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Fraunhofer-Forscher: sicheren Umgang mit dem Werkstofffehler Dross

Sicherheit und Ressourcenschutz bei Windrädern
Fraunhofer-Forscher: sicheren Umgang mit dem Werkstofffehler Dross

Fraunhofer-Forscher: sicheren Umgang mit dem Werkstofffehler Dross
Dross in dickwandigem Gusseisen mit Kugelgraphit: Gussoberfläche nach fluoreszierender Magnetpulverprüfung Bild: Fraunhofer LBF
Auf riesigen Füßen ragen Windräder in den Himmel. Ihre massiven Bauteile muss die eisenverarbeitende Industrie stabil, ressourcenschonend und zugleich kosteneffizient produzieren, denn die Kolosse sollen viele Jahre zuverlässig Strom erzeugen. Doch Materialeinschlüsse wie Dross lassen sich beim Guss oft nicht vermeiden. Fraunhofer-Forscher arbeiten derzeit daran, solche Werkstoffungänzen zu detektieren und zu analysieren.

Britta Widmann, Redakteurin und Pressereferentin, Fraunhofer-Gesellschaft, München

Windkraftanlagen sollen umweltfreundlich, hoch effizient und kostengünstig sein – und zugleich mindestens 20 Jahre lang zuverlässig funktionieren. Doch mit zunehmend leistungsstärkeren Anlagen wachsen auch die Beanspruchungen auf die verwendeten Bauteile und damit das Risiko einer Materialermüdung. Materialfehler wie Einschlüsse von Schlacke – Dross genannt – gelten als unerwünscht, da sie die Belastbarkeit von Komponenten aus Gusseisen mit Kugelgraphit deutlich herabsetzen. Aus diesem speziellen Gusseisen bestehen z. B. Maschinenträger und Rotornaben eines Windrads. Die Schwierigkeit: Bei der Herstellung solcher Bauteile lässt sich die Drossbildung trotz gießtechnischer Tricks häufig nicht verhindern.

Gießereien gehen daher auf Nummer sicher: Sie entfernen den Dross großzügig und geben ausschließlich drossfreie Produkte zur Anwendung frei. Da sich der Fehler bevorzugt an der Gussteiloberfläche oder wenige Zentimeter unter der Gusshaut befindet, wird das Rohgussteil in aufwendiger Handarbeit abgeschliffen. „Im Gegensatz zu anderen Werkstofffehlern wie Hohlräume im Bauteil gibt es bislang kein Konzept zum sicheren Umgang mit Dross“, sagt Dr. Christoph Bleicher vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Der Wissenschaftler ist seit Anfang 2015 Konsortialführer des Projekts unverDROSSen. Dessen Ziel ist es, von der üblichen Forderung nach Drossfreiheit abzusehen – und somit auf die aufwendige Nachbearbeitung zu verzichten.

„Doch hierfür müssen wir Herstellern und Anwendern ein fundiertes Bemessungskonzept an die Hand geben, mit dem sie Dross-Grad und -Art bewerten können. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP in Saarbrücken erarbeiten wir deshalb ein experimentell abgesichertes Dross-Festigkeitsklassensystem“, so Bleicher.

Nacharbeiten gering halten

Den Fraunhofer-Experten gelang es nun, Prüfverfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe sie Dross detektieren, abbilden und charakterisieren können: Sie nutzen die mechanisierte Ultraschallprüfung, um die Verteilung dreidimensional abzubilden und zu vermessen. Mit magnetischen und elektromagnetischen Methoden prüfen sie zudem bearbeitete Bauteiloberflächen. Hierbei scannen sie nicht nur – wie sonst üblich – die Gießunterseite ab, sondern auch die drossbehaftete Oberseite. „Mit unserer zerstörungsfreien Prüftechnik haben wir jeweils 500 mm x 500 mm x 200 mm große Quader vermessen. Wir stellten fest, dass die Dross-Verteilung in den Prüflingen extrem unterschiedlich ist. Der Werkstofffehler breitet sich teils sehr großflächig an der Oberfläche aus und reicht von nur wenigen Millimetern bis hin zu einer Tiefe von mehreren Zentimetern“, berichtet Fabian Weber vom Fraunhofer IZFP. „Eine Regelmäßigkeit lässt sich nicht ableiten.“ Das heißt, dass auch in Zukunft jedes Bauteil einzeln untersucht werden muss. Mit den wertvollen Informationen der zerstörungsfreien IZFP-Prüftechnologien kann der Hersteller jedoch erforderliche Nacharbeiten gering halten.

Festigkeit klassifizieren

Im zweiten Projektschritt werden die Daten des IZFP für Betriebsfestigkeitsbewertungen genutzt. Hierzu entnehmen die Forscher des LBF aus den angelieferten Prüflingen positionsgenau jeweils 150 mm x 35 mm große Schwingproben. „Auf Basis von statischen und zyklischen Prüfmethoden ermitteln wir Festigkeitskennwerte für die unterschiedlichen Erscheinungsformen. Hierzu spannen wir die Probe in einen unserer Prüfstände ein, ziehen diese auseinander und drücken sie wieder zusammen. Insgesamt jeweils bis zu zehn Millionen Mal. Solche Versuche laufen rund zehn Tage lang“, erläutert Bleicher. Insgesamt sind während der dreijährigen Projektlaufzeit rund 500 Schwingfestigkeitsversuche vorgesehen.

Bis Ende 2017 wollen die Forscher herausfinden, ob und inwieweit drossbehaftete Proben bei Belastung schwächer werden und bei Maximallast womöglich versagen. Bekannt ist, dass Dross zu Rissbildungen führt, was die zyklische Beanspruchbarkeit des Bauteils stark reduziert. „Dennoch reichen solche Gusseisen-Bauteile für andere Anwendungen völlig aus“, sagt Bleicher. „Künftig bieten wir ein Konzept zum sicheren Umgang mit dem Werkstofffehler in der Bauteilauslegung, -herstellung und -freigabe von Großgusskomponenten aus Gusseisen mit Kugelgraphit. Und zwar nicht nur für Windenergieanlagen, sondern für den gesamten Anlagen- und Maschinenbau“, ist sich der Wissenschaftler sicher. bec

Mehr Informationen zur betriebsfesten Bewertung von Gusswerkstoffen und -bauteilen:

http://hier.pro/WfPEx


„Wir erarbeiten ein experimentell abgesichertes Dross-Festigkeitsklassensystem.“

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