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Beckhoff unterstützt Know-how-Schutz bei Drahterosion

Standard-Steuerungstechnik lässt Raum für eigene Kernkompetenzen
Beckhoff unterstützt Know-how-Schutz bei Drahterosion

GF Machining Solutions entwickelte eine einheitliche Steuerungsplattform für eine neue Generation von Drahterosionsmaschinen auf Basis der PC-basierten Standard-Steuerungstechnik von Beckhoff. Deren Engineeringtool Twincat bietet eine nahtlos integrierte CNC, die über TcCOM (Twincat Component Object Model)-Module offen ist für die Integration von kundenspezifischen Lösungen – und damit das Kern-how des Maschinenbauers unterstützt und schützt. Weitere Vorteile wie Flexibilität und den reduzierten Engineeringaufwand erläutert im Interview Orio Sargenti, Head of Platform Engineering, Conformity and Norms bei GF Machining Solutions.

 

Interview: Stefan Ziegler, Marketing Communications, Beckhoff Automation

Ziegler: Herr Sargenti, bei Ihrer neuen Generation von Drahterosionsmaschinen nutzen Sie Standard-Steuerungstechnik mit integrierter CNC von Beckhoff. Welche Gründe sprachen dafür?

Sargenti: Ziel von GF Machining Solutions war eine durchgängige Steuerungsplattform, um die zuvor an unterschiedlichen Konzernstandorten eigenentwickelte Elektronik der Drahterosionsmaschinen zu vereinheitlichen. Wichtige Voraussetzung war dabei, dass sich Produkte von Drittherstellern – etwa Antriebe – problemlos integrieren lassen. Außerdem musste es die Kommunikationsstruktur ermöglichen, den 1-ms-Regelkreis für die Steuerung des Erodierdrahts einzubinden. Hier sind wir zunächst auf das sehr weit verbreitete und leistungsfähige Kommunikationssystem Ethercat aufmerksam geworden und dann aufgrund des breiten verfügbaren Produktspektrums auch auf den Ethercat-Erfinder Beckhoff. Letztendlich ausschlaggebend für die Zusammenarbeit war, dass Beckhoff ein PC-basiertes Steuerungssystem und im Gegensatz zu den konventionellen CNC-Herstellern auch eine wirklich offene CNC-Lösung anbietet.

Ziegler: Welche besonderen Vorteile bietet die Offenheit der Twincat CNC?

Sargenti: Bei der Twincat CNC steht uns mit TcCOM ein offenes Interface in die numerische Steuerung zur Verfügung. Erst dadurch ist es möglich, das eigene Prozess-Know-how als Kernkompetenz optimal einzubringen. So können wir mit Hilfe der TcCOM-Module Standard-Steuerungstechnik nutzen und dennoch sehr spezielle eigenentwickelte Funktionalitäten integrieren. Das macht es sehr einfach für unsere Experten, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Entscheidend ist, dass das Erodier-Know-how in unseren Händen verbleibt und nicht zur Implementierung an den Steuerungshersteller weitergegeben werden muss. Die TcCOM-Module sind hierfür das geeignete Tool und bieten quasi einen integrierten und einfach nutzbaren Schutz unseres eigenen Know-hows. Unabhängig davon profitieren wir mit PC-based Control auch von einer kontinuierlich weiterentwickelten Steuerungstechnik und der hohen Innovationskraft von Beckhoff. Dabei sind die Innovationszyklen auf beiden Seiten durch die TcCOM-Module entkoppelt, das heißt bei Neuerungen auf der einen oder anderen Seite ist kein aufwändiger gegenseitiger Abgleich nötig.

Ziegler: Welche besonderen Anforderungen stellt der Drahterosionsprozess an die CNC-Technik?

