Fahrgastzellen, Flugzeug-Lüftungssysteme und verzweigte Abwasserrohre – häufig bestehen sie aus Metalleinzelteilen, die aufwendig zu komplexen Bauteil-Geometrien gekrümmt, verschweißt und gefräst werden müssen. „Um Metalle wie Titan in die gewünschte Geometrie zu formen und zu biegen, werden oft sogar spezielle Herstellungswerkzeuge eigens gefertigt“, sagt Dr.-Ing. Wolfgang Trümper vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden. Um Materialkosten zu sparen und die Fertigungszeit zu reduzieren, arbeiten die ITM-Forscher an Alternativen aus faserverstärktem Kunststoff (FVK).
Dazu haben sie im Rahmen eines Forschungsprojekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) flexible und biegebelastbare Mehrlagengestricke in Schlauchform entwickelt. Dabei handelt es sich um spezielle „textile Rohre“ aus Glas- oder Carbonfasern, die sich besonders für die FVK-typische Integralbauweise eignen, weil sie selbst mit komplexen Geometrien direkt in einem Stück gefertigt werden können. „Wir schaffen sogar Krümmungen bis zu 90 Grad und mehr, ohne in den Herstellungsprozess eingreifen zu müssen“, so Trümper. Laut dem Forscher wird dazu die finale Bauteil-Geometrie in das Steuerungsprogramm einer Strickmaschine eingegeben, die dann – sozusagen auf Knopfdruck – das Bauelement je nach Anforderung strickt. Im Anschluss wird das Gestrick mit Harz getränkt und härtet zum verwinkelten FVK-Bauteil aus.
Knoten aus einem Guss
Eine besondere Herausforderung bei der Herstellung verzweigter Faser-Komponenten stellen laut Trümper die Knotenpunkte dar, die die einzelnen Profile miteinander verbinden. Deshalb haben ITM-Forscher im Rahmen eines weiteren IGF-Projekts auch hierzu Fakten geschaffen: „Es ist uns gelungen, FVK-Knotenelementhalbzeuge mit komplexer Geometrie in Integralbauweise zu weben“, sagt der ebenfalls am ITM tätige Dr.-Ing. Gerald Hoffmann. Verwinkelte Gewebe aus Carbonfasern, die üblicherweise aus miteinander verbundenen Einzelteilen bestehen, sollen sich so in einem Guss herstellen lassen. Dazu werden 2D-Gewebe auf Webmaschinen gefertigt und im Anschluss automatisiert zu den gewünschten komplexen Knotengeometrien ausgeformt. Weil die Rohrteile der Knotenelemente in den Übergangsbereichen nahtlos verbunden sind, entfallen aufwendige Schneid-, Montage-, Kleb- oder Drapierprozesse.
„Neben der großen Geometrievielfalt lässt sich damit auch der Verschnitt reduzieren – wir rechnen mit 30 Prozent weniger Fertigungskosten“, sagt Hoffmann. Geht es nach den Dresdner Forschern, sollen von ihrer Grundlagenforschung künftig nicht nur Hersteller von Rohrleitungssystemen profitieren, sondern auch Fabrikanten von Rahmentragwerken, Anlagen- und Maschinengestellen sowie Flüssigkeits- und Belüftungssystemen. bt
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