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Agile Systementwicklung

Begriffe des Systems Engineerings – Teil 7
Agile Systementwicklung

Agile Entwicklung ist nichts Neues. Bereits 1991 wurden agile Herstellungsmethoden beschrieben. Im Jahre 2001 wurden dann mit dem Manifesto for Agile Software Development (Beck et al.) die grundlegenden Werte der agilen Entwicklung festgelegt. Diese Ansätze der Softwaretechnik erlauben dem Umgang mit Komplexität auf Augenhöhe mit der Dynamik des globalen Wettbewerbs. Ein wesentliches Ziel ist hierbei die Minimierung von Entwicklungszeiten und -kosten. Seit 2012 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe der INCOSE damit, diese agilen Methoden auf die Entwicklung komplexer technischer Systeme abzubilden und entsprechende Methoden zu beschreiben. Heute ist das Systems Engineering im Fokus agiler Methoden.

Sascha Ackva und Christian Tschirner, Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE)

Was ist eigentlich „agil“? Agil, als Adjektiv betrachtet (die Autoren des Agile Manifesto mochten die Verwendung des Substantivs Agilität gar nicht), hat mehrere Bedeutungen:

  • schnell, gewandt, wendig, sowie
  • aktiv, geschäftig, lebhaft, aber auch
  • die Fähigkeit, mental beweglich und präsent zu sein.

Das Agile SE Framework

Zu unterscheiden sind ganz deutlich die agile Prozessstruktur und das agile Produkt. Dennoch: Eines ohne das Andere macht wenig Sinn und ist meist sogar kontraproduktiv. Die Notwendigkeit für beides ergibt sich aus dem heutigen Umfeld, welches aufgrund der Nicht-Vorhersehbarkeit, Risiken, Variationen und ständiger Veränderung agile Antwortmechanismen verlangt.

Agilität ergibt sich aber nicht automatisch; das Bewusstsein für eine Reaktion muss vorhanden sein, wenn es soweit kommt, müssen hierfür Handlungsmöglichkeiten vorliegen und – so banal es klingt: – die angemessene Reaktion muss ausgewählt und umgesetzt werden. Das erfordert eine etwas andere Sicht auf unsere heutigen, meist deterministischen Entwicklungsvorgehensweisen.

Die Prinzipien einer agilen Systementwicklung lassen sich wie folgt zusammenfassen (Kevin Forsberg, et al.):

  • Eine agile SE-Prozessarchitektur ist notwendig, um eine vorhersagbare Anpassung von Zielen, Anforderungen und Plänen zu
    ermöglichen.
  • Eine agile Produktstruktur muss etabliert sein, die eine Anpassung des Produkts während der Entwicklungs- und Produktionsphase auf veränderte Bedürfnisse erlaubt.
  • Der „Produkteigner“ trifft mit seiner gesamtheitlichen
    Systemsicht und mit dem wachsenden Verständnis der Anforderungen Entscheidungen in „Echtzeit“.
  • Die maximale Mitarbeiterproduktivität hinsichtlich Entwicklung, Produktion und Kundenzufriedenheit muss sichergestellt sein – obwohl eigentlich täglich von überall her Störfeuer kommen und das Umfeld im Tagesgeschäft instabil und unvorhersehbar ist. Gerade dieses Prinzip wird im Arbeitsalltag häufig vernachlässigt.

Um agile Systemarchitekturen abbilden zu können, sind drei kritische Elemente notwendig:

  • eigenständige, gekapselte Module im Produkt mit definierten Schnittstellen, welche ein Plug & Play erlauben,
  • eine passive Infrastruktur, welche die Regeln und Maßgaben zum Plug&Play der Module festlegt und
  • eine aktive Systementwicklungs- (Prozess-) Infrastruktur, welche die bedarfsgerechte Modulentwicklung, -verfügbarkeit und -verschaltung ermöglicht.

Um dies effektiv abbilden zu können, müssen wiederum drei grundlegende Designprinzipien umgesetzt werden – die der Wiederverwendbarkeit, Rekonfigurierbarkeit und Skalierbarkeit.

Agile SE-Konzepte bieten also ein hohes Potential, Entwicklungsaktivitäten wirksam zu gestalten. Man sollte aber nicht versuchen, agile Praktiken wie SCRUM in eine Organisation zu drücken – in dem Glauben, dass dies besser sei. Die notwendigen Veränderungen – wie oben beschrieben – können eine Organisation schnell sehr stark belasten. Besser ist es, agile SE-Konzepte zu nutzen, um erkannte SE-Probleme zu lösen – also ein punktueller, zielgerichteter Einsatz. In bester Systems-Engineering-Manier gilt auch hier, dass zuerst die Anforderungen analysiert werden sollten, bevor eine Lösung gewählt wird. Das klare Problemverständnis erlaubt dann eine inkrementelle Umsetzung, unter Berücksichtigung der Firmenkultur, des Geschäftsumfeldes und des Entwicklungsprozesses.

Weitere Informationen rund um das Thema „Agile Systems Engineering“ erhalten Sie durch die vielfältigen Publikationen (Systems Engineering Handbook, Papers) der INCOSE.


Hinweis: Die hier vorgestellten Definitionen stellen wir bewusst zur Diskussion – wir freuen uns über Ihr Feedback dazu per Mail an:

Info

Zu dieser Rubrik

‚In erster Linie geht es um Kommunikation‘ – das war der Titel der Titelstory der ersten Ausgabe der develop3 systems engineering, heute KEM Systems Engineering. Tatsächlich wird die Bedeutung von Kommunikation in Projekten häufig unterschätzt. Projekte sind heute höchst interdisziplinär und im Regelfall über Zeitzonen, Kulturkreise und Sprachräume verteilt. Die präzise und konsistente Verwendung von Begriffen wird somit zur Schlüsselkompetenz. Eine der ersten Aufgaben des Systems Engineers im Projekt ist deshalb die Schaffung eines Vokabulars, das eine eindeutige Kommunikation fördert. Zur Unterstützung dieser Aufgabe veröffentlichen wir in enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE) e.V. in jeder Ausgabe der KEM Systems Engineering Definitionen zu relevanten Begriffen des Systems Engineerings; Ausgangspunkt hierfür ist die deutsche Übersetzung V. 3.2.2 des Handbuchs Systems Engineering des International Council on Systems Engineering (INCOSE).

kem.redaktion@konradin.de


PLUS

Agile Prinzipien

  • den Kunden zufriedenstellen
  • Änderungen willkommen heißen
  • häufige Auslieferungen (Feedback)
  • crossfunktionale Zusammenarbeit
  • Unterstützung leisten und Vertrauen schenken
  • direkte persönliche Kommunikation
  • funktionierende Lösungen
  • nachhaltige Geschwindigkeit

(nach Röpstorff und Wiechmann)

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