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Protiq-Geschäftsführer Gärtner zur Plattformidee im Bereich 3D-Druck

B2B-Marktplatz für additive Fertigung
Protiq-Chef Gärtner zur Plattformidee

Das Thema additive Fertigung ist für den Automatisierer Phoenix Contact so interessant, dass mit Protiq dafür ein eigenes Unternehmen gegründet wurde. Geschäftsführer Dr. Ralf Gärtner erläutert im Interview, warum insbesondere die Wertschöpfungskette vom Hochladen der 3D-Datei über die B2B-Plattform bis zur automatisierten Fertigung im Fokus steht.

Interview: Michael Corban und Andreas Gees, Chefredaktion KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Herr Dr. Gärtner, was motiviert ein Automatisierungsunternehmen wie Phoenix Contact mit Protiq in den Markt der additiven Fertigung einzusteigen?

Dr.-Ing. Ralf Gärtner: Mehrere Gründe sprechen dafür. Mit Blick auf Phoenix Contact selbst geht es zunächst um die Absicherung der eigenen Entwicklungsprozesse. Die Technologie der additiven oder generativen Fertigung – umgangssprachlich auch als 3D-Druck bezeichnet, wobei dies ja nur einen Teilaspekt dieser Technologie beschreibt – gibt uns die Chance, kundenindividuelle Wünsche schnell umzusetzen. Auf diese Weise haben wir bereits umfangreich Know-how gewonnen, das wir angesichts der hohen Wachstumsraten in diesem Marktsegment gerne auch als Dienstleistung anbieten wollen. Hinzu kommt ein dritter Punkt: Digitale Plattformen stoßen im Markt disruptive Prozesse an. Zusammengefasst bedeutet das für Phoenix Contact: Wir wollen die Chancen der additiven Fertigung nutzen, dieses Know-how als Dienstleistung anbieten und gleichzeitig Erfahrungen mit einer digitalen Plattform sammeln – Protiq ist deswegen unser Marktplatz für den industriellen 3D-Druck mit dem Ziel, weltweit die additive Fertigung in höchster Qualität anzubieten.

KEM Konstruktion: Bleiben wir zunächst bei der Technologie: Was waren denn die ersten Bauteile, die bei Phoenix Contact additiv gefertigt wurden?

Gärtner: Das waren vor allem Prototypen für die Entwicklung von eigenen Produkten, sukzessive dann auch Stahlteile für Spritzgießwerkzeuge. Ziel war und ist dabei, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen, schneller in den Markt zu kommen und die Entwicklung abzusichern. Nicht zuletzt spielen auch geringere Kosten und performantere Spritzgießwerkzeuge eine entscheidende Rolle.

KEM Konstruktion: Die Technologie der additiven Fertigung ist mit Blick auf die Maschinenanbieter ja schon fortgeschritten, wo hakt es noch?

Gärtner: Insbesondere an der automatisierten Verarbeitung der Materialien, die Anlagen werden derzeit überwiegend manuell beschickt. Eine automatisierte Materialzufuhr, wie wir sie etwa im Bereich der zerspanenden Technologien kennen, gibt es nur selten. Der Bauprozess selbst läuft zwar automatisch ab, aber danach entnimmt man sowohl den Baubehälter als auch die Bauteile selbst per Hand – bis hin zur Entfernung der Stützstrukturen und dem Strahlen. Da dieses Vorgehen nicht dem Kerngedanken von Industrie 4.0 entspricht, muss die Automatisierung der einzelnen Verarbeitungsschritte entlang der gesamten Wertschöpfungskette stärker in den Fokus rücken. Keine einfache Aufgabe, zumal auch aktuelle Anlagen kaum über Automatisierungsschnittstellen verfügen. EOS hat mit der P 500 erste Systeme dieser Art vorgestellt – hier sind wir als Pilotkunde mit dabei.

KEM Konstruktion: Gibt es Ihrerseits auch Wünsche bezüglich der Fertigungstechnologie selbst?

