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Predictive Maintenance unter Aspekten künstlicher Intelligenz (KI), Teil 2

Predictive Maintenance
Predictive Maintenance nutzt KI-Algorithmen

Die Bedeutung vorausschauender Wartung steigt. Gegenüber herkömmlicher präventiver Wartung bietet sie klare Vorteile. Und mittlerweile arbeiten Unternehmen bereits an der nächsten Stufe: an Prescriptive Maintenance. Welchen Stellenwert KI-Technologien dabei einnehmen, um über-geordnete, datenbasierte Zusammenhänge in Maschinen und Anlagen zu erkennen, zeigen aktuelle Entwicklungen, die neue Services und Geschäfte ermöglichen.

Nico Schröder, Korrespondent KEM Konstruktion, Augsburg

Inhaltsverzeichnis

1. Zwei Strategien der Marktentwicklung
2. Ziel: Wartungsmaßnahmen frühzeitig einleiten
3. Künstliche Intelligenz erkennt Zusammenhänge
4. Predictive Maintenance und Kosten-Nutzen-Balance

 

Der Maschinen- und Anlagenbau strebt per se ausgereifte Komponenten und Systeme an. Schließlich setzt sich am Markt durch, was bereits hohe Qualität bietet und Ausfallsicherheit verspricht. Welche Bedeutung hat also vorausschauende Wartung – Predictive Maintenance – und welche Produktentwicklungen dominieren, um noch mehr Ausfallsicherheit zu erreichen?

„Der Nutzen, den eine prädiktive Wartung liefert, variiert stark und hängt enorm vom Anwendungsfall ab“, sagt Dr. Tim Wirtz, stellvertretender Leiter der Abteilung Knowledge Discovery am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in Sankt Augustin. Dem gegenüber stünden oft hohe Entwicklungs- und Wartungskosten zu Predictive Maintenance sowie hohe Erwartungen der Kunden. Hinzu käme, dass beinahe jeder Anbieter die klassische Wartung als Teil des eigenen Geschäftsmodells anbietet. Wirtz meint: „Die prädiktive Wartung befindet sich in einem Spannungsfeld, das ihren Erfolg und ihre Akzeptanz auf dem Markt individuell beeinflusst“.

Zwei Strategien der Marktentwicklung

Demnach fordert dieses Spannungsfeld aktuell zwei Strategien der Marktentwicklung: Zum einen die evolutionäre Entwicklung beziehungsweise die Integration von Lösungen zum Condition Monitoring, die den Weg für eine iterative Entwicklung hin zur prädiktiven Wartung ebnen. Zum anderen eine Entwicklung, die Wirtz für „sehr viel fruchtbarer“ hält: nämlich eine radikale Weiterentwicklung oder Ablösung der bestehenden Geschäftsmodelle – etwa zu As-a-Service- oder Pay-as-you-use-Modellen. „Diese Geschäftsmodelle verlagern in erster Linie das Risiko vom Kunden zum Anlagenbauer“, sagt Wirtz. Kunden müssten zum Beispiel keine Ersatzteile mehr einlagern und würden weniger in die Wartungskompetenzen des eigenen Personals investieren müssen. Gleichzeitig minimiere sich das Gesamtrisiko durch situations- und serviceorientierte Geschäftsmodelle, was die Lösungen auch für die Anlagenbauer selbst attraktiv mache und ihnen beziehungsweise einem kooperierenden Partner genügend Spielraum für ein profitables Geschäftsmodell bieten könne.

Wirtz empfiehlt unterschiedliche Ansätze: „So empfiehlt es sich für Anbieter mit kleinen, aber fokussiertem Produktportfolio – etwa einem mittelständischen Pumpenhersteller – eher in den Aufbau von neuen Geschäftsmodellen zu investieren, wohingegen Anbieter von individuellen, komplexen Lösungen – etwa Papiermaschinen – eher in den iterativen Ausbau von Condition-Monitoring-Lösungen investieren sollten.“

