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Systemspezifikation mit MBSE

Begriffe des Systems Engineerings – Teil 6
Systemspezifikation mit MBSE

Systemspezifikation mit MBSE
Das MBSE-Dreieck als Startpunkt zeigt das Zusammenspiel von Sprache, Methode und Werkzeug Bild: GfSE
Durch das wachsende Interesse am Model-Based Systems Engineering (MBSE) kommt immer wieder die Diskussion über die richtige Modellierungssprache und die richtige Modellierungsmethode auf. Hier existieren viele Unklarheiten und genau genommen gibt es auch keine allgemeingültige Antwort. Hier sollen einige Grundlagen dargestellt werden, um dieser Diskussion auf die Sprünge zu helfen.

Christian Tschirner und Sascha Ackva, Mitglieder des Vorstands der GfSE e.V.

Ziel des MBSE ist ein so genanntes Systemmodell. Es beinhaltet die Spezifikation des in der Entwicklung befindlichen Produkts. Zur Erstellung des Systemmodells bedarf es einer graphischen Modellierungssprache, eines Softwarewerkzeugs und einer Modellierungsmethode. Dieses Zusammenspiel wird häufig in dem MBSE-Dreieck dargestellt (siehe Abbildung) – es bildet den Startpunkt. Erst eine aufeinander abgestimmte Kombination der drei Elemente ermöglicht den wirksamen Einsatz des MBSE in einem Unternehmen. Dabei ist die Modellierungssprache isoliert betrachtet nur ein Ausdrucksmittel. Wie und zu welchem Zweck diese Sprache angewendet wird, wird durch eine Methode festgelegt. Die Methode gibt vor, was spezifiziert werden muss und in welcher Reihenfolge die Informationen entstehen.

Modellierungssprachen

Unglücklicherweise wird die Anwendung des MBSE meist auf die Nutzung einer Modellierungssprache reduziert.
Eine Modellierungssprache wird durch die Syntax und Semantik definiert – die im Metamodell einer Sprache erarbeitet wurde. Einfach ausgedrückt: Die Syntax definiert die Elemente oder Konstrukte (im Vergleich zu unserer Muttersprache zum Beispiel Buchstaben) und regelt, wie Konstrukte (etwa Wörter) aus anderen wiederum gebildet werden. Zusätzlich wird festgelegt – jedoch nicht im Metamodell – wie die dazugehörige graphische Darstellungsform und Notation aussieht. Die Semantik als Teil des Modells zeigt, wie Modellkonstrukte miteinander verknüpft werden müssen, um eine Bedeutung zu haben. Damit ist aber nicht klar, welche Bedeutung ein Element oder eine Verknüpfung im jeweiligen Projektkontext hat.

Die Modellierungssprachen im MBSE setzen vorwiegend auf graphische Darstellungen. Die Vorteile der graphischen Modellierung liegen in der Effektivität und Effizienz in Bezug auf die Bearbeitung, Wahrnehmung und Pflege der Modelle durch den Benutzer. Diese Vorteile werden jedoch nicht vollständig genutzt, da bei der Sprachdefinition die Wichtigkeit der Notation unterschätzt wird – die visuelle Repräsentation wird häufig als trivial angesehen. Die graphische Notation erhält dadurch fälschlicherweise einen ästhetischen Charakter, so dass die Auswahl der Ausdrucksmittel meist auf dem persönlichen Geschmack basiert und weniger auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen. Im Bereich des Software-Engineerings wurde in Studien bestätigt, dass die visuelle Darstellung zum Verständnis des Modells wesentlich beiträgt – für die interdisziplinäre Zusammenarbeit im MBSE trifft das somit umso mehr zu.

Modellierungsmethode

Eine Modellierungsmethode gibt ein Vorgehen an die Hand, mit dem das Systemmodell Schritt für Schritt aufgebaut werden kann. Im Idealfall berücksichtigt die Methode dabei die grundlegenden Vorgehensweisen des Systems Engineerings – das sind einerseits Prinzipien wie beispielsweise das Top-Down-Vorgehen, aber ergänzend auch das Definieren einer sauberen Systemgrenze, die die Fixierung des so genannten „System-of-Interest“ ermöglicht. Inzwischen haben sich zahlreiche Modellierungsmethoden herausgebildet, wenngleich der Großteil seinen Ursprung in der Softwaretechnik hat. Der Kasten ‚Im Überblick‘ listet einige etablierte Modellierungsmethoden mit Hinweisen zu weiteren Informationen auf.

