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Lenze nutzt Digital Engineering zur Optimierung der Prozesskette

Digital Engineering
Lenze optimiert Prozesskette mit Software und Digital Twin

Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist ein entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Dabei spielen Themen wie Digital Engineering oder der Digitale Zwilling eine zunehmend wichtige Rolle. Ebenso ist die Entwicklung davon geprägt, dass der Softwareanteil an der Maschinenfunktionalität im größer wird. Martijn Theunissen, Global Head of Application & Support bei Lenze, erklärt im Interview, wie Lenze seine Kunden beim Aufbau digitaler Ecosysteme unterstützt.

 

Fragen: Michael Corban und Johannes Gillar, Chefredaktion KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Können Sie einschätzen, welcher Anteil der Funktionen in modernen Maschinen bereits über die Software abgebildet wird? Welche Rolle spielt demgegenüber der mechanische Aufbau?

Martijn Theunissen (Lenze): Der mechanische Aufbau spielt nach wie vor für den Produktionsprozess die zentrale Rolle. Ohne hochoptimierte Mechanik gibt es keine wirtschaftlichen realen physischen Prozesse. Das gleiche gilt allerdings auch für die beiden mechatronischen Disziplinen: Elektronik und Informatik/Software. Pauschal kann man sagen: Die eine Domäne kann nicht ohne die jeweils anderen zwei. Ganz anders sieht es bei der übergeordneten Steuerung und der Integration der Maschinen in eine moderne vernetzte Produktion aus, mit Datenströmen vom Sensor über die Steuerung in die Cloud . Hier wird die Software der Maschine zum Erfolgsfaktor Nummer eins, während die Mechanik keine Rolle mehr spielt. Im Industrie-4.0-Kontext hat sich für diese modernen Maschinen schon vor einiger Zeit der Begriff ‚Cyberphysikalisches Produktionssystem‘ geprägt.

KEM Konstruktion: Auch im Maschinenbau werden die Produktlebenszyklen kürzer und die Forderung nach steigender Individualisierung lauter – welche Rolle spielt Software hierbei?

Theunissen: Die Software wird in Bezug auf flexiblere Maschinen eine extrem wichtige Rolle einnehmen. Flexiblere Maschinen bedeuten in der Regel mehr geregelte Achsen, die wiederum durch eine Softwarelogik kontrolliert und orchestriert werden müssen. Durch die softwaretechnische Anbindung der Maschinen untereinander und an übergeordnete Steuerungssysteme, wird ein weiteres riesiges Flexibilisierungspotenzial erschlossen. Damit allerdings das volle Potenzial durch Software genutzt werden kann, ist eine weiterreichendere Standardisierung von Softwareschnittstellen als bisher erforderlich. Ansonsten verpufft der Vorteil einer prinzipiell schnell zu ändernden Software durch aufwendige Anpassungen an unterschiedliche Schnittstellen. Mit OPC UA entwickelt sich hier gerade ein Standard, der in der Lage sein wird, übergreifend Maschinen und Produktionssysteme einheitlich zu vernetzten. Die spezifischen Ausprägungen der auf OPC UA basierenden Schnittstellenstandards werden derzeit in den sogenannten Companion Specs von Verbänden und Arbeitsgruppen wie dem VDMA erarbeitet und weiterentwickelt. Lenze hat diesen Trend schon seit langem für sich erkannt und hat schon heute nicht nur OPC UA in das System integriert, sondern gestaltet auch aktiv als Mitglied der OPC Foundation in zahlreichen Arbeitsgruppen die Standards der Zukunft mit.

KEM Konstruktion: Software in Form von Steuerungscode ist den Automatisierern ebenfalls seit längerem vertraut – müssen sich dennoch ‚vertraute‘ Arbeitsweisen ändern, um den steigenden Softwareanteil in den Griff zu bekommen? Wie lassen sich die immer komplexeren Projekte beherrschen?

