, Halbzeuge mit Intelligenz auszustatten und den Kunststoff zum Sensor zu machen – ganz im Sinne der Industrie 4.0.

Interview: Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Herr Höhner, die Industrie will in Bewegung bleiben – welche Unterstützung kann Murtfeldt bieten?

Detlev Höhner: Transport und Logistik bis hin zur Verkettung von Produktionsanlagen erfordern hochverschleißfeste Gleitkunststoffe – wir sind ein Spezialist für solche technischen Kunststoffe. Damit alles bei hohen Geschwindigkeiten in Bewegung und gleichzeitig der Energieverbrauch klein bleibt, sind gute Gleiteigenschaften gefragt, um die Antriebskräfte gering zu halten. Gleichzeitig sind weitere Merkmale gefordert, etwa hohe Festigkeiten, lange Lebensdauer und nicht zuletzt auch geringe Geräuschemissionen. Bereits seit 1959 bieten wir dafür unseren Werkstoff S auf der Basis ultrahochmolekularen Polyethylens als Gleitkunststoff an, leicht zu erkennen an der grünen Farbe. Dieser Werkstoff ist mittlerweile im gesamten Maschinenbau weltweit nicht mehr wegzudenken und kommt bei Kettenführungen und Spannelementen sowie weiteren Maschinenteilen zum Einsatz. Zudem: Für eine lange Lebensdauer und Wartungsfreiheit sind diese auch im Zuge von Industrie 4.0 von entscheidender Bedeutung im Maschinen- und Anlagenbau.

KEM Konstruktion: Wie erreichen Sie die guten Gleiteigenschaften des Werkstoffs S oder anderer Materialien?

Höhner: Wir arbeiten heute mit allen technischen Kunststoffen, sehr viel mit modifizierten Werkstoffen – um günstige Eigenschaften bezüglich Verschleiß, Lebensdauer und eben Gleiteigenschaften zu erzielen; von Haus aus bringen die Kunststoffe das nicht unbedingt mit. Dazu greifen wir nicht in den molekularen Aufbau der Kunststoffe ein – ein Polyamid bleibt bei uns ein Polyamid –, aber wir modifizieren Werkstoffe mit Schmierstoffen und Additiven. Analog lassen sich die Härte oder die Temperaturfestigkeit beeinflussen. Die Temperatur ist ja gekoppelt an die Gleitgeschwindigkeit aufgrund der entstehenden Reibungswärme. Eine höhere Temperaturstabilität ermöglicht folglich höhere Geschwindigkeiten. Darüber hinaus modifizieren wir die Kunststoffe auch für bestimmte Branchen wie die Lebensmittelindustrie oder medizinische Anwendungen.

KEM Konstruktion: Sie stellen Werkstoffe also auch selbst her?

Höhner: Ja, wir produzieren selber Halbzeuge. Allerdings gibt es auch Kunststoffe wie Polyamid oder Polyacetal, die in so großen Mengen verfügbar sind, dass eine eigene Herstellung keinen Sinn macht. Aber alles das, was wir am Markt nicht finden, produzieren wir selbst – vor allem die von uns modifizierten Werkstoffe. Wichtig aber ist: Wir verstehen uns als Anbieter von individuellen Lösungen mit individuellen Kunststoffen; entsprechend werden auch die Stückzahlen immer kleiner, weil wir eben vor allem spezielle Anwendungen im Maschinenbau bedienen. Deshalb beschäftigen wir uns auch seit zwei Jahren sehr intensiv mit dem Thema 3D-Druck.

KEM Konstruktion: Wie industrietauglich ist die additive Fertigung aus Ihrer Sicht?

Höhner: Bezüglich Qualität, Oberflächengüte und Toleranzen ist noch einige Entwicklungsarbeit zu leisten. Wir arbeiten sehr intensiv sowohl an der Entwicklung der Werkstoffe als auch der Fertigungstechnologie. Interessant wird es vor allem dann, wenn Kunden beginnen, mit bionischen Strukturen zu arbeiten oder auch Bohrungsverläufen, die sich konventionell so nicht fertigen lassen. Der eigentliche Clou dabei ist, verschiedene Funktionalitäten in einem Bauteil zu integrieren. Natürlich richten wir unseren Blick auch wieder auf druckbare Gleitkunststoffe – denn das erwartet der Markt von uns.