Ziel: Wartungsmaßnahmen frühzeitig einleiten

Die vorausschauende Wartung basiert unter anderem auf dem aktuellen Zustand und dem Verschleißtrend der Komponenten. Dafür müssen diese mit einem Zustandsüberwachungssystem ausgerüstet sein. Einen Service, der beispielsweise Echtzeitinformationen zu Parametern und Ereignissen angeschlossener Frequenzumrichter liefert, bietet ABB mit seinem Condition Monitoring: Für die Fernüberwachung von Niederspannungsmotoren, Stehlagern und Kreiselpumpen sind spezifische smarte Sensoren verfügbar, die eine vorausschauende Wartung dieser Komponenten ermöglichen. Das Angebot zur Zustandsüberwachung des Antriebsstrangs besteht aus Umrichter, Motor, Lager und zum Beispiel einer Pumpe. Mögliche Probleme einzelner Komponenten des Antriebsstrangs sollen frühzeitig erkannt werden, um schließlich notwendige Wartungsmaßnahmen einleiten zu können. „Generell lässt sich sagen, dass die Bedeutung von vorausschauender Wartung steigt, denn gegenüber herkömmlicher präventiver Wartung hat sie klare Vorteile. So sind standardmäßige Wartungsverfahren im Vergleich dazu teuer, weil sie die Produktion und Verfügbarkeit beeinträchtigen können, während die Zustandsüberwachung die Stillstandszeiten reduzieren oder sogar vermeiden kann“, erklärt Michael Herbort, Head of Service Sales Drives bei ABB Automation Products.

Mit Predictive Maintenance könne die Instandhaltungs- und Stillstandsplanung im Maschinen- und Anlagenbau optimiert werden, so Herbort: Bei wenig Verschleiß würden die Intervalle länger; es könnten damit Kosten gespart und geplante Stillstandszeiten verkürzt werden. Bei höherem Verschleiß könnten vor allem ungeplante Stillstände reduziert werden. Die für die Instandhaltung zuständigen Mitarbeiter bekämen damit Kennzahlen und Empfehlungen an die Hand, um Verfügbarkeitsrisiken besser einschätzen zu können.

Aber nicht jeder Verschleiß könne vorhergesagt werden: „Inspektionen vor Ort wird es, wenn auch vermindert und besser unterstützt, weiterhin geben, um eine Vorhersage zu untermauern. Die Frage wird sein, wie diese Informationen in die Bewertung integriert werden“, erklärt Herbort. Mit den Lösungen zum Condition Monitoring soll Anwendern die Möglichkeit geboten werden, manuelle Inspektionen und Wartungen in die Analysen einfließen zu lassen.

Künstliche Intelligenz erkennt Zusammenhänge

„Da immer mehr Daten zur Verfügung stehen, können mithilfe von künstlicher Intelligenz schon heute übergeordnete Zusammenhänge erkannt werden. Im Rahmen des Cloud Computing und maschinellen Lernens werden etwa die Leistung und der Zustand von ABB-Antrieben kontinuierlich analysiert und dadurch selbst kleinste Anomalien in den Antrieben oder den Prozessen erkannt“, so Herbort. Ein weiteres Beispiel seien die Digital Twins. ABB hat von allen Komponenten ihrer Antriebslösungen digitale, standardisierte Abbilder und liefert den Kunden mit dem Produkt gleichzeitig einen digitalen Zwilling, der die Daten aller Geräte des selben Typs beinhaltet. Gibt es bei dem Gerät, das beim Kunden steht, eine Änderung, die vom eigentlich zu erwartenden Verhalten abweicht, wird ein Alarm ausgelöst. Zur aktuellen Entwicklung vorausscheuender Wartung gibt Herbort folgenden Ausblick: „Mittlerweile arbeiten wir bereits an der nächsten Stufe des Predictive Maintenance, nämlich Prescriptive Maintenance. Die Kunden erhalten dabei Informationen dazu, was sie tun müssen, um einen Ausfall zu verhindern, wie sie einen Defekt verzögern können oder wo sie bei der Reparatur ansetzen müssen, um den Ausfall zu beheben.“

Auch bei Siemens arbeiten erste Lösungen zu Predictive Maintenance mit KI-Algorithmen, die Unregelmäßigkeiten gegenüber einem antizipierten Normalzustand erkennen. Den Erfolgsfaktor hierfür sieht Heinz Eisenbeiss, Marketingleiter Industrial Automation Systems bei Siemens , darin, dass das Expertenwissen der Anlagenbediener direkt in das Modelltraining einfließen kann: „Die Entscheidungen werden so nachvollziehbar und bewertbar. Dies ist wichtig, da oftmals das Vertrauen in die Entscheidungen eines Algorithmus die Basis dafür ist, dass KI-gestütztes Predictive Maintenance den Sprung vom Versuchslabor in die Fabrik schafft“, erklärt Eisenbeiss.