Theunissen: Die Automatisierer müssen ihre vertraute Arbeitsweise nicht grundlegend ändern sondern vielmehr weiterentwickeln. Die IT-Branche hat hier schon vor Jahren viel Erfahrungen durch teilweise katastrophal verlaufende Softwareprojekte sammeln können. Dadurch sind erfolgreiche Entwicklungs- und Organisationsmethoden entstanden, die heute zur Bewältigung großer veränderlicher Softwaresysteme mit einer Vielzahl von Entwicklern und verteilt arbeitender Teams funktionieren. Hier können sich die Automatisierer viel abschauen, an ihre eigenen Softwareprojekte anpassen und erfolgreich anwenden. Dazu zählen unter anderem agile, teambasierte Entwicklungsprozesse wie etwa SCRUM, Methoden zur Optimierung der Softwarequalität durch zum Beispiel eine testgetriebene Softwareentwicklung oder zur Auslieferung von großen Softwaresystemen mittels Continuous Delivery Toolchains.

KEM Konstruktion: Lassen sich speziell bei der disziplinübergreifenden Zusammenarbeit Methoden des vor allem in der Luft- und Raumfahrt erprobten Systems Engineering auch in den eher mittelständisch aufgestellten Maschinenbau-Unternehmen erfolgreich und zu vertretbaren Kosten nutzen?

Theunissen: Diese Frage ist nicht so leicht mit ja oder nein zu beantworten. Einerseits stellen die Methoden unbestritten einen enormen Vorteil im Sinne einer schnellen, gut abgesicherten und optimierten Systementwicklung dar. Andererseits sind die Werkzeuge nur so hilfreich, wie die Experten, die diese bedienen können. Und das ist oftmals der Haken. Neben den Schwierigkeiten beim Recruiting stellt sich die Frage nach den hohen Kosten für derartige Experten oder gar Expertenteams, die vielleicht gerade bei kleineren Unternehmen nicht immer voll ausgelastet werden können. Ein Ausweg aus dem Dilemma erscheint für mittelständische Betriebe die enge Zusammenarbeit mit Hochschulen und spezialisierten Systempartnern. Diese können in den Frühphasen der Entwicklung das erforderliche Expertenwissen einbringen, müssen aber nicht zwingend die gesamte Entwicklung bis zur Produktionsreife begleiten.

KEM Konstruktion: Welches Angebot kann an dieser Stelle ein Automatisierungsanbieter wie Lenze konkret machen?

Theunissen: Lenze als Systemanbieter unterstützt die entwickelnden Unternehmen bei mehreren entscheidenden Punkten:

  • mit leistungsfähigen Engineering-Werkzeugen mit offenen Schnittstellen zu anderen Engineeringwerkzeugen im Entwicklungsprozess
  • durch domänenspezifisch vorbereitete Applikationsframeworks mit einer hohen Anpassungsfähigkeit an den jeweiligen speziellen Anforderungsfall
  • durch erfahrene Applikationsexperten, die den Kunden bei der Entwicklungsaufgabe von Beginn an bis hin zur Inbetriebnahme unterstützen
  • durch PMI-zertifizierte Projektmanager, die nicht nur die inhaltliche, sondern auch die organisatorische Qualität sicherstellen
  • durch ein Professionales Angebot an Kundentrainings und E-Learning, um die OEMs auch in der Kompetenzentwicklung und der Transformation zu begleiten

KEM Konstruktion: Blickt man weiter auf die zunehmende Digitalisierung – und die damit möglichen neuen Geschäftsprozesse – rückt neben dem Zusammenspiel von Mechanik, Elektrotechnik und Software insbesondere die Vernetzung mit der IT-Welt wie MES und ERP in den Vordergrund (Konvergenz von IT und OT). Welche Forderungen stellt dies an den Maschinenbau?