KEM Konstruktion: Sie hatten das Thema Industrie 4.0 angesprochen – arbeiten Sie an der vorbeugenden Instandhaltung?

Höhner: Exakt – mit intelligenten Komponenten in Kettenspannern lassen sich etwa Wartungsintervalle optimieren. Die voranschreitende Digitalisierung eröffnet uns mit beständig günstiger werdenden elektronischen Bauteilen die Chance, selbst einfache Elemente wie Kettenspanner mit mehr und mehr Intelligenz zu versehen. Absehbar ist, dass sich dieser zukünftig ‚meldet‘, wenn die Kette nachgestellt werden muss oder ein Problem auftaucht. Wir denken darüber hinaus daran, auch unsere Halbzeuge mit Intelligenz auszustatten – etwa indem der Kunststoff selbst zum Sensor wird, weil sich bestimmte elektrische Eigenschaften bei Belastung verändern.

KEM Konstruktion: Ihr F&E-Labor untersucht also auch digitale Konzepte?

Höhner: Letztlich ist auch die Überlegung, den Kunststoff zum Sensor zu machen, eine Modifikation. Das untersuchen wir in unserem Bereich Anwendungstechnik, indem wir viel experimentieren und sogar – in kleinerem Maßstab – eine Fertigung aufgebaut haben, um Gleit- und Abriebversuche durchzuführen oder die Schlagzähigkeit zu testen; also alle gängigen Prüfuntersuchungen durchzuführen. Hier verfügen wir inzwischen über viel Know-how, arbeiten gleichzeitig aber auch mit den Universitäten in Dortmund und Chemnitz zusammen sowie dem Kunststoffinstitut in Lüdenscheid. Auf diese Weise hat sich über die Jahre ein sehr gutes Netzwerk gebildet – so dass wir heute eher auf der Suche nach Problemen sind, als auf der Suche nach Lösungen.

KEM Konstruktion: Welche Werkstoffe bieten denn aus Ihrer Sicht neben dem Werkstoff S ein hohes Potenzial?

Höhner: Mit den Polyamiden ein im Grunde ‚alter‘ Werkstoff, der aber nach wie vor mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis punktet. Daneben dann auch Polyacetal (POM), ein Werkstoff, der im Maschinenbau seit Jahren etabliert ist und immer wieder auch neu modifiziert wird. Nimmt man dann noch Polyethylenterephthalat (PET) sowie Polyetheretherketon (PEEK) dazu, kann man zusammen mit unserer Werkstoff-S-Familie nahezu alle Anforderungen im Maschinen- und Anlagenbau abdecken. Die Entwicklung geht aber permanent auch weiter. Entwicklungsziele sind unter anderem Werkstoffe, die bei geringerem Gewicht eine noch größere Festigkeit aufweisen. Das verbessert die Dynamik aufgrund kleinerer Masseträgheiten und hilft dabei, den Energieverbrauch weiter zu senken. Um die höhere Festigkeit zu erreichen, bieten sich aramid- oder kohlefaserverstärkte Kunststoffe an. Daneben spielt auch die Umwelt eine Rolle – gefragt werden mehr und mehr biologisch abbaubare Produkte oder aus nachwachsenden Rohstoffen produzierte Kunststoffe sein. Nicht zuletzt arbeiten wir daran, die Lebensdauer weiter zu verlängern – insbesondere in der Medizintechnik spielt das bei Implantaten eine sehr große Rolle. Gerade angesichts der hohen Individualisierung in der Medizintechnik ist übrigens hier die Kombination mit dem 3D-Druck gefragt.

www.murtfeldt.de

Technische Kunststoffe von Murtfeldt im Überblick:

http://hier.pro/xdMmc


„Ziel ist, mit möglichst wenig Energie möglichst wartungsarm hohe Geschwindigkeiten zu ermöglichen. Auch Festigkeiten, eine lange Lebensdauer und nicht zuletzt geringe Geräuschemissionen spielen eine Rolle.“

Detlev Höhner, Geschäftsführer Murtfeldt Kunststoffe
Bild: Kathrin Menke/Murtfeldt
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