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Klebgerechtes Konstruieren leicht gemacht

Strukturelles Kleben
Klebgerechtes Konstruieren leicht gemacht

Klebgerechtes Konstruieren leicht gemacht
1. Reihe links: Vergrößerung der Klebefläche 1. Reihe rechts ; Nut-Feder-Verbindung: Wichtiges Hilfsmittel gegen Schälkräfte 2. Reihe: Wird eine Schweißverbindung durch Kleben ersetzt, sollte die Konstruktion angepasst werden 3 Reihe: Umbiegen ist eine Konstruktionsalternative zu Nut-Feder-Verbindungen 4. Reihe: Statt Stoß auf Stoß sollte auch bei Rohrkonstruktionen die Fläche vergrößert werden. Bilder: Delo
Strukturelles Kleben besitzt zahlreiche Vorteile. Um sie voll nutzen zu können, sollte das Kleben so früh wie möglich in der Konstruktionsphase berücksichtigt werden. Erfolgt eine optimierte Konstruktion der Fügeteile, lassen sich die Leistungsfähigkeit der Verbindung erhöhen, Kosten vermeiden und Produktionsprozesse beschleunigen.

Der Autor: Wolfgang Werner, Ingenieur im Trainingsmanagement, Delo

Neue Materialien und Konstruktionsweisen erfordern oft den Einsatz der Klebtechnik. Das ist bei Faserverbundwerkstoffen wie CFK ganz besonders der Fall, schließlich kommt man dort mit Schweißen, Schrauben und Nieten nicht zu hoch belastbaren Verbindungen und mit umformtechnischen Verfahren oder dem Ultraschallschweißen nur selten. Aber auch für Multi-Materialbauweisen, die verschiedene hochfeste Metalle wie Stahl-, Aluminium- oder Magnesiumlegierungen miteinander oder mit Kunststoffen verbinden, wird Kleben wichtiger.
Dabei gibt es einen klassischen Fehler, der immer wieder auftaucht: Ein Bauteil, das geschraubt oder geschweißt wurde, soll nun geklebt werden, ohne dass seine Geometrie dafür angepasst wird. Dadurch können Probleme bei der Klebstoffdosierung, dem Fügen der Bauteile und insbesondere der Festigkeit der Verbindung auftreten. Dass solche Fehler auftreten, ist an sich nicht verwunderlich. Denn Klebstoff-Know-How müssen sich Ingenieure weiterhin in der Praxis aneignen. Trotz des Klebe-Booms fristet es im Curriculum des Ingenieurstudiums weiterhin ein Schattendasein.
Die richtige Verbindung macht‘s
Einige Beispiele mit klassischen geometrischen Formen wie Quader und Zylinder sollen das Grundprinzip klebgerechten Konstruierens verdeutlichen. Das unterscheidet sich von den punktuellen bzw. linienförmigen Verbindungstechniken Schrauben und Schweißen unter anderem darin, dass seine Kraft in der Fläche wirkt.
Der Klebe-GAU schlechthin ist daher eine kleine Klebfläche auf einem dünnen Blech, das Stoß auf Stoß verklebt ist. Die wichtigste Lektion lautet deshalb, die Fläche zu vergrößern. Das kann der Konstrukteur am einfachsten mit einer Überlappung der Fügeteile erreichen. Mit diesem einfachen Kniff hat er die Festigkeit deutlich erhöht, gleichzeitig profitiert er davon, dass keine mechanische Bearbeitung der Fügeteile erfolgen muss und die bestehenden Formen weiterverwendet werden können. Durch diesen einfachen Prozess steht die Konstruktion auf der Kostenseite gut da.
Ob sie aber schon der Weisheit letzter Schluss ist oder lediglich das Prädikat „ausreichend“ erhält, hängt von den Kräften in der konkreten Anwendung ab. Prinzipiell ist hier eine exzentrische Krafteinleitung zu befürchten. Dabei wirkt die Kraft nicht in einer Achse, sondern dreht sich, um ins Gleichgewicht zu kommen. In diesem Fall droht eine Schälbeanspruchung, für eine Klebeverbindung äußerst ungünstig.
