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Schraubprozesse gemäß VDI/VDE 2862 bei Krone

Schraubprozesse gemäß VDI/VDE 2862
Krone erstellt mit Unterstützung von Atlas Copco eine interne Richtlinie

Die Krone-Nutzfahrzeug-Gruppe erarbeitet derzeit mit Unterstützung von Atlas Copco Tools eine interne Unternehmensrichtlinie für die Ausführung von Schraubverbindungen. Ziel des abteilungsübergreifenden Standardisierungsprojekts ist es, alle Schraubprozesse optimal und richtlinienkonform abzusichern und auf diese Weise die Gefahr von Reklamationen und Rückrufaktionen zu minimieren.

Stephanie Banse, Journalistin in Hamburg, für Atlas Copco Tools

Dutzende von Schrauben sind an einem Lkw-Auflieger zu finden – in zahllosen Abmessungen und mit unterschiedlichen Konsequenzen, sollte einer dieser Schraubfälle im Betrieb versagen. Bei vielen kann ein Ausfall „auf der Straße“ lebensgefährlich sein. In der Produktion des Sattelaufliegerherstellers Krone in Werlte im Emsland werden pro Woche bis zu 750 Trailer montiert – und Tausende von Schrauben angezogen. Um hierbei die größtmögliche Sicherheit für den Kunden, aber auch für das Unternehmen zu gewährleisten, erstellt Krone zurzeit mit Unterstützung von Atlas Copco Tools eine interne Richtlinie für den Umgang mit Schraubprozessen. „Mit dieser Qualitätsoffensive erarbeiten wir uns zum einen ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber unseren Wettbewerbern“, erklärt Projektleiter Helmut Jansen. „Außerdem wollen wir die VDI-Richtlinie 2862, die die Mindestanforderungen zum Einsatz von Schraubsystemen und -werkzeugen definiert, optimal umsetzen und damit unsere Schraubprozesse so absichern, dass die Gefahr von Rückrufaktionen oder Regressanforderungen gegen Null geht.“

Gemäß VDI/VDE 2862 werden Schraubverbindungen auf Basis einer zuvor durchgeführten Risikobewertung in die Kategorien A, B und C unterteilt. Die Kategorie bestimmt die Mindestanforderungen an die Erkennung von Fehlverschraubungen und legt damit die wesentlichen Features des Schraubwerkzeugs oder Schraubsystems sowie des Schraubprozesses fest. Die Kategorie A umfasst die sogenannten sicherheitskritischen Verschraubungen, bei deren Versagen Gefahr für Leib und Leben besteht. Unter Kategorie B fallen funktionskritische Anwendungen, bei denen das Versagen der Schraubstelle den ordnungsgemäßen Gebrauch des Geräts einschränkt oder verhindert. Anwendungen der Kategorie C werden als unkritisch bezeichnet und führen im schlimmsten Fall zur Verärgerung des Kunden.

Atlas Copco Tools als externer Berater mit im Boot

„Die wesentlichen sicherheitskritischen Schraubfälle waren selbstverständlich bereits vor der Entwicklung unseres neuen Schraubstandards mit gesteuerter Schraubtechnik ausgestattet“, betont Jansen. „Das gilt beispielsweise für alle Rad- und Achsverschraubungen.“ Er fährt fort: „Mit dem Projekt wollen wir unter anderem eine standardisierte Vorgehensweise für die Klassifizierung von Schraubfällen gemäß VDI/VDE 2862 im Unternehmen etablieren, um die Prozessabsicherung weiter zu verbessern. Dabei war es uns wichtig, externe Expertise mit ins Boot zu holen.“

Atlas Copco Tools ist bereits ein langjähriger Partner der Krone-Gruppe – als Werkzeuglieferant ebenso wie als Dienstleister für Reparaturen und Instandhaltungen, Schraubfallanalysen und Prozessberatung. „Anfangs haben wir überwiegend Impulsschraubtechnik geliefert, dann auch gesteuerte Schraubsysteme für die kritischen Verschraubungen an Rädern und Achsen“, erinnert sich Lutz Tünnermann, Consultant für Schraubtechnik und Prozessoptimierung bei Atlas Copco Tools. Er leitet das Standardisierungsprojekt. „Der Plan, eine interne Richtlinie für Schraubprozesse innerhalb der Krone-Nutzfahrzeug-Gruppe zu erstellen, ist 2016 entstanden, als wir das Unternehmen bei der Verbesserung eines konkreten Schraubfalls unterstützt haben. Dabei sind die Themen ‚Richtlinien‘, ‚VDI/VDE 2862‘ und ‚Absicherung der Produktion‘ zur Sprache gekommen, und wir haben unsere Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit diesen Themen angeboten.“ Dabei könne Atlas Copco nicht nur sein langjähriges Wissen als Hersteller von Schraubtechnologie und Montagelösungen für die unterschiedlichsten Branchen ins Projekt einbringen, sondern auch seine Erfahrungen als Mitglied verschiedener Richtliniengremien.

