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Stromversorgungen: UL 61010 löst UL 508 ab

Industriell genutzte Stromversorgungen in den USA und Kanada
Ablöse der UL 508 durch die UL 61010

Sehr erfreulich sind die Bestrebungen der USA, eigene Normen aufzugeben und sich an internationalen Standards zu orientieren. In Bezug auf Stromversorgungen haben die ANSI/UL 61010-1 und ANSI/UL 61010-2-201 die alte Norm UL 508 Norm abgelöst. Für Stromversorgungshersteller und Anwender bedeutet das eine deutliche Erleichterung.

 

Michael Raspotnig, R&D Engineer Electronics bei der Puls GmbH in München

Inhaltsverzeichnis

1. Harmonisierung und internationale Anerkennung
2. ANSI/UL 61010–2-201 löst die UL 508 bei Stromversorgungen ab
3. Erforderliche Änderungen an Stromversorgungen nach UL61010 im Vergleich zur UL 508
4. Stromversorgungen nach ANSI/UL 61010-2-201 in der Anwendung
5. Kein Recognition Mark für UL60950-1 mehr
6. Normen im Überblick

Die Normen- und Standardisierungsarbeit konnte der rasanten Entwicklung in der Automatisierungstechnik der letzten 30 Jahre nicht folgen. Das Ergebnis war ein ungeordnetes Normenkonglomerat, international nicht harmonisierbar und thematisch vermischt. So wurden zum Beispiel Sicherheitsaspekte und funktionelle Eigenschaften oftmals nicht sauber getrennt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in Bezug auf die elektrische Sicherheit Normen aus andern Bereichen, wie denen der IEC 60950-1 (Einrichtung für Informationstechnik), zweckentfremdet wurden.

Die IEC (International Electrotechnical Commision) hat diese unbefriedigende Situation erkannt und 2011 damit begonnen, normenübergreifende Arbeitsgruppen zu bilden. So wurde die JWG13 (Joined Working Group) gegründet, welche sich den Anforderungen von „Industrial Automation Technology (INDAT)“ widmet. Die Aufgaben dieser Arbeitsgruppe sind, bestehende Standards zu evaluieren, fehlende Themen zu erkennen und eine Basis für einen international harmonisierbaren Standard zu schaffen. Ein innovativer Schritt war die Trennung von Sicherheitsaspekten, welche naturgemäß weniger schnellen Veränderungen unterliegen, und die der funktionellen Anforderungen, die aufgrund der schnellen technologischen Fortschritte deutlich häufiger angepasst und ergänzt werden müssen.

Zur Bewertung der Sicherheit wurde die IEC 61010-1 (allgemeine Sicherheitsanforderungen für Mess-, Steuer- und Laborgeräte) als Basis verwendet und um den Teil -2-201 (industrielle Steuergeräte) ergänzt. Da Stromversorgungen zu den industriellen Steuergeräten zählen, gilt auch für sie dieser Standard. Mittlerweile sind die Normen soweit entwickelt, dass seit 2016 danach geprüft und zugelassen werden kann. Auch die Anzahl der akkreditierten Prüflabore steigt seit diesem Zeitpunkt exponentiell an. Produktstandards, wie die IEC 61131-2 (speicherprogrammierbare Steuerungen) haben ihre Sicherheitsanforderungen aus der Norm entfernt und verweisen dafür auf die IEC 61010-2-201.

Harmonisierung und internationale Anerkennung

Die IEC 61010-1 und IEC 61010-2-201 sind international harmonisiert und in den wichtigsten Wirtschaftsregionen akzeptiert. Mittels IECEE-CB-Scheme-Verfahren können nationale Zertifizierungsstellen die CBScheme-Testberichte anerkennen und für eine nationale Zulassung verwenden. In den USA löst die ANSI/UL 61010-1 und ANSI/UL 61010-2-201 die alte UL 508 (Industrial Control Equipment) in Bezug auf Stromversorgungen ab.

Werden bei einer Zulassung nach IEC 61010-1 und IEC 61010-2-201 die nationalen Abweichungen der ANSI/UL 61010-1 berücksichtigt, kann über das CB-Scheme Verfahren ein UL-Zeichen beantragt werden. Das vereinfacht den Prüfaufwand für den Markteintritt in die USA enorm. Die ANSI/UL 61010-2-201 wurde sogar ohne nationalen Abweichungen aus der IEC übernommen. Nachdem im Bereich industrieller Anwendungen amerikanische und kanadische Standards schon immer übereingestimmt haben, ist es nicht verwunderlich, dass die CAN/CSA-C22.2 No. 61010-1 und die CAN/CSA-C22.2 No. 61010-2-201 auch in Kanada die alten CAN/CSA-C22.2 No. 107 und No. 142 ablösen. In Europa ist die EN 61010-2-201 im Amtsblatt der Europäischen Union gelistet und kann zur Konformitätsvermutung der Sicherheitsziele der Richtlinie 2014/35/EU (Niederspannungsrichtlinie) verwendet werden. Das bedeutet, es kann eine EU-Konformitätserklärung auf Basis dieser Normen ausgestellt werden.

