Der Zeitraum beziehungsweise die Betriebsdauer, in dem ein Wälzlager die geforderte Funktion erfüllt, bevor es zu ersten Anzeichen von Materialermüdung an den Wälzlagerkomponenten kommt, wird als Lebensdauer bezeichnet. Das einfachste Verfahren zu ihrer Bestimmung ist die nominelle Lebensdauerberechung nach ISO281. Sie beschreibt die mit 90% Zuverlässigkeit erreichbare, rechnerische Lebensdauer für Wälzlager, die nach Stand der Technik gefertigt wurden und unter üblichen Betriebsbedingungen laufen. In die Berechnung gehen die dynamische Tragzahl C, die äquivalente dynamische Lagerbelastung P sowie der Lebensdauerexponent p ein. Sollen bei der Berechnung der Lagerlebensdauer noch weitere Einflüsse wie Werkstoffqualität, Lagerschmierung und Sauberkeit berücksichtigt werden, können die Ergebnisse mit der erweiterten Lebensdauer präzisiert werden. Beiden Berechnungen ist jedoch gemeinsam, dass Einflüsse wie die Lastverteilung innerhalb des Lagers sowie Lagerspiel und -verkippung nicht in das Rechenmodell einfließen.
Berechnung der Lebensdauer nach ISO/TS16281
Neben den händisch lösbaren Ansätzen dieser „Katalogmethoden“ wird in der ISO/TS16281 ein Verfahren beschrieben, mit dem sich die Lastverteilung sowohl innerhalb eines Lagers als auch entlang eines Wälzkörpers bestimmen lässt. Mit der sich so ergebenden nominellen Referenz-Lagerlebensdauer L10rh können Aspekte wie Lagerspiel oder Verkippung von Innen- zu Außenring berücksichtigt werden. Zwar werden bei diesem Verfahren nach wie vor Tragzahlen und Lasten ins Verhältnis gesetzt, die Bestimmung der Last am Einzelkontakt ist allerdings das Ergebnis einer numerischen Lösungssuche, bei der Lagerverkippung und -einsenkung, Wellendurchbiegung, Gehäuseverformung und äußere Belastung in Einklang gebracht werden. Die Berechnung und die dazu benötigte Datengrundlage sind deutlich komplexer als bei den herkömmlichen Methoden. Durch die Berücksichtigung der realen Betriebsbedingungen sind die Rechenergebnisse jedoch sehr viel detaillierter.
Das Vorspannen angestellter Kegelrollenlager – also das Reduzieren des Lagerspiels – erhöht die Steifigkeit des Gesamtsystems und ermöglicht ein genaues Führen der Wellen. Sowohl die Wärmeentstehung im Lager als auch dessen rechnerische Lebensdauer hängen maßgeblich vom Spiel in der Lagerung ab, das sich unter Betriebsbedingungen einstellt. Bedingt durch Faktoren wie thermische Längenänderung oder elastische Verformung unterscheidet sich das bei der Montage eingestellte Spiel vom Betriebsspiel während der Anwendung. Der Zusammenhang zwischen Montage- und Betriebsspiel kann umso besser beschrieben werden, je genauer man die einzelnen Einflussfaktoren kennt. Mit der Gesamtsystembetrachtung, die die Berechnung der nominellen Referenz-Lebensdauer L10rh mit sich bringt, kann das Lagerspiel bei der Berechnung der Lagerlebensdauer berücksichtigt werden. Das bildet die Grundlage für ein individuelles bzw. anwendungsspezifisches Einstellen der Lagervorspannung, was letztendlich die Optimierung der Lagerlebensdauer ermöglicht. Die maximale Lebensdauer wird bei leichter Vorspannung im Betrieb erreicht (geringes negatives Betriebsspiel). Die Lebensdauerkurve ist für jedes Lager und jede Drehrichtung unterschiedlich. In Bezug auf die Lagerlebensdauer ergibt sich der optimale Montagespielwert als höchster Punkt der limitierenden Lebensdauerkurven aller Lager einer Welle.
Ein Blick in die Praxis
Für einen Blick in die Praxis kann ein Kegelstirnradgetriebe herangezogen werden. Die durch die Kegelradverzahnung hervorgerufenen radialen und axialen Kräfte werden üblicherweise von Kegelrollenlagern an der Tellerradwelle aufgenommen. Durch eine zu hohe Vorspannung der Wälzlager kommt es zu unnötig hohen Lastverlusten sowie dadurch bedingten Wärmequellen, die sich negativ auf die Lebensdauer auswirken. Mit der Berechnung der Lagerlebensdauer nach ISO/TS16281 kann nun lastabhängig der Montagespielwert und damit das Betriebsspiel optimal in Bezug auf die Lagerlebensdauer eingestellt werden. Die so berechnete Lagervorspannung wird bei SEW-Eurodrive an den jeweiligen Montagauftrag übergeben, sodass für jeden Antrieb das optimale Montagespiel eingestellt wird. Im Anwendungsfall verringern sich durch das dann passende Betriebsspiel die lokalen Temperatur-„Hotspots“, wodurch eine homogenere Temperaturverteilung im Getriebe erreicht wird. Neben einer längeren Lagerlebensdauer sinkt die Ölbadtemperatur und die Ölstandzeit erhöht sich. Mit der Reduzierung der Lagervorspannung sowie der Berechnung nach ISO/TS16281 erhöht sich die rechnerische Lagerlebensdauer im Schnitt auf das 2,5-fache. Daraus ergibt sich ein verlängertes Wartungsintervall für den Antrieb, was in einer höheren Standzeit resultiert.
Stirn- und Kegelstirnradgetriebe der Generation X.e
Die Industriegetriebe der Generation X.e von SEW-Eurodrive sowie deren entsprechende Berechnungslandschaft ermöglichen das lastabhängige Berechnen und Einstellen des optimalen Montagespielwerts. Neben der damit erreichbaren Steigerung der Lagerlebensdauer wurden auch thermische und akustische Aspekte des Getriebes überarbeitet. Das neue Lüfter- und Lüfterhaubenkonzept sowie ein reduzierter Ölstand erlauben die Anpassung der Getriebe an den Einsatzfall. Weitere bauteilseitige Optimierungen umfassen ein verbessertes Kegelritzelgehäuse, berührungslose Dichtungssysteme und eine neue Verzahnungstopologie. Die Kombination der umgesetzten Einzelmaßnahmen und die Berechnung durch vernetzte Softwaretools versetzten den Anwender in die Lage, ein exakt passendes Getriebe zu projektieren. Das Ergebnis ist größtmögliche Effizienz sowie mehr Sicherheit und Langlebigkeit, auch bei schwierigen Einsatzbedingungen. (jg)
Mehr Informationen zum Kegelstirnradgetriebe der Generation X.e von SEW-Eurodrive:
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