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In 90 Tagen über den Atlantik

Salzwasserbeaufschlagung von Wälzlagern in Rudersitz-Rollen rund um die Uhr
In 90 Tagen über den Atlantik

Mit einem Hightech-Ruderboot über den Atlantik rudern: Die Bedingungen dieses Projektes der Extremsportlerin Janice Jakait aus Neulußheim waren für die Wälzlager in den Rollen des Rudersitzes die härtesten, die man sich vorstellen kann. Salzwasserbeaufschlagung rund um die Uhr, monatelanger Einsatz, gleichzeitig Dauerbetrieb und -belastung.

Die Autoren: Veit Loeffler, Geschäftsführer, und Michael Neuhaus, technischer Leiter der LFD-Gruppe, Dortmund

Am 21.2.2012, am frühen Nachmittag Ortszeit, setzte Jakait im Hafen von St. Charles, Barbados, zum ersten Mal nach exakt 90 Tagen ihren Fuß wieder auf festen Boden. Sie ist damit die erste Deutsche, die allein in einem Ruderboot den Atlantik überquert hat. Die Extremsportlerin war unter dem Motto „Row for Silence“ am 23.11.2011 in Portugal aufgebrochen, um mit der Meeresschutzorganisation Oceancare auf das Problem des Unterwasserlärms in den Weltmeeren aufmerksam zu machen. Ihr Rudersitz war mit Wälzlagern von LFD bestückt.
Interessant sind für Ingenieure eigentlich die Meldungen aus realen Anwendungen. Labortests sollen die spätere Anwendung simulieren und die Ergebnisse vorwegnehmen. Die Bedingungen dieses Projektes (www. rowforsilence.com), mit einem Hightech-Ruderboot über den Atlantik zu rudern, waren für die Wälzlager in den Rollen des Rudersitzes die härtesten, die man sich vorstellen kann.
Die Rollen mit Wälzlagern von LFD wurden natürlich auch vorab in einem aufwendigen Test eines renommierten Instituts und im direkten Vergleich mit den Topmarken simuliert. LFD hat diesen Test mit Bravour und knappem Vorsprung gemeistert. Dennoch haben sich alle Beteiligten gefragt, was denn nun wirklich unter den extremen Bedingungen passiert. Was passiert bei häufigem Durchkentern, bei hohen Wellen mit wuchtigen Bewegungen, extremer Salzwasserbelastung und auch mit den extremen Bedingungen des Rudersitzes, der ja nicht nur das Rollen bei gleichmäßigem Ruderschlag bewältigen muss, sondern auch die Belastung durch ein mehrfaches Aufspringen mit dem eigenen Körpergewicht, weil der teilweise außerordentliche Wellengang zu Turbulenzen auch auf dem Boot selbst führt?
Rudersitz rollt perfekt unter härtesten Bedingungen
Die realen Bedingungen sind nun nachweislich erprobt. Eine Meldung von Jakait auf halber Strecke über eine Satellitenverbindung lautete: „Habe mehr als die Hälfte der Strecke hinter mir und lasse den Rudersitz anders als geplant 24 h draußen. Patschnass, durchgehend. Alles an Deck rostet. Und die Rollen, die Wälzlager? Ihr könnt Euch entspannen, alles super! Ich rolle immer noch mit dem ersten Satz und sehe keinen Grund, den zu tauschen. Wenn es also weiter so läuft, komme ich mit einem Satz durch und der sieht dann noch wie neu aus.“
Die Sportlerin hatte die Wälzlager vor Antritt der Reise mit dem in einem Klimatest geprüften Fett unter realen Bedingungen getestet. Dabei hatte sie festgestellt, dass ihre Ruderwirkung stark beeinträchtigt war. So stand LFD vor einem anderen Problem: Es musste ein adäquates Fett gefunden werden, dass die gleichen Eigenschaften aufweist, wie das im Test benutzte, jedoch mit einer deutlichen Leichtgängigkeit. Der Herstller löste das Problem. Nach einem Wechsel auf ein geeignetes, leichtgängigeres Fett wurden dann schließlich die Rollen mit den Rillenkugellagern bestückt und am Rudersitz montiert.
Die letzte Meldung von Jakait nach Abschluss der gesamten, unglaublichen Leistung: „Es gab absolut keine Probleme. Rudersitz war sogar 24 h am Tag draußen und rollt wie am Anfang – perfekt.“
