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Dünnglas überzeugt durch extreme Widerstandsfähigkeit und Kratzfestigkeit

Glaswerkstoff eröffnet neue Märkte
Auf der Glasstec 2018: Dünnglas

So dünn wie eine Rasierklinge oder ein menschliches Haar – das ist Dünnglas. Es schützt die Touchscreens von Smartphones ebenso zuverlässig wie empfindliche Filter oder Sensoren. Obwohl hauchdünn, überzeugt es durch seine extreme Widerstandsfähigkeit und Kratzfestigkeit. Seine Flexibilität und Biegsamkeit ermöglicht zudem ganz neue Anwendungen in der Architektur, der Mobilität und anderen Branchen. Dünnglas eröffnet neue Märkte und macht Visonen zu Realitäten.

Dipl.-Ing. Claudia Siegele , frei04-publizistik, Stuttgart, i. A. der Glasstec, Messe Düsseldorf GmbH

Ebenso wie Smartphones, Tablets und eBook-Reader unsere Kommunikation und Wissensvermittlung verändert haben, brachten die kratzfesten Touch-Screens ganz neue Qualitäten in der Glasherstellung hervor und steigerten damit auch die Leistungsfähigkeit von Glas, das schon seit den ersten Hochkulturen die Entwicklungsgeschichte der Menschheit begleitet. Die hauchdünnen Schutzgläser muten indes eher wie eine Folie als eine Scheibe an und sind so biegsam und flexibel, dass sie von den Herstellern sogar auf Rollen gewickelt und ausgeliefert werden können. Inzwischen ermöglichen die speziellen Produktionsverfahren ultradünne Glasfolien, die mit 25 μm sogar dünner sind als ein menschliches Haar oder eine Rasierklinge.

Herstellungsverfahren und Definition von Dünnglas

Ausgangspunkt für die Herstellung ist geschmolzenes Glas, das über Walzen entweder im Up-Draw- oder im Down-Draw-Verfahren von unten nach oben bzw. von oben nach unten aus einer Wanne gezogen wird und so in beliebigen Dicken von 25 μm bis 10 mm als dünner Glasfilm auf einem Band auskühlt. Neben diesen beiden Verfahren, die übrigens älter als die Floatglasherstellung sind, gibt es für die Dünnglasherstellung noch weitere Spezifikationen wie z. B. das Overflow- und Micro-Floatverfahren. Welches Verfahren man immer auch wählt: Entscheidend für die Eigenschaften des Dünnglases ist die Rezeptur der Glasschmelze – sie unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller und ist ein gut behütetes Betriebsgeheimnis.

Dünngläser sind in verschiedenen Branchen für unterschiedliche Produkte gefragt und werden hinsichtlich ihrer Dicke ganz unterschiedlich eingestuft. Während im Bauwesen und in der Architektur bereits Scheiben unter 3 mm als zartes Dünnglas gelten und man für Glasdicken im Mikrometerbereich unter 1 mm kaum eine sinnvolle und praktikable Anwendung findet, zählen z. B. 2 mm dicke Scheiben in der Medientechnologie schon zu den eher dicken Exemplaren – hier ist man hingegen Abmessungen im Mikrometerbereich gewohnt und versteht Dünnglas bis zu hauchdünnen 20 μm eher als eine Folie, das man auf der Rolle angeliefert bekommt. Dünngläser für den Baubereich lassen sich demnach durchaus noch im herkömmlichen Floatverfahren herstellen, deren minimale Dicken in der Regel 1 mm messen.

Die Vorteile von Dünngläsern liegen sowohl in ihren stofflichen und konstruktiven Eigenschaften als auch in der Gewichtsersparnis z. B. in Kombination mit anderen Gläsern wie Mehrfach-Isolierglasscheiben. Durch chemisches Vorspannen lässt sich die Stabilität und Widerstandsgfähigkeit von Dünngläsern zusätzlich erhöhen, was insbesondere bei Displays und Schutzabdeckungen für Smartphones gefragt ist. Weitere Anwendungen sind Deckgläser für mikroskopische Untersuchungen und Nah-Infrarot-Filter für Smartphone-Kameras.

Dünnglas im Bauwesen und in der Architektur

Auch im Bauwesen finden sich Dünngläser als Abdeckglas für verschiedene Applikationen, bei denen Polymerlösungen an ihre Grenzen stoßen (z. B. zum Einlaminieren von Solarpaneelen). Gegenüber Kunststofffolien ist Glas weitaus hitzebeständiger, es behält seine Form, ist gasdicht und überzeugt durch seine herausragenden optischen Eigenschaften. Zunehmend etablieren sich Dünngläser als Mittelscheibe in Dreifach-Isolierverglasungen, weil sich damit die Scheibendicke als auch deren Gewicht deutlich reduzieren lässt.