ANSI/UL 61010–2-201 löst die UL 508 bei Stromversorgungen ab

Die ANSI/UL 61010-2-201 gilt seit Februar 2016 bei Stromversorgungen als offizielle Nachfolgernorm der UL 508. Zulassungen nach der alten UL 508 behalten ihre Gültigkeit, werden aber bei einigen UL-Kategorien mittlerweile nicht mehr als mögliche Option zur Konformitätsbewertung gelistet. Es ist damit zu rechnen, dass früher oder später eine Umstellung auf die neue Norm erfolgen muss.

So verweist zum Beispiel die UL-Kategorie NMTR (Industrial Control Equipment – Power Circuits and Motor-mounted Apparatus) bei Stromversorgungen auf die ANSI/ UL 61010-1 und ANSI/UL 61010-2-201 und nicht mehr auf die UL 508. Auch wenn die meisten Stromversorgungen im Sinne der ANSI/UL 61010-2-201 als „Open Equipment“ eingestuft werden, können diese mit einer UL-Listing-Kennzeichnung versehen werden. Die ULListing-Kennzeichnung hat im Vergleich zum UL-Recognition-Mark den Vorteil, dass beim Wechsel eines Stromversorgungsmodels in einer Anwendung keine zusätzlichen Prüfungen mehr erforderlich werden. Werden bei einer UL-Zulassung auch die kanadischen Normen, wie vorher erwähnt, berücksichtigt, kann ein cULus Zeichen angebracht werden, das auf Basis der gegenseitigen Anerkennung, auch in Kanada akzeptiert wird.

Stromversorgungen von Puls
Bei Stromversorgungen haben die ANSI/UL 61010-1 und ANSI/UL 61010-2-201 die Norm UL 508 Norm abgelöst. Für Stromversorgungshersteller und Anwender ist das eine deutliche Erleichterung.
Bild: Puls

Erforderliche Änderungen an Stromversorgungen nach UL61010 im Vergleich zur UL 508

  • Die Unterschiede zwischen UL 508 und ANSI/UL 61010-2-201 sind gravierend. Das beruht darauf, dass die UL 508 noch einen sehr alten und überholten Sicherheitsansatz verwendet. Die ANSI/UL 61010-2-201 fordert im Vergleich zur UL 508: Doppelte oder verstärkte Isolation zwischen berührbaren Teilen und Teilen mit gefährlicher Spannung. Die UL 508 fordert nur eine einfache Isolation.
  • Schutz gegen mechanische Gefahren, wie scharfe Kanten oder bewegliche Teile.
  • Zusätzliche Stückprüfungen (z.B. Hochspannungsprüfungen, Schutzleiterprüfung) in der Fertigung von Geräten.
  • Einzelfehlerprüfungen, anhand derer nachgewiesen wird, dass bei einem Einzelfehler immer noch ein Basisschutz für den Anwender vorhanden ist.
  • Spezifische Eigenschaften für das umhüllende Gehäuse.
  • Eine strengere Bewertung von Transformatoren mit trennender Isolation.
  • Aufwendigere Temperaturmessungen auch am unteren Ende des spezifizierten Temperaturbereichs. Die Durchführung einer Risikoanalyse.
  • Zusätzliche Tests zur Beurteilung der Langlebigkeit und Lesbarkeit von Gerätekennzeichnungen (Wischtest mit Isopropylalkohol).

Dies sind nur einige der Unterschiede zur UL 508. Für Stromversorgungen, die zusätzlich nach der aktuellsten Ausgabe der IEC 60950-1 entwickelt und gefertigt wurden, sollten diese Änderungen jedoch keine Schwierigkeiten darstellen. Meistens sind diese ohne Hardwareänderungen adaptierbar. Gerätekennzeichnungen und Installationsanleitungen müssen jedoch auf jeden Fall angepasst werden.

Stromversorgungen nach ANSI/UL 61010-2-201 in der Anwendung

In den USA muss jede Anlage sowie deren elektrische Schaltanlage vor Inbetriebnahme vor Ort von einem Inspektor, dem sogenannten AHJ (Authority Having Jurisdiction), nach den NFPA-70-Regeln abgenommen werden. Die NFPA (National Fire Protection Association) ist die regulierende Behörde in den USA. Geräte, die nach ANSI/UL 61010-1 und ANSI/UL 61010-2-201 konform sind, sind dafür ebenso geeignet wie Geräte nach UL 508. Stromversorgungen nach UL 61010-2-201 sind in derselben UL-Kategorie eingestuft wie die der alten UL 508. Bei der Zulassung von Endanwendungen sollte es in den USA daher zu keinen Anerkennungsproblemen kommen.