Werkzeuge

Bei der Werkzeugwahl muss darauf geachtet werden, was mit der Modellierung grundsätzlich erreicht werden soll. Üblicherweise werden UML-Werkzeuge genutzt, die für das MBSE und beispielsweise die Systems Modeling Language (SysML) angepasst wurden. Die Bandbreite der möglichen Werkzeuge ist sehr groß. Diese Werkzeuge bieten sich an, wenn die Systemspezifikation etwa von mehreren Nutzern gleichzeitig erstellt werden soll oder fortführende Aktivitäten wie die Erzeugung von Softwarecode damit gleichzeitig stattfinden sollen. Für den Zweck einer verbesserten Kommunikation oder eines allgemeinen Systemverständnisses gibt es aber momentan auch noch viele Unternehmen, die zum Beispiel MS Visio für die Systemmodellierung nutzen – dabei akzeptieren sie bewusst den damit verbundenen höheren Aufwand.

SysML – und dann?

SysML als eine Sprache des MBSE ist inzwischen weit verbreitet. Dennoch: Ein Einsatz allein der Sprache ist im Prinzip gar nicht möglich. Zusätzlich zur entsprechenden Methode muss die SysML als „allgemeingültige“ Sprache immer eine domänenspezifische Ausprägung erfahren. Will heißen: Für eine Anwendung beispielsweise in der Automobilindustrie muss immer noch festgelegt werden, welche Elemente zur Modellierung tatsächlich benötigt werden. Die SysML bietet hierfür nur eine Grundbesohlung – erst durch eine so genannte Profilbildung wird die Definition eines eigenen, erweiterten Metamodells möglich. Da dieses Profil aber immer auf das Basis-Metamodell der SysML zurückgeführt werden kann, erhält die SysML eine gewisse Mächtigkeit und Allgemeinverständlichkeit. Im Prinzip hat man aber mit der Profilbildung dann eine eigene Sprache definiert.

Nicht Try-and-Error

Die ersten Schritte mit dem MBSE sind häufig frustrierend. Entwickler oder Projektmanager müssen in andere Vorgehensweisen und ungewohnte Denkwelten eintauchen. Es ist dabei nicht ausreichend, nur das gewählte Tool zu beherrschen. MBSE kann als Weiterentwicklung des klassischen Systems Engineering (SE) betrachtet werden. Deshalb sollten sich potentielle Anwender zunächst mit dem SE im Allgemeinen vertraut machen und dann sukzessive an das MBSE herangehen.


Info

Zu dieser Rubrik

‚In erster Linie geht es um Kommunikation‘ – das war der Titel der Titelstory der ersten Ausgabe der develop3 systems engineering, heute KEM Systems Engineering. Tatsächlich wird die Bedeutung von Kommunikation in Projekten häufig unterschätzt. Projekte sind heute höchst interdisziplinär und im Regelfall über Zeitzonen, Kulturkreise und Sprachräume verteilt. Die präzise und konsistente Verwendung von Begriffen wird somit zur Schlüsselkompetenz. Eine der ersten Aufgaben des Systems Engineers im Projekt ist deshalb die Schaffung eines Vokabulars, das eine eindeutige Kommunikation fördert. Zur Unterstützung dieser Aufgabe veröffentlichen wir in enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE) e.V. in jeder Ausgabe der KEM Systems Engineering Definitionen zu relevanten Begriffen des Systems Engineerings; Ausgangspunkt hierfür ist die deutsche Übersetzung V. 3.2.2 des Handbuchs Systems Engineering des International Council on Systems Engineering (INCOSE).

kem.redaktion@konradin.de


PLUS

Im Überblick

MBSE-Modellierungsmethoden (Beispiele):

  • SysMod – Systems Modeling Toolbox

www.model-based-systems-engineering.com

  • CONSENS – CONceptional design Specification Technique
    for the ENgineering of Complex Systems

www.selive.de

  • Harmony/SE

http://t1p.de/itvw

  • OPM – Object Process Methodology

https://en.wikipedia.org/wiki/Object_Process_Methodology

  • oosem – Object-oriented Systems Engineering Method

www.omgwiki.org

  • LITHE – nach Ramos

http://t1p.de/nybk

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