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Polycarbonat: Bayer Materialscience entwickelt Polycarbonate zur Automobilverscheibung

Witterungsbeständiges und abriebfest
Glasklare Sache – Polycarbonate in mobilen Anwendungen

Zu Land und zu Wasser hat ein Polycarbonat den Härtetest bestanden: Sowohl im Smart Forfour oder der Mercedes-Benz A- und B-Klasse als auch in der Rennyacht „Astro 3D“ überzeugt das Material durch Transparenz, Kratzfestigkeit sowie Beständigkeit gegen UV-Strahlen und Salzwasser.


KEM-Redakteurin Denise Fröhlich erstellte den Beitrag nach Informationen der Bayer Materialscience AG, Leverkusen

Inhaltsverzeichnis
1. Aktuelle Herausforderungen
2. Polycarbonat: Antwort auf preiswertes Glas
3. Makrolon-Solarluke in Rennyacht

Der Einstieg in die Automobilverscheibung mit Polycarbonat (PC) ist geschafft. Zum Beispiel bestehen das Panoramadach des Smart Forfour, die Lamellendächer für die Mercedes-Benz A- und B-Klasse und die hinteren Dreieckscheiben mehrerer Smart-Modelle aus „Makrolon“ AG 2677, einem speziell für Autoscheiben entwickelten PC von Bayer Materialscience.

Galten lange Abriebfestigkeit und Witterungsbeständigkeit als Knackpunkte der PC-Verscheibung, sind diese Probleme heute gelöst: Innen und außen werden die Scheiben mit einer Oberflächenvergütung aus haftvermittelndem Primer und abriebfestem Decklack versehen. In diesen Aufbau sind UV-Absorber eingearbeitet, die für die Witterungsbeständigkeit des Bauteils sorgen.

In Sachen Abriebfestigkeit müssen gerade bei Heckscheiben gesetzliche Bestimmungen beachtet werden. Um die Vorgaben zu erfüllen, kann mittels spezieller Plasmatechnologie eine zusätzliche Schicht mit glasähnlicher Härte aufgebracht werden. Diese Technologie ist Teil von „Exatec 900“, einem Verscheibungssystem von Exatec, dem Joint Venture zwischen Bayer Materialscience und GE Plastics. Auf Basis von Exatec 900 sind bereits Komplettlösungen für Heckscheiben mit integriertem Defroster und Antennenmodul entwickelt worden, die sich dank Plasmabeschichtung mit allen gängigen Scheibenwischersystemen ausstatten lassen.

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Aktuelle Herausforderungen

Technisch sehr anspruchsvoll ist die Optik der Bauteile, die von jedem Fertigungsschritt beeinflusst wird. Optimale Ergebnise lassen sich nur erreichen, wenn alle Beteiligten der Prozesskette, also Rohstofflieferant, Maschinen- und Anlagenhersteller, Werkzeugbauer, Systemlieferant, OEM und Technologieanbieter eng zusammenarbeiten. Das speziell für die Verscheibung entwickelte Makrolon AG 2677 vereint Eigenschaften wie hohe Reinheit, Fließfähigkeit und Zähigkeit, und kann in den verschiedensten transparenten Farbeinstellungen eingefärbt werden. Zurzeit arbeitet Bayer Materialscience daran, Polycarbonat mit weiteren, für die Verscheibung wichtigen Eigenschaften auszustatten. Ein Beispiel ist die Integration von IR-Absorbern, die besonders bei großen transparenten Dachmodulen dafür sorgen, dass Sonnenlicht den Fahrzeuginnenraum nicht so stark aufheizt.

Polycarbonat: Antwort auf preiswertes Glas

Um sich mit dem deutlich preiswerteren Glas messen zu können, treten Trümpfe wie „Integration“ und „Styling“ auf den Plan: Per Spritzgießen oder -prägen lassen sich viele Funktionen in die Verscheibung integrieren, etwa Befestigungselemente wie Schnapphaken oder Führungen für benachbarte Bauteile und Dichtungen. Außerdem können unterschiedliche Materialien direkt angebunden werden. Dadurch sinken die Gesamtsystemkosten so weit, dass Makrolon AG 2677 mit Glas mindestens konkurrieren und mit deutlicher Gewichtsreduktion trumpfen kann. Das Material eröffnet zudem Design- und Stylingansätze, die mit Glas nicht machbar sind.
Hinsichtlich der Beschichtung, wurden die existierenden PC-Verscheibungssysteme weiterentwickelt. Mit Exatec 900vt (vehicle top) bietet Exatec speziell für Dachmodule eine Technologie an, die alle notwendigen Anforderungen erfüllt. Sie ermöglicht erhebliche Kostenreduzierungen, weil auf die Innenseite des Polycarbonat-Teils lediglich eine Plasma-Beschichtung aufgebracht wird.

