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Günter Winkler-Gonze über Wälzlager-Tends bei NSK

Wälzlager von NSK
NSK-Wälzlager und Trends bei Landmaschinen

Der japanische Wälzlagerhersteller NSK hat sich am Standort Munderkingen auf kundenspezifische Wälz- und Standardlager spezialisiert, die sich gerade in anspruchsvollen Anwendungen mit Landmaschinen bewährt haben. Neue Anforderungen zu Energieeffizienz und Condition Monitoring treiben die aktuelle Wälzlagertechnik weiter voran, erläutert Günter Winkler-Gonze, Managing Director European Industrial Business Unit bei NSK Deutschland, im Interview mit KEM Konstruktion.

Interview: Nico Schröder, Korrespondent KEM Konstruktion, Augsburg

KEM Konstruktion: Herr Winkler-Gonze, mit rauen Umgebungsbedingungen stellt die Landwirtschaft besondere Anforderungen an technische Komponenten. Sie bieten unter anderem Schrägkugellager, sogenannte Agri Disc Hubs, für Landmaschinen an. Was zeichnet diese Lösung aus?

Günter Winkler-Gonze: Zum einen verbauen wir ein zweireihiges Schrägkugellager, das robust gestaltet ist. Die Belastung im Radlager ist eine hohe axiale wie auch radiale Last. Die Anbauanwendungen sind Scheibeneggen, Sämaschinen oder auch Schlegelmäher, die unterschiedliche Lastszenarien darstellen. Das heißt, wir betrachten eine integrierte Achse. Wir nutzen einen Montageflansch, der abgedichtet montiert wird. Das ist das Bindeglied. Diese integrierte Lösung zeichnet sich durch ihre hohe Zuverlässigkeit im Feld aus, wo die Komponenten Feuchtigkeit, Staub, korrosiven Düngemitteln und mechanischen Belastungen wie Steinschlägen ausgesetzt sind. Ein zentrales Element in der Funktionalität der Agri Disc Hubs ist die Abdichtung. Wir haben hier eine Kombination unterschiedlicher Labyrinth- und Kontaktdichtungslösungen aufgesetzt, die vermeiden, dass beispielsweise Staub oder Feuchtigkeit ins Lager eindringen. Im Lager selbst haben wir ein Dichtungskonzept, das den Austritt des im Lager befindlichen Schmierfettes verhindert. Das heißt, diese Lagereinheiten sind lebensdauergeschmiert. All diese Faktoren erhöhen die Lebensdauer der Lager.

KEM Konstruktion: Welche Aussagen können Sie zur Lagerlebensdauer treffen?

Winkler-Gonze: Sie können über L10 – das heißt, über eine neunzigprozentige statistische Aussagefähigkeit – berechnen, wie die Lagerlebensdauer auf Basis der Umdrehungsanzahl ausfällt. Darüber hinaus können wir Berechnungen zur maximal zulässigen statischen Belastung des Lagers vornehmen, also bevor die Kugel, die über eine Ellipse am Innenring und Außenring Kontakt hat, eine bleibende Deformierung des Partners bewirken würde. Zudem haben wir mit Kunden Testreihen absolviert, bei denen wir Belastungen simulieren und spezifische Testkonfigurationen fahren – teilweise im Labor, teilweise beim Landwirt auf dem Feld. Kundenseitig kann auch die Hektarleistung, die eine bestimmte Lagereinheit letztlich zu bewältigen hat, definiert werden. Darüber hinaus nutzen wir ein Baukastensystem. Das heißt, wir haben die Teilevielzahl insoweit verringert als wir über dieses Baukastensystem zwei adaptive Seiten haben: Zum einen ist das die Achse. Der Kunde kann definieren, welche Geometrie er möchte. Zum anderen ist es der Anschraubflansch für die Scheibenegge, mit kundenspezifischen und auch marktüblichen Standards.