Gärtner: Die Baugeschwindigkeit muss noch deutlich zulegen, generell die Effizienz der Systeme steigen. Das gilt insbesondere bei kundenindividuellen Produkten: Bislang versucht man ja, den Bauraum möglichst optimal zu nutzen – was aber dazu führt, dass das erste Teil so lange warten muss, bis auch das letzte Teil gesintert ist. Gefragt sind also Konzepte für Losgröße 1 – etwa mittels Anlagen, die ‚im Fluss‘ arbeiten. Hier gibt es interessante Entwicklungen, die wir gespannt verfolgen.

KEM Konstruktion: Gerade im Werkzeugbau gibt es ja immer noch die Kritik, dass additiv gefertigte Bauteile porös beziehungsweise zu grob strukturiert sind – trifft das aus Ihrer Sicht noch zu?

Gärtner: Ja – allerdings wird die additive Fertigung auch nie für sich allein stehen. Will heißen: Entweder kann ich mit dieser oberflächlichen Rauheit leben oder zusätzlich auf andere Verfahren wie Schleifen, Erodieren oder Fräsen zurückgreifen. Das gilt insbesondere für Auflage- und Dichtflächen sowie Führungselemente. Entscheidend dabei ist, dass ich durch die additive Fertigung dennoch den Vorteil topologisch optimierter Produkte nutzen kann. Das führt nicht zuletzt auch zu ergonomischen Vorteilen beim Handling der Werkzeuge, wenn diese etwa statt 16 nur noch 6 Kilogramm Masse besitzen. Ein Produzent wie Phoenix Contact kann auf diese Weise auch die Werkzeugwechselzeiten für Variantenwerkzeuge reduzieren.

KEM Konstruktion: Lassen Sie uns nun auf die eingangs erwähnten Aspekte der Digitalisierung eingehen. Sie wollen neben der Technologie der additiven Fertigung auch Erfahrungen mit der Plattform beziehungsweise dem Marktplatz sammeln, den Protiq bietet?

Gärtner: Exakt – neben der additiven Fertigung wollen wir auch dem Plattformgedanken folgen und uns ein zweites Standbein aufbauen. Deswegen sind wir als Online-Plattform für den 3D-Druck gestartet, die auch weiteren Unternehmen aus diesem Bereich offensteht. Gewinnen konnten wir dafür bereits die FKM Sintertechnik GmbH, einen der Pioniere für die additive Fertigung per selektivem Lasersintern. Unser Ziel ist dabei immer, Angebote für hochpräzise gefertigte Bauteile zu machen – das ist unser Anspruch. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind auch Veränderungen in den Abläufen. Der typische SAP-Bestellprozess mittels Standardfax ist ja weit weg von der Plattformidee, bei der 3D-Daten hochgeladen werden und automatisiert die Fertigung angestoßen wird.

KEM Konstruktion: Gehen Ihre Kunden diesen Weg mit?

Gärtner: In der Tat entstehen hier Fragestellungen, die es zu lösen gilt – genau das interessiert uns aber auch daran. Eine Frage ist etwa, wer einen Bestellprozess auslösen darf, der Konstrukteur oder der Einkäufer? Unter anderem bieten wir deshalb auch eine Rechteverwaltung in der Plattform an, mit der der Anwender rollenspezifisch Rechte zuweisen kann – hier sind im B2B-Geschäft durchaus Unterschiede zu B2C-Anwendungen zu erkennen. Entscheidend für uns ist, dass wir lernen, mit diesen neuen Möglichkeiten umzugehen, bis hin zum Angebot verschiedener Zahlungsmethoden. Die Eigenheiten einer PayPal-Zahlung mit den Anforderungen der Buchhaltung zusammenzubringen, ist keine einfache Aufgabe. Eine interessante Erfahrung ist zudem, dass viele Bestellungen in der Nacht von Freitag auf Samstag eingehen. Von uns erhält der Kunde dann umgehend eine Auftragsbestätigung und in den meisten Fällen können wir am Samstag bereits loslegen, so dass der Kunde zu Wochenbeginn bereits sein Bauteil in Händen hält.