In Schaltschrankanwendungen nach UL508A (Industrial Control Panels) dürfen Stromversorgungen nach ANSI/UL 61010-2-201 mit 100 % belastet werden und brauchen kein 50 % Derating, wie es für Stromversorgungen zum Beispiel nach UL 60950-1 erforderlich ist. Leider ist im Kapitel 42.2.3 der 2018er Ausgabe der UL 508A ein Fehler enthalten, der auch für die UL 61010-2-201 dieses Derating fordert. Dieser Fehler wurde über ein CRD (Certification Rationalization Decision) korrigiert, welche unmittelbar nach der Veröffentlichung in Kraft getreten ist. Im Rahmen einer UL 61010-2-201 Zulassung können auch Prüfungen nach NEC-CLASS-2 berücksichtigt werden und es ist keine zusätzliche Zulassung nach UL 1310 (Class 2 Power Units) mehr erforderlich. Dies ist möglich, seitdem im Artikel 725.121 des NEC-Codebook von 2017 die UL 61010-2-201 als Option für NEC-CLASS-2 gelistet ist.

Kein Recognition Mark für UL60950-1 mehr

Um eine Stromversorgung nach UL 508 zuzulassen, wurde üblicherweise der Weg über eine Komponentenzulassung nach UL 60950-1 (Information Technology Equipment) gewählt. Damit konnten die Schwächen der UL 508 ausgeglichen werden. Nach erfolgreicher UL 60950-1-Komponentenzulassung, wurden mittels eines speziell dafür entwickelten Programms UL 508 spezifische Prüfungen durchgeführt, welche dann zu dem „UL Listing Mark“ führten. Die ANSI/UL-61010-2-201-Zulassung führt hingegen direkt zu dem begehrten „UL Listing Mark“. Das sogenannte „Dual Marking“, bei dem ein Gerät sowohl mit dem „UL Listing Mark“ (UL 508) und dem „UL Recognition Mark“ (UL 60950-1) ausgestattet wurde, entfällt also. Kunden, die aus internationalen Vermarktungsgründen noch eine 60950-1-Zulassung bevorzugen, können ein CB-Scheme nach der IEC 60950-1 verwenden.

Michael Raspotnig, R&D Engineer Electronics, Puls
Michael Raspotnig, R&D Engineer Electronics bei der Puls GmbH in München
Bild: Puls

www.pulspower.com


Normen im Überblick

  • UL 508
    „Industrial Control Equipment“
  • UL 508A
    „Industrial Control Panels“
  • IEC/EN 60950-1
    Einrichtungen der Informationstechnik – Sicherheit
    Teil 1: Allgemeine Anforderungen
    Bekannt auch als ITE-Norm (Information Technology Equipment)
  • IEC/EN 61010-1, ANSI/UL 61010-1
    Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte
    Teil 1: Allgemeine Anforderungen
  • IEC/EN 61010-2-201, ANSI/UL 61010-2-201
    Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte
    Teil 2-201: Besondere Anforderungen für Steuer- und Regelgeräte
  • IEC/EN 61131-2
    Speicherprogrammierbare Steuerungen
    Teil 2: Betriebsmittelanforderungen und Prüfungen
  • IEC/EN 62368-1
    Einrichtungen für Audio/Video, Informations- und Kommunikationstechnik
    Teil 1: Sicherheitsanforderungen, bekannt auch als ICT-Norm (Information Communication Technology)
  • 2014/35/EU
    Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt. Bekannt auch als Niederspannungsrichtlinie
  • NEC-Class-2
    Der amerikanische NEC (National Electrical Code) legt unter anderem die Anforderungen für Stromkreise mit geringem Gefahrenpotential fest. Solche Stromkreise werden NEC-Class-2 Stromkreise genannt und dürfen gewisse Spannungs- und Stromgrenzen nicht überschreiten. Sie werden durch einfachere Installationsanforderungen belohnt, so dürfen zum Beispiel Leitungen ohne Kabelkanäle verlegt werden, wenn sie voneinander getrennte Maschinen- oder Anlagenteile verbinden. Auch bei der Zulassung von Ausrüstungsteilen, welche von solchen Stromkreisen versorgt werden, wird davon ausgegangen, dass die Brandgefahr reduziert ist. Es reichen einfachere Tests und geringere Brandschutzmaßnahmen aus. Teilweise entfallen Prüfungen sogar gänzlich. Solche NEC-Class-2-Stromkreise müssen von NEC-Class-2 gelisteten Stromquellen versorgt werden. Bei 24V-Kreisen bedeutet das im Normalbetrieb max. 100W, was in etwa 4,2A entspricht. Im Fehlerfall (Überlast, Kurzschluss oder Bauteilefehler) darf der Strom von 8A und die Leistung von 100W nicht überschreiten. Falls es die Leistungsanforderung der Anlage oder Maschine zulässt, ist es vorteilhaft, wenn die Stromquelle (= Netzteil) konform zu diesen Anforderungen ist.


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