Inhaltsverzeichnis
1. Ansprüche an hybride Wälzlager
2. Neues Lagerlebensdauermodell für hybride Wälzlager
Hybridlager mit keramischen (Siliziumnitrid-)Wälzkörpern und Stahlringen sind seit mehr als 50 Jahren bewährt und werden bevorzugt bei schnelllaufenden Präzisionsanwendungen eingesetzt. Die Komponenten verfügen über geringe Massenkräfte, hohen elektrischen Widerstand und gute Laufleistung unter schwierigen Schmier- und Verschmutzungsbedingungen. Deshalb finden sie bis heute immer wieder in neuen Einsätzen Verwendung – von Antriebssträngen in elektrischen Fahrzeugen bis zu Industriepumpen und -kompressoren.
Ansprüche an hybride Wälzlager
Auch wenn Hybridlager dabei hervorragend funktionieren und häufig um ein Vielfaches länger halten als Versionen aus Stahl, führten Lebensdauerprognosen bisher meist zu einem gegenteiligen Resultat. Nach Ansicht von Guillermo Morales-Espejel, Principal Scientist bei SKF Research and Technology Development, liegt das daran, dass die gängigen Standardmodelle zur Lebenszeitberechnung die Eigenschaften von Lagern nicht exakt genug abbilden: „Das herkömmliche Lagerlebensdauermodell basiert auf Ermüdungen unter der Oberfläche. Während der Drehbewegung werden die einzelnen Komponenten eines Lagers dauerhaft be- und entlastet. Im Verlauf von Millionen Zyklen ermüdet das Material allmählich, was irgendwann zu einem Ausfall führt.“
„Wir wissen aus der Praxis, dass die Mehrheit der Ausfälle auf Probleme an der Oberfläche zurückzuführen ist.“
Dieses Ermüdungsverhalten ist gut erforscht. Deshalb können Ingenieure anhand der voraussichtlichen Belastungen und Drehzahlen einer Anwendung die nominale Lebensdauer einer bestimmten Lagerausführung ermitteln. Die dynamische Tragzahl C, die für jedes Lager im SKF- oder im Online-Produktkatalog zu finden ist, beziffert die langfristigen Tiefenermüdung der Komponente. „Dieses Modell ist weit verbreitet und in international gültige Normen integriert, es wird der Leistungsfähigkeit von Hybridlagern aber nicht gerecht. Keramikwälzkörper sind steifer als solche aus Stahl und verformen sich bei Belastung weniger. Hier konzentriert sich die Belastung auf einer kleineren Fläche des Materials, was zu einer höheren Beanspruchung und einer schnelleren Tiefenermüdung führt“, erklärt Morales-Espejel. Die Erfahrung zeige allerdings, dass Lager nur selten deswegen ausfallen. „Wir wissen aus der Praxis, dass die Mehrheit der Ausfälle auf Probleme an der Oberfläche zurückzuführen ist“, so der SKF-Experte. Die Ausfälle würden gewöhnlich auf Mangelschmierung oder Verunreinigungen basieren. Analysen und Normen wie ISO 281 tragen diesem Umstand mit der Einführung von Korrekturfaktoren zwar Rechnung, dies half in tiefenermüdungsbasierten Modellen jedoch nicht, das tatsächliche Verhalten von Lagern im Einsatz genau abzubilden. Deshalb begannen Morales-Espejel und seine Kollegen 2012 damit, nach einer exakteren Lösung zu suchen.
Neues Lagerlebensdauermodell für hybride Wälzlager
Die Erstellung eines neuen Lagerlebensdauermodells hat laut SKF-Experten drei Dinge voraus gesetzt: erstens ein Modell für Tiefenermüdung innerhalb des Materials, zweitens ein Modell für Versagen an der Oberfläche und drittens Daten aus Dauerprüfungen, die zur Kalibrierung und Validierung des Modells verwendbar sind.
