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B&R-Deutschland-Chef Sandhöfner erläutert Supertrak

Intelligentes Transportsystem
B&R-Deutschland-Chef Sandhöfner erläutert Supertrak

Linearmotorgetriebene Fördersysteme wie Supertrak von B&R bieten angesichts der zunehmenden Individualisierung der Produkte bis hin zur Losgröße 1 zahlreiche Vorteile. Über den Lebenszyklus von Produktionsanlagen hinweg bieten sie die geforderte Flexibilität – auch wenn zu Beginn einer Entwicklung noch gar nicht bekannt ist, welche Anforderungen in einigen Jahren zu erfüllen sind. Im Interview mit KEM Konstruktion erläutert B&R-Deutschland-Chef Markus Sandhöfner, welche Vorteile Supertrak von B&R nicht nur den Maschinen- und Anlagenbauern, sondern letztlich auch den Anwendern bietet.

 

Interview: Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Bevor wir auf technische Details des B&R-Transportsystems Supertrak zu sprechen kommen – vor welchem Hintergrund spielt die Antriebslösung aus Ihrer Sicht eine wichtige Rolle?
Sandhöfner: Starten wir doch mit unserer persönlichen Sichtweise als Verbraucher – was wir gerne wollen, sind auf uns persönlich zugeschnittene Produkte. Heute ist es beispielsweise schon möglich, dass Laufschuhe entsprechend meiner individuellen Fußabmessungen gefertigt werden. Damit handelt es sich um Unikate; mit anderen Worten: Losgröße 1. Für diese Individualisierung gibt es zahlreiche weitere Beispiele und die entscheidende Frage für den Hersteller ist, wie er die Fertigung bei dieser extremen Varianz einerseits überhaupt umsetzen und andererseits wirtschaftlich gestalten kann. Ganz generell sehen wir, dass in der Industrie die Losgrößen dramatisch kleiner werden. Maschinen, die früher für die Serienproduktion konzipiert wurden, müssen heute rasche Format- und sogar Produktwechsel ermöglichen – bis dahin, dass in einem Fertigungsverbund verschiedene Produkte parallel gefertigt werden. Die Schwierigkeit dabei ist: Durch Produkte mit einer etwas längeren Bearbeitungszeit darf kein Stau entstehen. Das bedeutet, dass eine starre Verkettung von Nachteil ist, da diese sich ja nach der längsten Zykluszeit eines Prozesses innerhalb der Anlage richten muss. Lösen lässt sich das über Materialpuffer zwischen den Anlagenteilen, was den Platzbedarf und die Investition in die Anlagentechnik erhöht. Besser ist es deshalb, den Materialfluss generell flexibler zu gestalten – so dass der Anwender damit auf verschiedene Prozesse beziehungsweise Zykluszeiten reagieren kann. Genau diese Flexibilität bietet unser intelligentes Transportsystem Supertrak.
KEM Konstruktion: Das System erlaubt also die Umsetzung eines sehr flexiblen Materialflusses. Geht das nicht zu Lasten des Engineering-Aufwands?
Sandhöfner: Nein, denn an dieser Stelle ist das Transportsystem eingebettet in das B&R-Angebot, das heißt modular aufgebaut. Die einzelnen Komponenten lassen sich dabei nicht nur entsprechend den Anforderungen flexibel zusammensetzen, sondern der erforderliche Programmieraufwand bleibt ebenfalls minimal. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sich jede ‚Achse‘ einzeln und unabhängig von anderen von Punkt A nach Punkt B fahren lässt – die Verkettung ist also sehr einfach umzusetzen, weil Supertrak in unsere Automatisierungssoftware Automation Studio nahtlos integriert ist und sich auf diese Weise Bewegungen des Transportsystems mit den Bearbeitungsprozessen synchronisieren lassen. Das gilt insbesondere auch für die Robotik. All das erlaubt im Zuge der Anlagenentwicklung eine schnelle Umsetzung und damit auch zügige Auslieferung. Zusätzlich können wir aber auch einen weiteren Kundenwunsch erfüllen: Angesichts der Lebensdauer einer Anlage ist häufig zu Beginn des Engineerings noch gar nicht klar, welche Anforderungen in einigen Jahren zu erfüllen sind. Anpassungen im Verlaufe des Lebenszyklus einer Produktionsanlage müssen sich also angesichts des eingangs erwähnten hohen Individualisierungsgrades auch später noch schnell umsetzen lassen – im Idealfall durch eine selbstständig ablaufende Parametrierung. Nur auf diese Weise haben die Warenhersteller und Nutzer der Anlagen die Möglichkeit, schnell Produkttrends folgen zu können.
KEM Konstruktion: Einer der Vorteile ist dabei, dass sich einzelne Werkstückträger – also Achsen – unabhängig voneinander steuern lassen…
Sandhöfner: …weil dadurch die Möglichkeit gegeben ist, mit weniger Achsen innerhalb einer Maschine auszukommen. In einer starren Verkettung muss ich deutlich mehr ‚Transportachsen‘ vorhalten, um eine vergleichbare Flexibilität zu erreichen. Supertrak kommt also mit weniger Achsen aus und damit bleibt natürlich auch der Platzbedarf gering – angesichts des gewünschten hohen Raumausnutzungsgrades ein entscheidender Vorteil. Verstehen lässt sich das auch, wenn man sich vor Augen hält, dass Transportsystem und Bearbeitungsprozesse miteinander verschmelzen können. Stellen wir uns etwa vor, dass eine Kleberaupe zu Dichtungszwecken aufgetragen werden soll: Dann kann ich über die Supertrak-Achse den Vorschub realisieren – und damit die Transportachse in den Prozess integrieren. Entscheidend ist hier die Fähigkeit, jede Achse einzeln steuern zu können, so dass sich die jeweiligen Bewegungen einfach synchronisieren lassen. Weniger Achsen bedeutet darüber hinaus, dass Kosten und Programmieraufwand sinken.
