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Materialversagen wird vorhersehbar

Polymer-Komposite: Leuchtende Mikrostrukturen machen innere Schäden sichtbar
Materialversagen wird vorhersehbar

Risse oder Schwach-stellen im Inneren eines Materialblocks können schwerwiegende Folgen haben, lassen sich allerdings von außen kaum erkennen. Wissenschaftler haben jetzt ein Konzept entwickelt, das zahlreiche ingenieurtechnische Probleme lösen könnte.

Exklusiv In KEM Prof. Dr. Rainer Adelung ist Direktor am Institut für Materialwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Materialermüdung rechtzeitig zu erkennen, ist eine technisch schwierige Aufgabe, denn Risse oder Schwachstellen im Inneren eines Materialblocks lassen sich von außen kaum wahrnehmen. Werden Materialschäden frühzeitig erkennbar, ließen sich jedoch desaströse Unfälle – etwa das ICE-Unglück in Eschede 1998, das durch einen Riss in einem Metallrad verursacht wurde, der auf Materialermüdung zurückzuführen war, verhindern. Bei homogenen Materialien erfolgt eine Werkstoffprüfung beispielsweise über die Inspektion von Mikrorissen und deren Längenverteilung. Wird diese sorgfältig durchgeführt, ist Materialversagen kontrollierbar.
Noch schwieriger ist es, Materialschäden in Kompositmaterialien festzustellen. Ein deutsches Forschungsteam hat nun beispielhaft gezeigt, dass die Stabilität von Kunststoffkompositen, denen eine bestimmte tetrapodische Form von Zinkoxid beigemischt ist, mithilfe von Lichteinstrahlung von außen bestimmt werden kann. Das neue Konzept könnte zahlreiche ingenieurtechnische Probleme lösen, da Kunststoffkomposite vom Fahrzeugbau bis zur Medizintechnik verbreitet sind und gezielt für Hochbelastungsanwendungen entwickelt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Technischen Universität München (TUM) veröffentlichten ihre Ergebnisse nun online im Fachjournal Advanced Materials.
Ungewöhnliches Lichtreflexionsverhalten
„Die Lumineszenz von mikrostrukturierten Zinkoxidtetrapoden ist eine etablierte aber äußerst interessante Eigenschaft, die sich unter mechanischer Belastung verändert. Uns wurde schnell klar, dass man damit innere Materialschäden sichtbar machen könnte“, sagt Dr. Yogendra Mishra von der Technischen Fakultät der CAU. Das Forschungsteam hatte Zinkoxidtetrapoden mit einem Silikonpolymer (Polydimethylsiloxane) vermischt und die Eigenschaften des so entstandenen Kompositmaterials untersucht. Sie fanden heraus, dass das Silikonmaterial durch die Zinkoxidkristalle nicht nur fester wird, sondern auch ein ungewöhnliches Lichtreflexionsverhalten aufweist.
Bei Bestrahlung mit UV-Licht verändert sich unter mechanischer Belastung die Intensität des fluoreszierenden Lichtes und damit seine Farbzusammensetzung. Das Fluoreszenzlicht ist beim Zinkoxid einerseits im ultravioletten, andererseits im grünen Spektralbereich angesiedelt. Und dieses Verhältnis des Fluoreszenzlichtes ändert sich mit dem Belastungszustand des Komposites. „Die Mikro-Nano-Kristalle geben eine Art optisches Warnsignal, wenn das Kompositmaterial durch Belastung zu versagen droht“, erläutert die Doktorandin Xin Jin. „Die Veränderung der Leuchteigenschaften von definierten Halbleiter-Mikrostrukturen durch mechanische Beanspruchung – wie wir es für die Zinkoxid-Tetrapoden erstmalig gezeigt haben – könnte auch für viele andere Leuchtstoffsysteme von Bedeutung sein“, ergänzt Professor Cordt Zollfrank von der TUM. „Wir erwarten weitere spannende Entwicklungen auf dem Gebiet der so genannten self-reporting materials.“
Mechanische Schädigungen durch Lichtdetektion messen
Kompositpolymere werden in zahlreichen Bereichen eingesetzt – von Zahnimplantaten über Flugzeugflügel bis zu Raumfahrzeugen. Sie bestehen aus zwei oder mehr Ausgangsmaterialien mit unterschiedlichen Eigenschaften – beispielsweise Silikon und Zinkoxid –, die im Materialverbund bessere Eigenschaften haben. Je nach Bedarf können sie besonders leicht, mechanisch robust und preiswert herstellbar designt werden. „Materialien wie die untersuchten Zinkoxidkristalle sind offenbar eine exzellente Komponente für zahlreiche spezielle Kompositmaterialien – auch in Konstruktionen, deren Versagen zu katastrophalen Unfällen führen kann“, betont Prof. Rainer Adelung, Leiter der Studie. Die Autoren hoffen, dass die demonstrierte Methode als Anregung dient, in Zukunft intelligente Komposite mit ähnlichen Eigenschaften herzustellen, bei denen mechanische Belastungen und Schädigungen von außen einfach durch Lichtdetektion messbar werden.
Die Studie wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 677 und 855 gefördert.
CAU Kiel, Tel.: 0431 880-6116, E-Mail: ra@tf.uni-kiel.de
Originalpublikation: Xin Jin, Michael Götz, Sebastian Wille, Yogendra Kumar Mishra, Rainer Adelung, Cordt Zollfrank (2012): A novel concept for self-reporting materials: Stress sensitive photoluminescence in ZnO tetrapod filled elastomers, Advanced Materials, doi: adma.201203849
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