Kernteam bündelt Erfahrung aus allen relevanten Abteilungen

Mit dem Projektstart im September 2016 wurde zunächst ein zehnköpfiges Kernteam gebildet. Dort sind – neben Helmut Jansen und Lutz Tünnermann – Krone-Mitarbeiter aller Abteilungen vertreten, für die der neue Standard relevant ist. Darüber hinaus beteiligen sich Mitarbeiter aus weiteren Unternehmen der Krone-Nutzfahrzeug-Sparte an der Teamarbeit. „Als Pilotprojekt erstellen wir derzeit die interne Richtlinie für das Werk Werlte, mit dem Ziel, das Erarbeitete anschließend auch in den anderen Werken der Krone-Gruppe umzusetzen“, erläutert Tünnermann. „Aus Werlte sind Konstruktion, Entwicklung, Arbeitsvorbereitung, Montage, Instandhaltung und Qualitätssicherung im Kernteam mit dabei, außerdem Trenkamp & Gehle in Dinklage sowie die Werke Herzlake und Lübtheen der Brüggen GmbH, die ebenfalls zu Krone-Gruppe gehört.“

Der Teamgedanke zwischen den einzelnen Abteilungen sei ein wichtiger Aspekt bei dem Standardisierungsprojekt, ergänzt Jansen, denn bei der Planung und Umsetzung einer Schraubverbindung leisteten alle ihren Beitrag: „Die Konstruktion macht die Vorgaben, die Arbeitsvorbereitung oder die Montageplanung beschafft die richtigen Werkzeuge, die Montage muss mit diesen Werkzeugen nach den Vorgaben der Konstruktion montieren und den Prozess überwachen. Die Instandhaltung ist für die Parametrierung, Prüfung und Genauigkeit der Werkzeuge zuständig, und die Qualitätssicherung muss die Prüf- und Kontrollparameter zur Absicherung der Schraubprozesse festlegen und freigeben.“ Diese Kette darzustellen und für die einzelnen Abteilungen Zuständigkeiten und Aufgaben zu definieren, sei Teil des Projekts.“

In fünf Schritten zum Schraubstandard

Den Weg zum Schraubstandard haben die Berater von Atlas Copco Tools in fünf Module gegliedert. Modul 1 umfasst im Wesentlichen die Bildung des Kernteams, die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses für Schraubtechnik sowie einen Klassifizierungs-Workshop. Daran schließen sich nahtlos die Aufnahme des Ist-Standes mit darauffolgender Gap-Analyse (Modul 2) an („Gap“, engl. = Lücke). „Bei der Ist-Aufnahme sind wir durch alle Abteilungen gegangen, die an der Entstehung von Schraubverbindungen beteiligt sind, und haben uns dort die richtlinienrelevanten Prozesse angeschaut“, erläutert Projektleiter Tünnermann die Vorgehensweise. „Auf diesen Informationen basiert unsere anschließende Gap-Analyse, also die Bewertung der Differenz zwischen Soll- und Ist-Stand. Dafür haben wir einen Soll-Stand definiert, der aus der Interpretation der Richtlinien hervorgeht; haben dann das Risiko der einzelnen Schraubverbindungen beurteilt und Maßnahmen vorgeschlagen. Zusätzlich wurde ein Status bezüglich der Dringlichkeit vergeben.“

Im Klassifizierungsworkshop hatte das Kernteam zuvor die wesentlichen Schraubfälle im Unternehmen gemäß VDI/VDE 2862 eingestuft. „Wir haben dafür eine Struktur entwickelt, mit der wir die Schraubfälle einer Risikoklasse zuordnen können“, erläutert Tünnermann. „Beispielsweise haben wir die ‚klassischen Schraubfälle‘ definiert. Zu dieser Gruppe gehört alles, was mit Rädern, Bremsen oder Lenkung zu tun hat und deshalb auf jeden Fall eine Risiko-Schraubverbindung ist.“ Hierfür setzt Krone gesteuerte, dokumentationsfähige Werkzeuge ein, die eine direkte Drehmomentmessung über einen Messwertgeber ermöglichen und darüber hinaus den Schraubprozess über eine zweite Größe, in der Regel den Drehwinkel, kontrollieren.