KEM Konstruktion: Wären denn dann auf lange Sicht beim Stichwort Plattform auch Anbieter wie beispielsweise Axoom für Protiq interessant, über die sich eine Anbindung ‚per App‘ realisieren ließe?

Gärtner: Ja – weil dort ‚Ökosysteme‘ entstehen, mit denen sich typische Aufgaben schneller lösen lassen. Denkbar wäre ja, dass man zukünftig aus dem CAD-System heraus auf ‚3D-Drucken‘ geht – so wie wir es heute analog aus der Textverarbeitung kennen. Ein interessanter Gedanke ist zudem, direkt vor Ort beim Kunden zu drucken, was den Transport hinfällig macht. Auch für Phoenix Contact selbst ist das ein hochinteressanter Aspekt.

KEM Konstruktion: Planen Sie denn, auf der Plattform auch ein Autorentool zu hinterlegen?

Gärtner: Im Moment bieten wir eine Konfigurationslösung, in die sich 3D-Datensätze hochladen lassen. Analog zu Google oder Amazon, bei denen Sie zum Start die Suchfunktion sehen, bieten wir das Hochladen der 3D-Daten als erstes an. Dabei können wir eine große Bandbreite an Datenformaten verarbeiten – wir wollen den Kunden bewusst nicht dazu drängen, seine Daten in einem bestimmten Format abzuspeichern. Sobald die Daten vorliegen, laufen im Hintergrund unsere Algorithmen – genau hier steckt auch unser Know-how! –, mit denen wir prüfen, ob sich das Bauteil fertigen lässt. Anschließend bestimmt der Anwender das gewünschte Material und kann dann den Anbieter wählen, bislang FKM oder Protiq. Abhängig von der Stückzahl wird direkt der Preis angezeigt. Dieser Prozess vom Hochladen der Datei bis zur Angebotserstellung ist das Kernstück unserer Plattform.

KEM Konstruktion: Sieht trivial aus, lässt aber den Aufwand dahinter erkennen…

Gärtner: …zumal anschließend noch die Kopplung zu den Warenwirtschaftssystemen abzubilden ist! Und während des Bestellvorganges kann der Anwender auch seinen präferierten Logistikserviceprovider wählen. Anschließend gehen Sie zur Kasse. In den meisten Fällen genügen für solch einen Durchlauf vom Hochladen der Datei bis zum Abschluss rund drei Minuten. Von da aus lässt sich übrigens auch bei uns ein digitaler Datensatz automatisch bis zur Maschine schicken, wobei wir allerdings alle Datensätze zur Qualitätssicherung noch einmal prüfen.

KEM Konstruktion: Nutzen Sie an dieser Stelle auch das Machine Learning beziehungsweise Ansätze der künstlichen Intelligenz (KI)?

Gärtner: Ein Schwerpunkt liegt hier im Werkzeugbau. Ziel ist, nach dem Laden der 3D-Daten automatisiert zu prüfen, ob sich die Konstruktion optimieren lässt, um dies dann bei der Prüfung durch uns entsprechend anzuzeigen. Sollte dies erfolgversprechend sein, wollen wir diese Funktionalität in die Plattform integrieren. Interessant könnte das Thema KI aber auch noch mit Blick auf die Auslastung unserer Maschinen und verbunden damit die Preisfindung sein. Will heißen: Der Kunde erhält gegebenenfalls einen günstigeren Preis, wenn wir das Bauteil in Zeiten geringer Auslastung bauen können. Wir sehen also viel Potenzial in der KI-Thematik – das wird die Entwicklung der Plattform weiter vorantreiben. Entscheidend für uns ist vor allem eine durchgängige Wertschöpfung.

www.protiq.de

Weitere Details zum 3D-Druck-Service:

hier.pro/iUuZm


„Der Prozess vom Hochladen der 3D-Daten bis hin zur Angebotserstellung ist das Kernstück unserer Plattform.“

Dr. Ralf Gärtner, Geschäftsführer, Protiq GmbH, Blomberg
Bild: Thomas Franz/Konradin Mediengruppe
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