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Serie it‘s OWL: Praxisbeispiel Claas

Serie it‘s OWL – Teil 5
Praxisbeispiel Claas

Landmaschinen werden künftig immer intelligenter arbeiten. Damit das ein Erfolg wird, erprobt Claas in Kooperation mit dem Fraunhofer IEM und Dassault Systèmes Methoden des Systems Engineering. Das daraus entstandene Entwicklungsprojekt Claas Cargos wurde auf der Hannover Messe zum realistischen Anschauungsbeispiel aus der Praxis, das die Vorteile der Methoden in der softwaregestützten Produktentwicklung verdeutlichte.

Kirsten Harting, Kommunikation Produktentstehung, Fraunhofer IEM

Rollenwechsel der Landmaschinen: Bei Claas bestimmt inzwischen das Anbaugerät, wie schnell sich sein Traktor über das Feld bewegt. Ein Beispiel dafür ist der Claas Cargos. Der Ladewagen sammelt Informationen zu Menge und Beschaffenheit des Grases, berechnet die optimale Fahrtgeschwindigkeit und sendet sie an den Traktor. Dieser regelt daraufhin seine Geschwindigkeit und wird vom ehemals führenden zum ausführenden Part des Gesamtgespanns. Das Ergebnis ist eine ideale Maschinenauslastung, bei der der Fahrer deutlich entlastet und das Ernteergebnis optimiert wird.

Grundlagen für den intelligenten Ladewagen sind Sensorik, eine umfangreiche Steuergerätetechnik und eine hochintegrierte Schnittstelle zum Traktor. Früher rein mechanische Systeme entwickeln sich damit auch bei Claas zu intelligenten technischen Systemen. Bis der Cargos allerdings auf dem Feld mit seinen Sensoren messen und über intelligente Schnittstellen kommunizieren konnte, standen die Ingenieure vor einer komplexen Entwicklungsaufgabe. Daraus entstanden ist die heute am Markt erhältliche Softwarelösung ICT Cruise Pilot – ein intelligentes mechatronisches System für die Steuerung der Fahrgeschwindigkeit des Traktors über sein jeweiliges Anbaugerät.

Systems Engineering als effektive Herangehensweise

Dass die Komplexität in Zukunft jedoch noch weiter zunimmt, davon ist das Unternehmen überzeugt. „An die Entwicklung von Claas werden derzeit ganz neue Herausforderungen gestellt“, erläutert Torsten Krafczinski, Projektleiter bei Claas. „Wir müssen verstärkt und von Beginn an auf die unterschiedlichen Schnittstellen unseres Entwicklungsprojektes achten: Sowohl technisch als auch organisatorisch eine fordernde Aufgabe.“ Schon bei der Entwicklung des Cargos stellten sich die Ingenieure deshalb die Frage, welche neuen Herangehensweisen der steigenden Vielschichtigkeit in der Entwicklung Rechnung tragen können. Systems Engineering (SE) ist dabei ein effektiver Ansatz. Zur Entwicklung der Funktion ICT Cuise Pilot wurde er daher erprobt. In Kooperation mit der Fraunhofer-Einrichtung für Entwurfstechnik Mechatronik IEM und Dassault Systèmes bauten die Claas-Entwickler ein Systemmodell auf und bildeten es in Vorbereitung auf die diesjährige Hannover Messe in der 3DExperience Plattform von Dassault Systèmes ab.

Der erste Schritt dafür war die Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses des Gesamtsystems Cargos. Dafür kam Consens zum Einsatz, eine Methode des Model-Based Systems Engineering. „Mit Consens beschreiben wir das zu entwickelnde System aus sieben verschiedenen Perspektiven, den sogenannten Partialmodellen“, erläutert Jörg Heihoff-Schwede vom Fraunhofer IEM. Die ersten Modelle, wie das Umfeldmodell, die Anwendungsszenarien, Funktionen und die Wirkstruktur entstanden im Workshop per Kartentechnik. Neben dem Gesamtsystem des Cargos erstellten die Projektpartner auch Modelle des ICT Cruise Pilot. Dann wurden alle Partialmodelle in der 3DExperience-Plattform abgebildet, um eine spätere durchgängige softwaregestützte Entwicklung zu ermöglichen. „Alle Systemmodelle stehen zueinander in Beziehung und ergeben ein konsistentes Ganzes. Die Kenntnis über die Wechselwirkungen und Beziehungen innerhalb des Gesamtsystems sind für die erfolgreiche Entwicklung ausschlaggebend“, sagt Jörg Heihoff-Schwede.

Frühzeitige Identifikation
der Einwirkungen auf das Regelungssystem

Die gründliche Systemmodellierung zu Projektbeginn macht sich also bezahlt. Aus Umfeldmodell und Anwendungsszenarien etwa identifizierten die Projektpartner Einwirkungen auf das Regelungssystem des Cargos. Wie reagiert das Steuergerät des Ladewagens auf Eingangs- und Ausgangsgrößen und wie werden diese verarbeitet? So konnten die Projektpartner bereits in der Workshop-Phase wichtige Informationen für die spätere softwaretechnische Umsetzung ziehen. „Mit Hilfe der Claas-Ingenieure konnten wir in kürzester Zeit die bestehenden CAD-Daten des Cargos gemeinsam mit den erarbeiteten Systemmodellen in die 3DExperience-Plattform einbinden und so ein durchgängiges Engineering ermöglichen“, erläutert Robert Klein, Systems Engineering-Solution Consultant, Dassault Systèmes. Für die Entwicklung intelligenter Landmaschinentechnik könnte Systems Engineering auch künftig eine Option sein. „Das methodische Herangehen in einem gemeinsamen Workshop haben wir als sehr zielführend für das weitere Vorgehen im Entwicklungsprozess empfunden. Innerhalb eines Workshop-Tages konnten wir alle relevanten Informationen identifizieren. Noch ein Vorteil: alle Entwickler waren gleich zu Beginn im Austausch“, sagt Torsten Krafczinski.

Hannover Messe bildet Projektabschluss

Besucher der Hannover Messe konnten sich am Messestand von Dassault Systèmes einen Eindruck vom Systems-Engineering-Projekt verschaffen. Das in die 3DExperience-Plattform integrierte Consens-Systemmodell des Cargos gliederte sich in das Product-Lifecycle-Management der Plattform ein, das in Kooperation mit Claas an verschiedenen Stationen gezeigt wurde. „Das gemeinsame Messekonzept mit einem Anwenderunternehmen und einem Forschungspartner ermöglichte uns, realistische Anschauungsbeispiele aus der Praxis zu schaffen und damit die Vorteile des Systems Engineering in der softwaregestützten Produktentwicklung zu verdeutlichen,“ so Robert Klein. co

Model-Based Systems Engineering ermöglicht es, den Cargos durch verschiedene Partialmodelle – hier das Umfeldmodell – zu beschreiben
Bild: Claas

Info

Hintergrund

Im Technologie-Netzwerk it‘s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe – entwickeln über 170 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in 46 Projekten gemeinsam Lösungen für intelligente Produkte und Produktionssysteme. Das Spektrum reicht von intelligenten Automatisierungs- und Antriebslösungen über Maschinen, Fahrzeuge und Hausgeräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen. Über ein innovatives Transferkonzept werden neue Technologien für eine Vielzahl von – insbesondere kleinen und mittelständischen – Unternehmen verfügbar gemacht. Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gilt it´s OWL als eine der größten Initiativen für Industrie 4.0 in Deutschland.

www.its-owl.de

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