Nicht so eindeutig sei die Einstufung für die Bereiche Ladungssicherung und Sicherheitseinrichtungen, wie beispielsweise den Unterfahrschutz, gewesen. Aus Sicht des Kernteams, so Tünnermann, sind auch das sicherheitsrelevante Verbindungen, auf denen ein erhöhter Fokus liegen sollte. „Die entwickelte Struktur haben wir nach und nach auf alle bekannten Schraubfälle im Unternehmen angewendet“, fasst Lutz Tünnermann zusammen. „Außerdem geben wir Krone mit dieser Leitlinie ein Werkzeug an die Hand, mit dem in Zukunft neue Schraubfälle selbstständig klassifiziert werden können.“

Interne Richtlinie für die Erstellung von
Schraubverbindungen

Nach Abschluss von Modul 1 sowie der Ist- und Gap-Analyse aus Modul 2 fiel der Startschuss für die Erstellung der internen Richtlinie. Vor Beginn der damit verbundenen Arbeiten durchlief das Kernteam aber noch eine Qualifizierung. „Wir haben die Mitglieder des Kernteams zunächst mit gezielten Schulungsmaßnahmen auf ein gemeinsames Niveau gebracht, bevor wir in die Module 3 und 4 und damit in die eigentliche Richtlinienerstellung eingestiegen sind“, erläutert Tünnermann den Ablauf. „Basierend auf unserer Gap-Analyse haben wir dann von der Konstruktion bis in die Montage und Qualitätssicherung die Prozesse, die die einzelnen Abteilungen zur Erstellung einer Schraubverbindung durchführen müssen, Audit-sicher beschrieben. Jeder Fachbereich findet in der Richtlinie sein eigenes Kapitel mit den für ihn relevanten Themen.“

Anfang April 2017, ein halbes Jahr nach dem Beginn des Projektes, wurde der Entwurf der Richtlinie der Geschäftsführung vorgelegt. Darüber hinaus hat Atlas Copco Tools eine Abschätzung über erforderliche Kapazitäten und Kosten geliefert, die die Richtlinienumsetzung mit sich bringt. „Wir haben dargestellt, welche Prozesse jetzt erforderlich sind oder neu eingeführt werden müssen, welche personellen Kapazitäten Krone dafür braucht, und welche zusätzliche Messausrüstung oder eventuell auch Schraubausrüstung erforderlich ist, um die Richtlinie umsetzen zu können“, erklärt Tünnermann. „Anschließend werden wir mit Modul 5 starten – der Umsetzung der Richtlinie innerhalb des Unternehmens. Schwerpunkte werden hier gegebenenfalls erforderliche Anpassungen der Schraubtechnik sein sowie Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, um die Inhalte der Richtlinie und ihre Umsetzung in der täglichen Praxis zu vermitteln.“

Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter
und Lieferanten

Geplant sind spezielle Schulungen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter, die Vermittlung von Grundkenntnissen zu Schraubverbindungen sowie die Qualifizierung der verantwortlichen Mitarbeiter aus den Abteilungen Instandhaltung, Produktion und Qualitätssicherung bezüglich Parametrierung, Gegenmessung, PFU und anderer Prozesse, die in der Schraubmontage von Bedeutung sind. Damit erfüllt Krone zugleich auch die Anforderungen der künftigen VDI/VDE 2637 Blatt 1. Außerdem wird es Einführungsschulungen zum Leitfaden geben, an denen Mitarbeiter aller beteiligten Abteilungen – Entwicklung und Konstruktion, Planung, Produktion und Qualität – teilnehmen werden. In einem weiteren Workshop werden die wesentlichen Lieferanten systemkritischer Bauteile unterrichtet. „Dort werden wir den Zulieferern die Inhalte des neuen Schraubstandards darlegen und erklären, wie sie künftig richtlinienkonform ihre Produkte anliefern können“, erklärt Tünnermann. „Denn das, was wir zusammen mit Atlas Copco für die Krone-Gruppe definiert haben, sollen unsere Lieferanten langfristig auch in ihren eigenen Unternehmen umsetzen“, ergänzt Helmut Jansen. „Hier bei Krone werden wir die in der Richtlinie beschriebenen Abläufe auch in unsere Konzernnorm aufnehmen“, resümiert er. „Die Richtlinie ist dann wie eine interne Werksnorm zu sehen und bekommt dadurch natürlich auch eine hohe Verbindlichkeit für alle Abteilungen unseres Unternehmens. Denn wir wollen ja keinen Papiertiger erschaffen, sondern etwas, das gelebt und umgesetzt wird.“

Schon heute legt Krone übrigens alle neu benötigten Betriebsmittel und Prüfprozesse richtlinienkonform aus und bestellt sie entsprechend bei Atlas Copco Tools – man wartet also nicht, bis der Leitfaden komplett implementiert wurde! bt

www.atlascopco.de

Hier können Sie das White Paper zur VDI/VDE-Richtlinie 2862 Blatt 2 bei Atlas Copco anfordern

Atlas Copco Tools folgt bei der Entwicklung einer internen Unternehmensrichtlinie für die Ausführung von Schraubverbindungen einem standardisierten Prozess mit fünf Modulen
Bild: Atlas Copco Tools

„Sicherheitskritische Verschraubungen mit gesteuerter Schraubtechnik montiert“

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