KEM Konstruktion: An welchen technischen Neuerungen rund um Energieeffizienz respektive Reibungsreduktion arbeiten Sie?

Winkler-Gonze: Energieeffizienz ist sicherlich ein Schwerpunkt. Das Lager an sich hat immer Reibung. Hinzu kommt, dass die Dichtung oftmals eine höhere Reibung hat als das Grundlager. Und in Elektromotoren wie auch in vielen anderen Anwendungen lautet das Anforderungsprofil: Effizienzsteigerung beziehungsweise Reibungsreduzierung. Energieeffizienz ist ein wesentlicher Faktor, der sich in unserer Forschung und der Beratungsintensität mit Kunden widerspiegelt. Wir sind intensiv und erfolgreich mit reibungsreduzierten Wälzlagern unterwegs. Aktuell führen wir eine neue Rillenkugellagerreihe in den Markt ein, die eine 80-prozentige Effizienzsteigerung oder Reibungsreduzierung mit sich bringt.

KEM Konstruktion: Welche Stellschrauben nutzen Sie aktuell, um Reibung zu reduzieren?

Winkler-Gonze: Das eine ist die Geometrie. Es geht darum, in welcher Schmiegung wir uns mit Innenring und Außenring befinden. Die Kugel ist definiert. Das andere ist die Fettauswahl. NSK entwickelt eigene, fein abgestimmte Fette passend zur Anwendung und zur Lagergeometrie. Wichtig ist auch die Frage, wie viel Fett ins Lager oder eine Komponente wie den Käfig gegeben wird. Und was auch zum Tragen kommt, ist das Design der Dichtungen.

KEM Konstruktion: Lagerhersteller setzen bei hochwertigen Produktreihen auf integrierte Sensorintelligenz – unter anderem, um das Condition Monitoring voranzutreiben. Welchen Weg geht NSK?

Winkler-Gonze: Für uns sind Sensorlager vor allem im Bereich Automotive, Railway und Windenergie ein interessanter Produktansatz, den wir seit längerem verfolgen. Sensorintelligenz betrifft ja eine Technologie, die neben der Industrie hauptsächlich im Automobilbereich – nicht erst mit der Elektrifizierung, sondern allein schon über Radlager – etabliert ist. Mit integrierter Sensortechnologie fertigen wir unsere Lager also seit vielen Jahren. Ich sage sogar, dass wir in der Radlagertechnik weltweiter Marktführer sind. Insofern ist uns die entsprechende Sensorik bestens bekannt.

KEM Konstruktion: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen im Bereich Railway?

Winkler-Gonze: Wir sind in Japan bei den Hochgeschwindigkeitszügen Shinkansen mit Lagertechnik und entsprechender Sensorik im Feld und bauen den Bereich für China und Europa aus. Dabei sind drei Haupteinsatzbereiche relevant: Radlager, Getriebe und Traktionsmotoren. Für die Radlager wird Condition Monitoring über die Parameter Vibration und Temperatur betrachtet. Hierzu liefern wir die Basistechnologien und unterstützen den Betreiber in der Merkmalszuordnung, wobei aktuelle Schritte dahin gehen, dass wir entsprechende Algorithmen entwickeln, um im zerstörungsfreien Bereich verbleibende Restlebensdauern berechnen zu können, die eine effizientere Gestaltung der Wartungsintervalle ermöglichen. Das Zweite ist der Getriebebereich. Im Getriebebereich haben Sie meistens ein Auslesen von Parametern, was das Öl anbelangt, konkreter gesagt Temperatur, aber auch Vibration. Der dritte Bereich umfasst die Traktionsmotoren als Antriebseinheit im Zug, wo wir uns ebenfalls mit unseren Lagern wiederfinden. Die Erfahrungen und die Produkt- sowie Designvorteile, die wir über viele Jahre über diese Shinkansen-Technik gesammelt haben, können wir nun weiter nutzen.

KEM Konstruktion: Railway ist ein wichtiger Innovator – auch für andere Anwendungen?