Sargenti: Bei konventionellen Werkzeugmaschinen lässt sich das Werkzeug im Idealfall genau mit einem Punkt im Raum beschreiben. Beim Drahterodieren sind hingegen komplexere Abläufe zu steuern, um mit dem Draht als Werkzeug exakt arbeiten zu können. So steuert die CNC als Hauptmerkmal über insgesamt fünf Servoachsen die ober- und unterhalb des Werkstücks positionierten Drahtführungen. Ergänzend muss die gesamte Bewegung des Drahts, das heißt dessen Geschwindigkeit und Kraft, präzise vorgegeben werden. Ein weiterer komplizierter Aspekt der numerischen Steuerung besteht darin, dass der Erodierdraht gebogen und nicht gerade in den Arbeitsbereich eintritt. Denn der Draht neigt dazu, sich abhängig von den elektrischen Parametern und der auf ihn einwirkenden Kraft vom Arbeitspunkt weg zu bewegen. Unser Kern-Know-how liegt darin, diese Einflüsse optimal zu korrigieren. Dabei profitieren wir von der hohen Rechenleistung der Beckhoff-CNC, da mit ihr das bisherige Stoppen und Nachregeln des Drahtes entfällt und so auch eine Kurve in der maximalen Geschwindigkeit gefahren werden kann.

Ziegler: Welche Funktionen wurden konkret über die TcCOM-Module umgesetzt?

Sargenti: Erodieren ist ein regelungstechnischer Prozess, das heißt über der gesamten Applikation liegen die konventionellen Regelkreise für Drehmoment/Kraft, Geschwindigkeit und Position mit einem zusätzlichen Regelkreis für die Prozesssteuerung. Die Konsequenz daraus ist, dass die jeweils erforderliche Geschwindigkeit keine feste Größe ist, sondern vom EDM-Prozesssteuerungsmodul vorgegeben und dafür kontinuierlich in Echtzeit berechnet wird. Dabei kann der Funkengenerator bezogen auf das Werkstück durchaus auch zu schnell arbeiten, so dass die Interpolation nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts gerichtet ist. Dadurch erhöht sich die Steuerungskomplexität weiter, wobei zusätzlich noch das Durchbiegen des Erodierdrahts und die Länge der Funken on-the-fly zu kompensieren sind. Aus Sicht der CNC ändern wir also dynamisch die Werkzeugradius-Kompensation. All das ist über insgesamt vier TcCOM-Module als Interfaces zum CNC-Kernel realisiert: Drahtbiegungskorrektur, dynamische Werkzeugradius-Kompensation, Ecken-Vorsteuerung und Oberflächengeschwindigkeitsregulierung.

Ziegler: Wo sehen Sie die Vorteile der offenen und durchgängigen Steuerungsarchitektur PC-based Control für Sie als Maschinenbauer?

Sargenti: Der Vorteil der offenen Beckhoff-Technologie liegt in der großen Freiheit bei der Wahl der benötigten Komponenten, beispielsweise I/Os. Hier sind die traditionellen CNC-Anbieter deutlich eingeschränkt. Bezogen auf die numerische Steuerung benötigen wir einen sehr guten CNC-Kernel, in den sich unser spezielles Prozess-Know-how möglichst einfach integrieren lässt. Aus unserer Sicht nutzen wir auf diese Weise die Standardkomponenten von Beckhoff und aus Softwaresicht ist es über die TcCOM-Module unsere eigene CNC wie beschrieben. Zudem steht mit der Software Twincat ein offenes Framework zur Verfügung, bei dem beispielsweise die komplexe Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten und die Safety-Integration bereits realisiert sind. Twincat ist hier ebenfalls sehr offen und benutzerfreundlich und bietet zudem – verglichen mit den in konventionellen CNCs integrierten PLCs – deutlich mehr Funktionalität. Einer der größten Vorteile überhaupt ist aber, dass wir mit PC-based Control alle Vorteile der Automatisierungswelt in die numerische Steuerung mit übernehmen können.

Ziegler: Welche Bedeutung hat die Offenheit von Twincat als Engineeringtool?

Sargenti: Die Integration von Twincat in Visual Studio macht die Dinge für die Entwickler einfacher, weil sie ein bekanntes Framework nutzen können. Die Einbindung der Hochsprachen ist sehr wichtig für die Entwicklung der TcCOM-Module, die alle in C/C++ programmiert sind. Ein weiteres Feature, das GF Machining Solutions sehr intensiv nutzt, ist die Matlab/Simulink-Integration. Wir modellieren damit so viel wie möglich, um ausgehend von einem Objektmodell den besten Weg für die gewünschten Maschinenabläufe zu definieren.

Ziegler: Warum setzen Sie für die Maschinenbedienung das Control Panel CP3919 in einer kundenspezifischen Ausführung ein?