Theunissen: Die Kernforderung ist schon in der Frage verpackt. Es geht um Konvergenz oder in anderen Worten um die Verbindung der Software beziehungsweise der Informations- und Datenströme aus dem organisatorischen Bereich der IT mit dem operativen produzierenden Bereich der OT, deren Aufgabe die Kontrolle des physischen Produktionsprozesses ist. Die vernetzen Maschinen stellen dabei die Schnittstelle zwischen der digitalen Welt und der physischen Welt dar. Die Maschinentypen mit dem geringsten Integrationsaufwand werden am Markt dominieren. Die Kernforderung an die Maschinenbauer ist demnach einerseits die Welt der ERP- und MES-Lösungen genau zu kennen und deren Standards bestmöglich im Sinne einer einfachen, vertikalen Maschinenintegration umzusetzen. Andererseits sind die Maschinenbauer aber auch gefordert, die horizontale Vernetzung auf Maschinenebene zu standardisieren. OPC UA ist wie schon gesagt hier derzeit das Mittel der Wahl. Die technologische Weiterentwicklung von OPC UA mittels TSN (Time-sensitive Networking), um dieses Übertragungsprotokoll auch auf der Feldebene einsetzen zu können, unterstreicht nochmals dessen Bedeutung für den Maschinenbau.

KEM Konstruktion: Können Sie bereits Beispiele für die in Zusammenhang mit Industrie 4.0 oft genannten ‚neuen digitalen Services‘ und damit ‚neuen Geschäftsmodelle‘ nennen? Wie lassen sich solche digitalen Eco-Systeme effizient aufbauen?

Theunissen: Das sich derzeit am schnellsten entwickelnde Gebiet ist die durch datengestützte Vorhersagemodelle vorausschauende, optimierte Wartung. Hier lässt sich das enge Zusammenspiel aus IT-Technologie in der Cloud, fortschrittlichen Methoden der Datenanalyse und der OT im Sinne von Maschinensteuerungen und Maschinenüberwachung am besten veranschaulichen. Durch die höhere Transparenz des Maschinenbetriebs werden etwa Betreibermodelle als Ausgangspunkt für neue Geschäftsmodelle für Kunde und Anbieter attraktiver als in der Vergangenheit. Das ‚Rückgrat‘ für neue digitale Eco-Systeme stellt dabei immer eine flexible und durch den Kunden selbst oder durch Partner erweiterbare Cloudlösung dar.

KEM Konstruktion: Wie unterstützt Lenze den Aufbau solcher digitalen Eco-Systeme konkret?

Theunissen: Lenze unterstützt seine Kunden bei der Realisierung von digitalen Eco-Systemen auf unterschiedliche Art und Weise. Die Herausforderung für viele unserer OEM-Kunden ist, dass sie noch kein klares Bild über die individuelle Use Cases, Prioritäten oder technische Möglichkeiten haben. Hinzu kommt, dass die Fachleute zum Aufbau digitaler Geschäftsmodelle nur schwer oder gar nicht zu bekommen sind. Daher bietet Lenze seinen Kunden nicht nur eine IIoT-Connectivity-Plattform, sondern auch die notwendigen Beratungsleistungen, um die Chancen der Digitalisierung nutzbar zu machen. In der neugegründeten Business-Einheit ‚Digital‘ vereinen wir die entsprechenden Kompetenzen. Ein interdisziplinäres Team aus Maschinenautomatisieren, UX-Spezialisten, Softwarearchitekten, Cloud-Experten und IIoT-Fachleuten entwickelt gemeinsam Leistungen mit und für unsere Kunden.

Zweitens ist Konnektivität zwischen Maschine und Cloud eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Dafür hat Lenze mit seiner IIoT-Plattform X4remote eine einfache, skalierbare und individualisierbare Lösung geschaffen, die es OEMs ermöglicht, die Maschine einfach online zu bekommen, die relevanten Daten in unserer Cloudplattform zu speichern und Dashboards für Maschinen-Analyse und Produktivitätsoptimierung zu erstellen sowie seinen Kunden zur Verfügung zu stellen. Und das mit einem Zeit-Invest von weniger als vier Stunden, um die ersten Dashboards auf dem Smartphone zur Verfügung zu haben.