Als gutes Hilfsmittel des Konstrukteurs dagegen hat sich die Nut-Feder-Verbindung erwiesen, die in ihren Grundzügen der im Holzbau schon lange bekannten Schwalbenschwanzkonstruktion ähnelt. Denn außer einer größeren Klebefläche sorgt diese Konstruktion auch dafür, dass sich die beiden Fügeteile verkannten und mechanisch blockieren. Dadurch können sie nicht so leicht ver- und aufgebogen werden.
Die ungünstige Konstruktion im Bild (mitte) ist typisch für eine Konstruktion, die ursprünglich für das Schweißen ausgelegt wurde und nun geklebt werden soll. Während sie ordentliche Werte auf Zug und besonders auf Druck erreicht, sorgt schon eine leichte Schälbelastung für eine Destabilisierung. Dem lässt sich einfach entgegen wirken, etwa mit einem breiteren Zylinderfuß. Eine vergleichbare Wirkung erzielt ein Bohrloch in der Platte, wodurch eine runde Nut-Feder-Konstruktion entsteht.
Auch wenn das Zauberwort für strukturelle Verklebungen Nut-Feder zu heißen scheint, gibt es noch andere Konstruktionsmöglichkeiten. Die wäre zwar ebenfalls möglich, aber besonders bei dünnen Blechen nicht praktikabel. Die Festigkeit des Verbundes kann jedoch erhöht werden, indem die Bleche umgebogen und zusammengelegt werden. Die ist zweifellos etwas aufwendiger, kann sich aber für höhere Festigkeiten lohnen.
Wie der Zylinderschnitt im Bild unten zeigt, lässt die Festigkeit einer Rohrkonstruktion zu wünschen übrig, wenn die beiden Teile an ihren jeweiligen Enden miteinander verklebt werden.
Ein zusätzlicher, innen oder außen platzierter Ring wirkt dagegen große Wunder. Er vergrößert nicht nur die Klebeflächen massiv, er sorgt auch für mehr Wiederstand gegen Schälbelastungen. Alternativ lassen sich die zwei Bauteile auch überlappend miteinander verkleben, indem eines im Durchmesser angepasst wird. Falls die Konstruktion Flüssigkeiten transportiert, ist das kein Problem, denn an der Verbindungsstelle profitiert sie von den dichtenden Eigenschaften des Klebstoffs.
Schließlich sollte der Konstrukteur bei seiner Arbeit auch einen korrekt dimensionierten Klebespalt nicht vergessen. Der sorgt für eine konstante Klebstoffdicke von zum Beispiel 0,1 – 0,2 mm, wodurch der Klebstoff seine Adhäsionskräfte voll entfalten kann. Ist er zu klein, pressen die Fügeteile den Klebstoff aus dem Klebspalt. Die Folge: die Klebverbindung hält nicht. Gewährleistet werden kann der richtige Klebespalt über eine definierte Auflagefläche, etwa mit am Bauteil integrierten Abstandshaltern oder – der aufmerksame Leser ahnt es – einer geeigneten Nut-Feder-Geometrie.
Fazit
Beachtet der Ingenieur bei seiner Konstruktion einige zentrale Dinge wie ausreichend große Klebeflächen sowie eine gleichmäßige Spannungsverteilung und vermeidet weiterhin Schäl- und Biegekräfte, kann er von den Vorteilen dieser leistungsfähigen Fügetechnik voll profitieren.
Vorteile des Klebens:
  • Verbindung verschiedener Werkstoffe möglich
  • Gleichmäßige Spannungsverteilung
  • Keine Schwächung der Fügeteile, z.B. durch Bohrungen
  • Hoher Widerstand gegenüber dynamischen Kräften
  • Flächige Verbindung dünner Bauteile
  • Keine oder nur geringe Temperaturbelastung der Fügeteile
  • Gleichzeitiges Kleben und Dichten möglich
  • Ausgleich von Toleranzen durch die Klebschicht
  • Elektrisch oder wärmeleitende Klebstoffe verfügbar
8 Regeln für den Konstrukteur
  • Ausreichend große Klebflächen und Klebespalt vorsehen
  • Gleichmäßige Spannungsverteilung erzielen
  • Möglichst nur Druck-, Zug- und Scherbeanspruchung
  • Keine Schälung und Biegebeanspruchung
  • Exzentrische Krafteinleitung vermeiden
  • Plastische Fügeteilverformung vermeiden
  • Klebegerechte Oberflächenbeschaffenheit gewährleisten
  • Aushärtebedingungen des Klebstoffes beachten
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