Makrolon-Solarluke in Rennyacht

Nicht nur auf der Straße, sondern auch auf See spielt Makrolon mittlerweile eine Rolle: Die auf internationalen Regatten startende Rennyacht „Astro 3D“ des österreichischen Offshore-Sailing-Teams „Astrosailing“ segelt nicht nur hart am Wind, sondern auch hart an der Sonne. Ihren Strom gewinnt sie unter anderem aus einer Luke, in die ein Solarmodul eingearbeitet ist. Zur Fertigung des Moduls verwendet die in Klingenberg-Trennfurt ansässige Sunovation GmbH Makrolon-Massivplatten der Bayer Sheet Europe GmbH. „Wir setzen auf Makrolon, weil es das richtige Eigenschaftsprofil für maritime Einsätze mitbringt. Es ist sehr beständig gegen die UV-Strahlung der Sonne, gegen Salzwasser und andere Witterungseinflüsse. Im Gegensatz zu Glas splittert es wegen seiner hohen Schlagzähigkeit bei Stoßbelastung nicht, so dass die Crew nicht Gefahr läuft, sich zu verletzen. Seine hohe Transparenz stellt zudem sicher, dass die Lichtausbeute hoch ist und damit das Modul seine optimale Leistung bringt“, erläutert Axel Wielpütz von Sunovation.

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Rainer Wilhelm, Eigner der knapp 15 m langen „Astro 3D“, geht regelmäßig bei großen Hochseeregatten an den Start. Er ist von den Vorteilen der Solarluke überzeugt: „Wir schätzen sie vor allem bei Überstellungstörns, weil sie verlässlich arbeitet und sehr widerstandsfähig ist. Außerdem benötigen wir beim Segeln laufend Strom für unsere Computereinrichtung.“

Das Solarinlay für die Luke wird in Sandwichbauweise hergestellt. Ober- und Unterseite bestehen aus einer 10 bzw. 3 mm dicken Makrolon-Massivplatte. Beide Platten verbindet eine Schicht aus hochviskosem Silikon, in die neun Solarzellen eingelagert sind. Die Zellen kommen zusammen auf eine Leistung vom 14 W peak (Wp). Nach 5 h Sonnenschein können über eine Batterie 70 Wh Strom genutzt werden.

„Weiterer Vorteil der Makrolon-Platten ist, dass sie durch Kaltbiegen leicht verformt werden können. Mit ihnen sind daher auch komplizierte Modulgeometrien umsetzbar. Außerdem lassen sich durch Fräsen leicht Kanten oder Löcher zum Anbringen der Griffe für die Solarluken einarbeiten“, so Wielpütz.

Bayer Materialscience verfügt über umfangreiches Know-how und ein breites Programm an Produkten für innovative Solarmodulkonzepte. Dazu zählt „Bayflex MP“, das sich als Alternative zu Aluminium bei der Umrahmung von Modulen anbietet. Mit dem Polyurethan-Elastomer lassen sich die Material- und Investitionskosten bei der Modulfertigung und auch die Zykluszeiten senken, was eine sehr wirtschaftliche Produktion bedeutet. Ein anderes „Solarprodukt“ ist das thermoplastische Polyurethan „Desmopan“, das zur Verkapselung von Solarzellen Verwendung findet. Gegenüber Ethylen-Vinylacetat hat es den Vorteil, dass es nicht chemisch vernetzt werden muss. Zudem kann das Material kontinuierlich in einem einfachen Rollenlaminator verarbeitet werden. Dies hat kürzere und daher wirtschaftlichere Fertigungszeiten zur Folge.


Nachgefragt
KEM: Wo sehen Sie die Zukunft der Autoverscheibung mit Polycarbonat?
 
Krause: In der konsequenten Umsetzung des Modulgedankens. Ausgehend von der Polycarbonat-Scheibe könnten im Mehrkomponentenspritzguss mit unseren PC/PBT- und PC/PET-Blends „Makroblend“ in einem Werkzeug ganze Baugruppen aufgebaut werden. Denkbar ist zum Beispiel ein Heckklappenmodul, das aus einer PC-Scheibe mit angespritztem Blackout und Rahmen mit Spoiler besteht. Das Bauteil kann mehrfarbig gestaltet werden, was zusätzliche Freiheiten beim Design schafft. Erforderliche Steifigkeiten lassen sich durch entsprechende Geometrien und durch Einsatz der Kunststoff-Metall-Verbundtechnologie erzielen. Dann muss der Vergleich mit entsprechenden Lösungen aus Glas und Metall nicht gescheut werden.
 
KEM: Fürchten Sie die Konkurrenz anderer transparenter Kunststoffe?
 
Krause: Überhaupt nicht – vor allem, weil Makrolon mit seiner Transparenz, Zähigkeit und Wärmeformbeständigkeit einzigartig ist. Das material hält die beim Einbrennen der Siloxanlacke auftretenden Temperaturen aus.
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