Damit die Rechenmodelle beziehungsweise KI-Algorithmen zuverlässige Ergebnisse liefern, bedarf es laut Eisenbeiss einer qualitativen und aussagekräftigen Datenbasis, die sowohl Gut- als auch Schlechtdaten enthält: „Bisherige Projekte zeigen, dass die Erhebung einer ausreichend großen Datenmenge mit hohem Aufwand verbunden ist. Die Lösung: Es gibt erste Ideen, Daten synthetisch zu generieren, das heißt man nutzt ein vorhandenes Simulationsmodell einer Maschine – Stichwort digitaler Zwilling – und produziert durch gezielte Stimulation des Modells Datensätze, die zum Modelltraining verwendet werden können.“

Predictive Maintenance und Kosten-Nutzen-Balance

Gerade die neuen Geschäftsmodelle im Bereich der prädiktiven Wartung lassen aus Sicht des Fraunhofer IAIS viel Spielraum für die Anwendung neuer Technologien künstlicher Intelligenz, „weil hier in der Regel das Geschäftsmodell und dessen technologische Basis von Grund auf neu entwickelt wird“, erklärt Wirtz. Dabei hätten die Anlagenbauer verstanden, dass es nicht immer Deep Learning sein müsse, damit eine Lösung funktioniert. „Gerade was das Maschinelle Lernen angeht hat sich eine nachhaltige Einstellung etabliert, in der Ansätze verfolgt werden, die eine gute Balance aus Kosten und Nutzen bieten“, so Wirtz. Beispielsweise würden Regeln, die mit Hilfe von Subgruppensuche als Methode des klassischen Maschinellen Lernens identifiziert wurden, oft schon sehr gut funktionieren , um Ausfälle einzelner Sensorik verlässlich zu detektieren. Wirtz meint: „Diese Ansätze haben den klaren Vorteil, dass sie transparent und nachvollziehbar sowie leicht in der Pflege sind. Außerdem stellt man fest, dass Unternehmen nicht davor zurückschrecken, Anlagen durch Sensorik und Rechenleistung aufzurüsten um Ansätzen den Weg zu ebnen, die eine höhere Qualität in ihren Vorhersagen bei guter Kosten-Nutzen-Balance bieten.“

www.iais.fraunhofer.de

www.abb.com

www.siemens.com

Dails zur Erforschung künstlicher Intelligenz:
hier.pro/BMxaN

Messe SPS:
ABB Automation Products, Halle 4, Stand 420

Siemens, Halle 11

Kontakte:

ABB Automation Products GmbH
Wallstadter Str. 59
68526 Ladenburg
Deutschland
Tel.: +49 06203–71–7717

Siemens AG
Gleiwitzer Str. 555
90475 Nürnberg
Deutschland
Tel.: +49 0911–895–0


Dr. Tim Wirtz, stellvertretender Leiter Knowledge Discovery, Fraunhofer IAIS
Bild: Fraunhofer IAIS

„Gerade die neuen Geschäftsmodelle im Bereich der prädiktiven Wartung lassen oft viel Spielraum für die Anwendung neuester Technologien künstlicher Intelligenz.“


Michael Herbort, Head of Service Sales Drives, ABB Automation Products
Bild: ABB

„Mittlerweile arbeiten wir bereits an der nächsten Stufe des Predictive Maintenance, nämlich Prescriptive Maintenance.“


Heinz Eisenbeiss, Marketingleiter Industrial Automation Systems, Siemens
Bild: Siemens

„Erste Predictive-Maintenance-Lösungen arbeiten heutzutage mit KI-Algorithmen, die Unregelmäßigkeiten gegenüber einem antizipierten Normalzustand erkennen.“

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