Neben der Gewichtsreduktion überzeugen Dünngläser in der Architektur aber auch durch ihre Kombination aus Bruchsicherheit und hoher Flexibilität, was individuelle Anpassungen vor Ort ermöglicht. Zudem ergeben sich neue und variable Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Form und Design durch Auflaminieren von Dünngläsern mit speziell behandelter Oberfläche (z. B. Glasschleifen, Siebdruck) – allerdings sind derlei Anwendungen bislang eher Vision als alltäglich. Zukunftsgerichtet sind überdies integrierte funktionale Schichten wie z. B. OPV (Organische Photovoltaik), die Energie am Fenster ernten, oder schaltbare PDLC-Schichten (Polymer-Dispersed-Liquid-Chrystal), die einen milchig-trüben Sichtschutz ermöglichen und erst beim Anlegen einer elektrischen Spannung durchsichtig werden.

Dünnglas in Medientechnologie und Automobilbau

Dünngläser im Mikrometerbereich macht Glas besonders biegsam, und zwar gänzlich ohne Einbußen hinsichtlich Stabilität und Härte. Einer der Hersteller, der sich dank firmeneigener Down-Draw-Technologie auf die Entwicklung und Produktion von Ultradünnstglas spezialisiert hat, ist das Unternehmen Schott. Dessen Projekt AS 87 eco hat mit 25 μm das derzeit wohl weltweit dünnste Glas überhaupt hervorgebracht, das inzwischen als Massenprodukt sensible Bereiche (Fingerprint) und optische Bauteile (Kamerafilter) in Smartphones zuverlässig schützt – der Markt hierfür ist enorm. Allein die Nachfrage nach Fingerprintsensoren und speziellen Lösungen zum Schutz dieser sensiblen Komponente steigt permanent: Während 2014 noch 316 Mio. Einheiten ausgeliefert wurden, waren es 2015 schon knapp 500 Mio., und für 2020 sind stolze 1,6 Mrd. prognostiziert. Das durch eine Feuerpolitur veredelte Schutzglas überzeugt durch seine exzellente Härte auch als Smartphone-Display und ist trotzdem so dünn wie eine Rasierklinge, was die Präzision bei der Herstellung umso bemerkenswerter macht: Mit einer Dickentoleranz von nur 10 µm oder weniger verspricht es eine verlässliche Sicherheit und hohe Qualität.

Auch in der Automobilindustrie sind Dünngläser zunehmend begehrt – fürs Interieur und als frei geformte Windschutzscheibe ebenso wie fürs Cockpit. Denn auch hier hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Hier vermag das kratzfeste, äußerst widerstandsfähige ultradünne Glas in Dicken unter 250 µm seine Vorteile insbesondere bei konvexen und konkaven Geometrien bestens auszuspielen. Glas altert nicht und macht es damit zum begehrten Werkstoff zur Auskleidung von Fahrzeug-Innenräumen. Waren solche Anwendungen aufgrund der Verletzungsgefahr bei Unfällen bislang undenkbar, eröffnen die hohe Festigkeit, die nahezu unbegrenzte Formbarkeit und die optischen Eigenschaften (Touch-Screens) von Dünngläsern ganz neue Wege im Automobilbau – Glas ist hier nämlich die Alternative zu Kunststoffen schlechthin. Es hat eine viel bessere optische Qualität und Homogenität, zudem können Feuchte, UV-Strahlung und hohe Temperaturen dem chemisch wie thermisch widerstandsfähigen Material nichts anhaben.

Nicht zuletzt eröffnet flexibles Dünnglas auch neue Möglichkeiten bei Innovationen rund um Virtual, Mixed und Augmented Reality (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung). Eine Vision ist es, die Elektronik von Morgen biegsam zu machen, ohne dabei auf die hervorragenden optischen Eigenschaften, die klare Anmutung und die wertige Haptik von Glas verzichten zu müssen. bec

www.glasstec.de

Mehr Informationen zu den Ausstellern und ihren Produkten:

http://hier.pro/qkR1Y


PLUS

Weltleitmesse Glasstec

Vom 23. bis 26. Oktober 2018 findet in der Messe Düsseldorf mit der Glasstec die bewährte Weltleitmesse rund um den Werkstoff Glas statt. Der Schwerpunkt der Glasstec 2018 liegt im Flachglas auf interaktivem Glas und im Hohlglas auf der energieeffizienten und Emissionen reduzierenden Technologie für die Glasproduktion. Die wichtigste Besucherzielgruppe für die Aussteller ist die Glasindustrie, gefolgt vom Maschinenbau, der Zielgruppe Architektur und Bau sowie das Handwerk.

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