Welche Vorteile das neue Modell nun Ingenieuren und Konstrukteuren konkret bringt, erklärt Morales-Espejel wie folgt: „Wir wussten ja bereits, dass Hybridlager unter vielen Bedingungen ihre Vorteile haben. Wenn ein Lager unter hoher Belastung läuft, aber in einer sauberen, gut geschmierten Umgebung eingesetzt wird, ist Tiefenermüdung wahrscheinlich der Ausfallgrund. Dann ist ein Stahllager unter Umständen die bessere Wahl. Viele Lager arbeiten jedoch unter leichteren Belastungen, allerdings häufig mit schlechter Schmierung oder in verunreinigten Umgebungen. Unser Modell zeigt, ob eine Hybridlösung in einem solchen Setting eine längere Lebensdauer bietet, und kann dies quantifizieren.“
Morales-Espejel und seine Kollegen haben Berechnungen für eine Reihe von repräsentativen realen Anwendungen angestellt. Dabei zeigte sich: Im Fall eines Pumpenlagers, das mit Ölbadschmierung betrieben wird und dessen Schmierung sich aufgrund verdünnten Öls verschlechtert, liegt die Lebensdauer eines Hybridlagers beispielsweise achtmal höher als die eines vergleichbaren Stahllagers. Bei einem Schraubenverdichterlager mit verunreinigtem Schmierstoff bietet ein Hybridlager im Vergleich sogar eine hundertmal längere Lebensdauer.
„Es geht nicht darum, alle Stahllager durch Hybridausführungen zu ersetzen, sondern genau dann, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist.“
Das Generalized Bearing Life Model (GBLM) von SKF trifft Aussagen zur Lebensdauer von Hybridlagern und ist inzwischen fester Bestandteil des Kundensupport-Toolkits.
Fortschritte in der Fertigungstechnologie haben zu einer höheren Verfügbarkeit von Hybridlagern geführt und die Kostendifferenz zwischen Hybrid- und Stahllagern verringert. Gleichzeitig wächst die Zahl der Anwendungen sehr schnell, bei denen Hybridlager ihre bekannten Vorteile ausspielen können. „In der Industrie zeichnet sich ein deutlicher Trend hin zu Schmierstoffen mit niedrigerer Viskosität und zu minimaler Schmierung ab“, sagt Morales-Espejel. Dass die Unternehmen zudem versuchten, Energie einzusparen, sowie die Einführung strengerer Umweltauflagen, würde diesen Trend weiter verstärken. In Anwendungen, die von Schienenfahrzeugen und Automotoren bis hin zu Industriepumpen reichen, würden unter den genannten Bedingungen nur Hybridlager die benötigte Kombination von niedrigem Energieverbrauch und hoher Zuverlässigkeit bieten. Ein weiterer wichtiger Wachstumsbereich sei E-Mobilität. Elektrische Antriebsstränge für Pkw, Lkw und Züge erforderten Lager, die bei minimaler Schmierung hohen Drehzahlen, Beschleunigungen und Temperaturen standhalten können. Diese müssten außerdem Streuströmen widerstehen, die Schmierfilme wegbrennen und Laufflächen beschädigen können. Hybridlager seien aufgrund ihrer sehr guten elektrischen Isolationseigenschaften die ideale Lösung für solche Anwendungen.
„Das Interesse an Hybridlagertechnologie ist so groß, dass unsere GBLM-Berechnungsprogramme von unseren Ingenieuren und Kunden im Durchschnitt 260 Mal pro Tag eingesetzt werden”, freut sich Morales-Espejel. Er betont, dass Hybridlager im Vergleich zu herkömmlichen Ausführungen nicht immer die bessere Wahl seien, aber genau das sei der Grund, warum das neue Modellierungskonzept so wichtig ist: „Es geht nicht darum, alle Stahllager durch Hybridausführungen zu ersetzen, sondern genau dann, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist.“ (sc)
Weitere Informationen zur Bestimmung der Lagerlebensdauer:
hier.pro/52SVE
Kontakt:
SKF GmbH
Gunnar-Wester-Str. 12
97421 Schweinfurt
Tel.: +49 9721 56–0
Mail: skfweb@skf.com
Website: www.skf.com/de