Sargenti: Der Hauptgrund ist der Designaspekt, der zu einer einfachen Wiedererkennbarkeit der Maschinen von GF Machining Solutions führen soll. Hinzu kommen eine gute Bedienbarkeit und Praxistauglichkeit, die zusammen mit Beckhoff optimiert wurden. So werden an die Aufhängung des Control Panel besondere Anforderungen gestellt, da die Maschinenbediener es gewohnt sind, sich auf dessen Tastererweiterung aufzustützen.

Ziegler: Die I/O-Ebene ist über ein kundenspezifisches Signal-Distribution-Board und die Ethercat-Steckmodule der EJ-Serie realisiert. Was waren die Gründe für diese Entscheidung?

Sargenti: Die konventionelle elektrische Verteilung in unseren Schaltschränken basierte bisher auf DIN-Schienen. GF Machining Solutions begann in den späten 1990er Jahren, Schaltschränke mit Signal-Distribution-Boards aufzubauen, und die Ethercat-Steckmodule stellen in unseren Augen die ideale Lösung hierfür dar. Dies liegt in erster Linie an zwei Vorteilen: Zum einen reduziert sich hier verglichen mit der Einzelverdrahtung deutlich die Fehlerhäufigkeit. Zum anderen verursachen die Ethercat-Steckmodule fast 40 Prozent weniger Verdrahtungsaufwand und damit auch deutlich geringere Kosten. Der Aufbau eines konventionellen Schaltschranks mit DIN-Schienen erfordert rund 20 Arbeitsstunden, mit den Ethercat-Steckmodulen dauert es hingegen nur zehn bis zwölf Stunden. Das ist ein signifikanter Zeit- und Kostenfaktor. Ein weiterer Vorteil entsteht durch die hohen Stückzahlen bei den Schaltschränken für die neue Maschinengeneration, denn gemäß dem Plattformgedanken sollen alle Drahterosionsmaschinen mit dem gleichen Schaltschrank ausgestattet werden. Die unterschiedlichen Anforderungen lassen sich dann ohne großen Aufwand über die Wahl der verwendeten EJ-Module und einer gegebenenfalls veränderten Board-Variante erfüllen.

Ziegler: Abschließend noch die Frage: Welche Erfahrungen haben Sie im Rahmen des gemeinschaftlichen Entwicklungsprojektes gemacht?

Sargenti: Die Entwicklung der neuen Steuerungsplattform war und ist für GF Machining Solutions ein bedeutender Schritt und ein großes Investment in die Zukunft. Um hierfür auf ein möglichst umfassendes Know-how zugreifen zu können, haben wir im April 2012 einen Kooperationsvertrag mit Beckhoff abgeschlossen. Im Rahmen des Entwicklungsprojekts wurden wir insbesondere bei der Integration der prozessrelevanten Funktionen in die numerische Steuerung zusätzlich von der ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH in Stuttgart unterstützt. Als erste Maschinenbaureihe konnte dann Ende 2014 die CUT E in Serie gehen. Inzwischen ist die Entwicklungsarbeit für eine effizientere Regelung des Drahterosionsprozesses abgeschlossen. Um weitere Technologiebereiche abzudecken, führen wir das Projekt bis 2020 fort. Die Zusammenarbeit mit Beckhoff funktioniert sehr gut. Dies gilt einerseits für die Produkte und den dazugehörigen Support, zumal mit dem Beckhoff-Büro Losone auch ein Ansprechpartner direkt vor Ort bereitsteht. Andererseits hat sich die sehr offene Kommunikation und Diskussion untereinander bewährt. Zudem verfügen alle Beteiligten über nahezu die gleiche Expertise. Dies ist sehr wichtig, denn bei der Implementierung der speziellen Erodierfunktionen muss man nicht nur wissen was, sondern auch warum dies aus Prozesssicht umzusetzen ist. co

Details zu den CNC-Lösungen von Beckhoff:

http://hier.pro/LGgy8


„Entscheidend ist, dass das Erodier-Know-how in unseren Händen verbleibt – und mit PC-based Control können wir alle Vorteile der Automatisierungswelt in die numerische Steuerung mit übernehmen.“

Orio Sargenti, Head of Platform Engineering, Conformity and Norms, GF Machining Solutions SA, Losone, Schweiz
Bild: Beckhoff
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