Drittens entwickelt Lenze auf der Basis seiner IIoT-Plattform erweiterte Digital Services wie Condition Monitoring und Predictive Maintenance. Dabei ist die Kombination aus Wissen zwischen Maschinenautomatisierung, IIoT und Domain Knowledge im Bereich Motion Control sehr wertvoll. Über die Analyse der Daten aus dem Antrieb und den unterschiedlichen Ebenen der Automatisierungstopologie können wir mit Hilfe von Machine Learning Anomalien in der Mechanik der Maschine identifizieren. Die Verschmutzung einer Kette zum Beispiel kann erkannt werden, ohne dass zusätzliche Sensorik in der Maschine verbaut werden muss. So können ungeplante Wartungen vermieden werden.

KEM Konstruktion: Welche Rolle spielt der Digitale Zwilling? Welche Chancen bietet er den Maschinenbauern?

Theunissen: Der Digitale Zwilling ist eine begriffliche Klammer für die unterschiedlichsten Modelle einer Maschine. Es kann sich hierbei um CAD-Modelle, Schaltpläne, Prozessmodelle und deren Simulationen oder aber auch um Schnittstellenbeschreibungen oder gar Teilelisten handeln. Jede Art von Modellbildung ergänzt den Digitalen Zwilling weiter und erhöht dessen Aussagekraft. Die Chancen für die Maschinenbauer aber auch deren Kunden liegen in einem besser abgesicherten und dadurch schnelleren Engineeringprozess sowie in der höheren Transparenz von der ersten Designstudie bis hin zu Wartung und Betrieb der Maschinen und Anlagen. Je mehr ein Maschinenbauer auf die Digitalen Zwillinge seiner Komponenten- und Systemzulieferer zurückgreifen kann, desto leichter und wirtschaftlicher wird es für ihn selbst sein, einen Digitalen Zwilling seiner Maschine zu erstellen und zu pflegen. In Zukunft wird kein Maschinenbauer mehr um dieses Thema herumkommen und die Lieferketten werden sich nicht nur nach den Faktoren der physischen Produkte und Komponenten richten, sondern auch von der damit verbundenen Verfügbarkeit der Digitalen Zwillinge abhängen.

KEM Konstruktion: Welche Chancen bieten auf dem Digitalen Zwilling aufbauend Methoden wie die Virtual (VR) oder Augmented Reality (AR)?

Theunissen: VR und AR sind mobile Visualisierungsmethoden. Sobald die Geräte für den industriellen Einsatz weit genug entwickelt sind, bieten sie die Möglichkeit, die Daten direkt dort zu visualisieren, wo die Ursache oder das Problem ist. VR und AR sind aber nichtsdestotrotz lediglich Visualisierungsmethoden, der eigentliche Wert liegt in der Aussagekraft der digitalen Zwillinge beziehungsweise der zugrunde liegenden Informationsmodelle im MES, ERP oder weiteren Verwaltungssystemen. Die Möglichkeiten eines integrierten Ansatzes im Bereich Digitaler Zwilling, erweitert um die Diagnose der Maschinen und Systeme mit AR und VR hat Lenze bereits auf der letzten SPS gezeigt. Die InA-App ermöglicht Maschinenbauern die Softwaregenerierung auf Basis der Daten aus dem Digitalen Zwilling sowie des Lenze FAST Software Frameworks. Nach der Inbetriebnahme können die Daten im Digitalen Zwilling für eine intelligente Maschinen-Diagnose mit AR genutzt werden.

www.lenze.com

Details zur Whitepaper-Reihe zum Thema Digitalisierung von Lenze:

hier.pro/4cDe4


Martijn Theunissen, Global Head of Application & Support, Lenze
Bild: Lenze

„Die Software wird in Bezug auf flexiblere Maschinen eine extrem wichtige Rolle einnehmen. Flexiblere Maschinen bedeuten in der Regel mehr geregelte Achsen, die wiederum durch eine Softwarelogik kontrolliert und orchestriert werden müssen.“

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