Winkler-Gonze: Ja, mit Sicherheit. Vor allem die Einschaltdauer, die Betriebsdauer der Züge, ist in Japan weitaus höher als bei uns. Japan hat ein Streckennetz, das viel höher frequentiert ist. Insofern sind die Kilometerleistungen in einem Jahr deutlich höher als wir das hier in Europa kennen. Davon partizipieren wir. Es ist ja bekannt, dass die japanischen Hochgeschwindigkeitsbetreiber den Europäern in Bezug auf die Zuverlässigkeit deutlich voraus sind. Das ist für uns ein zentraler Ansatzpunkt, wo wir gefordert werden, wo wir uns einbringen und Synergien herausarbeiten.

KEM Konstruktion: Sie haben die Tendenz zur Elektrifizierung des Antriebsstrang bereits angesprochen. Was bedeutet diese Entwicklung für NSK als Zulieferer, wenn parallel sowohl klassische Antriebstechnik als auch Elektrifizierung marktrelevant sind?

Winkler-Gonze: Die Entscheidung, was wirklich zum Tragen kommt und zu welchem Zeitpunkt, hat eine hohe Dynamik. Der elektrische Antrieb in der Automobiltechnik ist für uns nicht neu. NSK ist von Anfang an in enger Kooperation mit Toyota gewesen – unserem größten Kunden in diesem Bereich. Wir haben bereits 1997 die Markteinführung der ersten Generation des Toyota Prius technologisch unterstützt. Insofern sind wir mit der Technologie, die hier abverlangt wird, vertraut. Wir beliefern auch europäische Autohersteller und können uns gut auf unterschiedliche Antriebskonzepte samt Elektrifizierung einstellen. Auch nutzen wir den Vorteil, den Industriebereich – neben dem klassischen Automobilzulieferbereich – von Anfang an zu unserem Portfolio zu zählen. Das heißt, der klassische Elektroantrieb ist uns bestens bekannt.

KEM Konstruktion: Inwiefern können Anwender mit Ihren Produkten an ihrer Rentabilität arbeiten?

Winkler-Gonze: Rentabilität, wenn wir an die Schlagworte Uptime oder Total Cost of Ownership denken, kommt immer zum Tragen. Im Sektor der Landmaschine haben wir es mit einer stark zunehmenden Mechanisierung zu tun, die auch eine Verdichtung im Gewerk oder in einer Lösung, die man früher arbeitsteilig aufgestellt hat – ein Pflug, eine Egge, eine Sämaschine – mit sich bringt. Heute sehen wir komplette Einheiten, die mehrere Prozesse integrieren, und die ein deutlich höheres Investitionsvolumen mit sich bringen. Ob das jetzt der Landwirt ist oder das Lohnunternehmen – die Produktivität und die Zuverlässigkeit in einem sehr begrenzten Zeitfenster, das zum Beispiel Bodenbearbeitung, Säen, Kultivierungs- oder Ernteprozesse mit sich bringen, sind die höchsten Güter. Man spricht hier mittlerweile von Garantieleistungen, die über die Hektaranzahl oder einfach über eine Zeitschiene Aussagen zur Wartungsfreiheit treffen. Dabei übernehmen wir bei NSK eine einhundertprozentige Gewährleistung, wenn irgendeine unserer Komponenten ausfallen sollte. Der ideale Zustand beim Anwender ist natürlich, dass er keine Wartungsaufwände hat. Absolut wartungsfrei wird es unserem Verständnis nach aber so schnell nicht gehen. Dafür sind die Anwendungen zu unterschiedlich, dafür sind die Anwendungsbelastungen, die Verschmutzungsgrade und letztlich die Anwendungen, wie sie ausgereizt werden, zu anspruchsoll.

KEM Konstruktion: Wie gehen Sie damit um?