KEM Konstruktion: Lässt sich auf diese Weise auch der Verzicht auf zusätzliche Materialpuffer erklären?
Sandhöfner: Da sich jede Achse einzeln steuern lässt, kann ich die Geschwindigkeiten flexibel anpassen, um Staus zu vermeiden. Ich kann zudem einfach den Abstand zwischen zwei Achsen verringern und bei Bedarf sogar weitere Achsen zuführen – all das führt zu einer sehr hohen Flexibilität, die ich mit einer starren Verkettung nie erreichen könnte. Das ist nicht zuletzt auch angesichts der bereits angesprochenen langen Nutzungsdauer solcher Anlagen der entscheidende Pluspunkt: Der Maschinenpark, den ich heute einsetze, wird ja auch zu großen Teilen noch die Produkte fertigen müssen, die ich erst in ein paar Jahren entwickle – Flexibilität kann also gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Genau deswegen wird dies ja seitens der Nutzer von den Maschinen- und Anlagenbauern gefordert.
KEM Konstruktion: Speziell der Programmierer profitiert dann vermutlich auch von der B&R-Mapp-Technology?
Sandhöfner: Exakt – denn diese Technologie ist Teil unseres Automatisierungssystems und bietet vordefinierte und vor allem getestete und im Betrieb gehärtete Bausteine, so dass ich sehr schnell die einzelnen Bewegungen umsetzen kann, ohne in die wildeste Mathematik einsteigen zu müssen. Ein sehr schönes Beispiel für das, was möglich ist, haben wir anlässlich der SPS IPC Drives 2016 gezeigt: In den Transportschlitten war eine Sinuskurve gefräst, und durch diese Öffnung führte ein Roboter einen Laserstrahl – und zwar synchron zur Bewegung des Schlittens auf einer umlaufenden Bahn (Bem. der Red.: siehe dazu Kasten Tipp). Ein weiteres Beispiel für die Leistungsfähigkeit unseres Systemangebotes ist die leichte Nutzung von Regelungsalgorithmen, mit denen sich während der Bewegung ein Schwappen von Flüssigkeiten verhindern lässt. Das gelingt, in dem Beschleunigungs- und Bremsvorgänge entsprechend ‚feinfühlig‘ erfolgen, so dass sich die Flüssigkeit nicht aufschaukelt. Für den Maschinenbauer und letztlich den Kunden bedeutet dies: die Produktivität der Anlage lässt sich weiter steigern.
KEM Konstruktion: Können Sie uns einen Anhaltspunkt geben bezüglich der Kosten der Nutzung von Supertrak?
Sandhöfner: Ziehen Sie über den Lebenszyklus hinweg Bilanz – unter Berücksichtigung der Aufwände an Programmierzeit sowie Platzbedarf, wie oben geschildert – sind Anlagen mit starrer Verkettung über die Jahre sehr viel teurer als solche, die von vornherein eine hohe Flexibilität bieten. Das gilt insbesondere angesichts der sich abzeichnenden immer geringeren Losgrößen und der steigenden Produktvarianz. Anpassungen müssen eben jederzeit möglich sein, ohne dass komplett neu konstruiert und entwickelt werden muss.
KEM Konstruktion: Lassen Sie uns noch einige technische Details betrachten – welche Traglasten sind möglich?
Sandhöfner: Supertrak kann Massen bis zu 10 Kilogramm handhaben und eignet sich damit für eine Vielzahl von Aufgaben, von der Verpackung bis hin zum Transport schwererer Metallteile. Wichtig für die Präzision bei der Synchronisation mit Bearbeitungsaufgaben ist auch die hohe Genauigkeit der Bewegungsführung im Bereich von bis zu 10 Mikrometern. Zudem bieten wir die Möglichkeit, die Halterung der Shuttles individuell anzupassen, was die Anwendungsvielfalt weiter erhöht – zumal die Länge des Transportwegs getestet bis weit über 50 Meter betragen kann. Interessant dabei ist, dass wir sehr viele Shuttles mit einem Controller betreiben können. Das schaffen wir mittels einer dezentralen Regelung und Ansteuerung der einzelnen Shuttles untereinander. Durch Nutzung dezentraler Intelligenz ist es möglich, mehr als 100 Shuttles über ein einziges Powerlink-Netzwerk mit einem unserer Controller zu handhaben – was letztlich wieder den Engineering-Aufwand senkt. Nur wenn sich das ganze System einfach programmieren und parametrieren lässt, kann ich die Flexibilität auch nutzen.
KEM Konstruktion: Abschließend noch die Frage nach den Service-Aspekten – was passiert, wenn eine Achse ausfällt?
Sandhöfner: Ich kann innerhalb von Sekunden ein Shuttle von der Transportstrecke nehmen und mit einem Ersatz-Shuttle den Betrieb sicherstellen. Auch an der Fahrstrecke selbst lassen sich einzelne Segmente schnell ersetzen – um die geforderte hohe Verfügbarkeit sicherstellen zu können. An dieser Stelle macht sich natürlich die langjährige Erfahrung unserers kanadischen Partners ATS Automation bezahlt, mit dem zusammen wir Supertrak auch zukünftig weiterentwickeln.

Supertrak im Video

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TIPP

Anlässlich der SPS IPC Drives 2016 besuchten wir B&R und konnten die Synchronisation von Transportbewegung und Roboter am Beispiel der Sinuskurve in Augenschein nehmen (siehe Video ab Laufzeit 1:08):
http://hier.pro/VBnx6
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