Man mache sich bewusst, dass die Ausstattung des Rudersitzes nicht nur die Leistung der Topsportlerin extrem beeinflusst, sondern auch existenziell lebenswichtig ist. Jakait war die ganze Zeit auf dem Atlantik komplett auf sich allein gestellt und darauf angewiesen, dass der Rudervorgang leichtgängig möglich ist. Es bestand zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Wartung auf dem Atlantik durch LFD. Hubschrauber hätten das Boot nicht erreichen, also auch keine Ersatzlager abwerfen können. Helikopter verfügen über keine ausreichende Reichweite. In bedrohlichen Momenten muss also allein durch die Ruderleistung eine lebensrettende Ausweichmöglichkeit gegenüber Hindernissen bestehen und das Reiseziel muss erreicht werden. Ankommen ist entscheidend. Wie gut die Zusammenarbeit und Betreuung gelaufen ist und wie leichtgängig die Ruderleistung durch die optimale Ausstattung gelang, zeigt sich insbesondere daran, dass Jakait bereits nach 90 Tagen ihr Ziel erreichte und somit eine höhere Ruderleistung absolvieren konnte als geplant.
Aufgabenstellung und Prüflage aus Sicht der Ingenieure
Der auf acht Rollen gelagerte Rudersitz ist der feuchten Meeresluft ausgesetzt und kann beim „Durchkentern“ komplett vom Meereswasser umspült werden. Vor diesem Hintergrund mussten die Rollen mit Rillenkugellagern bestückt werden, die für mindestens 120 Tage (maximale Überfahrtzeit) fehlerfrei drehen. Der Korrosionsangriff auf die Werkstoffe durch das Meerwasser war dabei das Hauptproblem.
Als meerwasserbeständige Werk- stoffe sind rostfreie Stähle mit PREN-Werten > 32 eingestuft. Diese Werkstoffe aus der Gruppe der rostfreien austenitischen Stähle werden allerdings wegen der geringen Härte nicht für Wälzlager eingesetzt. Zum Vergleich: Statt ca. 22 HRC bei austenitisch rostfreien Stählen erreichen martensitisch rostfreie Wälzlagerstähle bis zu 63 HRC und können somit bei gleicher „Leistung“ kleiner gebaut werden. Im Klartext: ein martensitisch rostfreies Lager 608 (in den Rollen verwendet) müsste auf ein austenitisch rostfreies Lager 6305 vergrößert werden. Dies ist auch wegen der deutlichen Gewichtsunterschiede (12 zu 232 g pro Lager mal 16 Lager) nicht zu vertreten. Daher wurde der Weg der martensitisch rostfreien Stähle weiterverfolgt. Vor allem, weil auch für Keramikwerkstoffe von dem kontaktierten Hersteller keine Funktionssicherheit garantiert wurde. Aus demselben Grund der Gewichtseinsparung wurde das Bord schlussendlich aus Karbon hergestellt, was sich später bei der realen Reise hervorragend bewährt hat.
Da keine einschlägigen/sicheren Erfahrungen unter Atlantikmeerwasserkonditionen vorlagen, wurde in einem vierwöchigen Klimatest das Funktions-/Korrosionsverhalten geprüft. Bei diesem Test wurden Lager der Marktführer, dazu einer Wälzlagermanufaktur und von LFD getestet. Alle Fabrikate wurden sowohl offen als auch mit Schmierstoff gefüllt in der Klimakammer geprüft. Der Schmierstoff Klüber Staburags NBU12K wurde mit der besonderen Resistenz gegen Salzwasser ausgewählt und bei allen drei Fabrikaten wegen der Vergleichbarkeit verwendet.
Als Ergebnis war eindeutig zu sehen, dass nur die durch Schmierstoff geschützten Bereiche nicht korrodieren. Ungeschützte Oberflächen rosten extrem schnell. Hier ist die Kombination verschiedener Salze und das im Versuch gezielt wechselhafte Intervall-Besprühen und Abtrocknen ursächlich. Die Abdichtung der Lager kann nur so lange funktionieren, wie die Korrosion im Bereich der Dichtlippe die Oberflächen nicht zerstört hat und Meerwasser ungeschützt eindringt. Die besten Ergebnisse zeigten dabei die LFD-Wälzlager mit Dichtung und Klüber Staburags NBU12K.
Spezielle Distanzhülsen verhindern Verspannen der Lager
Der Rollenaufbau sieht die Verwendung von zwei Rillenkugellagern vor. Um ein Verspannen beider Lager beim Anziehen der Montageschrauben zu verhindern wurden spezielle Distanzhülsen hergestellt. An den Rollen wurden die Abstände zwischen beiden Außenringen vermessen und entsprechend wurde das Maß für die Distanzhülse der Innenringe festgelegt. So muss beim Anziehen der Montage- schrauben nicht auf eine ausreichende Leichtgängigkeit der Rollen geachtet werden. Eine Längsnut in den Distanzhülsen erleichtert die Demontage der in die Rolle eingepressten Lager.
Das im Klimatest erfolgreich geprüfte Fett weist eine hohe Haftfähigkeit auf. Allerdings führt dies zu einem nicht gewünschten Leistungsverlust (erschwertes Drehverhalten). Nach einem Wechsel auf ein „leichtgängigeres“ Fett wurden dann schließlich die Rollen mit den Rillenkugellagern bestückt.
LFD, Tel.: 0231 97725-0, E-Mail: info@lfd.eu
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