Winkler-Gonze: In der Produktberatung sind wir zum einen anwendungsorientiert. Zum anderen betrachten wir den aktuellen Zustand der Anwendung. Wir lassen uns zeigen, welche Ausfälle in welchen Anwendungsbereichen vorhanden sind und arbeiten dementsprechend einen nutzungsorientierten Plan aus, den der Kunde umsetzt. Wir können das Ganze auch geldlich bewerten. Ein entsprechender Kostenspar-Rechner dient dazu, alle aktuellen Kosten im Zusammenhang mit Wälzlagern zu ermitteln und sie mit unserer optimierten Lösung zu vergleichen, um so die Gesamtkosteneinsparungen zu berechnen. Die Kosten-Nutzen-Analyse bezieht sämtliche Wartungskosten einer Maschine mit ein und berechnet, ab wann sich die Implementierung einer neuen Wälzlagerlösung lohnt. So wird deutlich, wann eine Maschine mit einer neuen Lösung die Rentabilitätsschwelle erreicht und die Wartungskosten insgesamt sinken.

KEM Konstruktion: Das Produktionswerk Neuweg in Munderkingen ist 1954 vom Landmaschinenhersteller Claas gegründet worden und gehört seit 1990 zu hundert Prozent zum japanischen Wälzlagerhersteller NSK. Welche NSK-Komponenten werden heute am Standort gefertigt?

Winkler-Gonze: Wir fertigen hier kundenspezifische Wälzlager sowie Standardlager. Diese Lager sind von den Größenverhältnissen her klein bis mittelgroß. Im weltweiten Verbund von insgesamt 65 Produktionsstandorten der NSK konzentrieren wir uns auf kleine und mittlere Losgrößen. Dazu muss man wissen, dass die NSK circa zwei Mrd. Wälzlager pro Jahr produziert. Im Munderkingen werden jährlich etwa drei Mio Wälzlager gefertigt.

KEM Konstruktion: Sie bedienen eine Nische.

Winkler-Gonze: Richtig. Unser Schwerpunkt liegt bei zweireihigen Schräg- und Sonderkugellagern – Lösungen, die wir zusammen mit Kunden entwickeln, aber auch ein definiertes Standardprogramm, mit dem wir weltweit beliefern. Wir sind im Verbund der NSK also eher ein flexibler Spezialist als ein Massenfertiger. Deshalb können wir uns von der Fertigungstechnologie her auf kleine und mittlere Losgrößen einlassen – auch und gerade für Nischenanwendungen.

KEM Konstruktion: Welche Industrien und Branchen beliefern Sie im Schwerpunkt?

Winkler-Gonze: Zunächst sind wir der Landmaschinenindustrie nach wie vor treu. Das heißt, wir haben Claas nach wie vor als Kunden, aber auch andere große Landmaschinenhersteller weltweit: in Europa, den USA oder in Australien. Darüber hinaus beliefern wir Pumpenhersteller oder auch Hersteller mobiler Arbeitsmaschinen, von Nutzfahrzeugen und Hersteller von Windrädern mit hochwertigen Lagern.

Details zu den
Lagereinheiten Agri Disc Hub
hier.pro/AgeNk

NSK Deutschland GmbH

Harkortstraße 15

40880 Ratingen

Tel: +49 2102 4810

Fax: +49 2102 4812290

Email: info-de@nsk.com

www.nskeurope.de


Günter Winkler-Gonze istManaging Director bei NSK Deutschland
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

„Wir sind mit reibungsreduzierten Wälzlagern erfolgreich. Energieeffizienz ist einer unserer wichtigen Entwicklungsschwerpunkte.“


Günter Winkler-Gonze, Managing Director European Industrial Business Unit, NSK Deutschland
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe
 
 
 
 
Günter Winkler-Gonze, Managing Director European Industrial Business Unit, NSK Deutschland
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

 

„Der ideale Zustand beim Anwender ist natürlich, dass er keinen Wartungsaufwand hat. Die Anwendungsbelastungen hingegen sind äußerst hoch und sehr unterschiedlich.“

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