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Steife Brise nutzen

Wissenschaftler und Unternehmen erforschen die Machbarkeit schwimmender Windenergieanlagen
Steife Brise nutzen

Floatgen-Demonstration of Two Floating Wind Turbine Systems for Power Generation in Southern European Deep Waters ist ein Projekt von Wissenschaftlern und Unternehmen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Norwegen und Belgien, mit dem die technische und wirtschaftliche Machbarkeit schwimmender Windenergieanlagen für Wassertiefen von über 40 m erforscht werden soll. Die CFD-Software Ansys CFX hilft Konstrukteuren, die Herausforderungen des ambitionierten Vorhabens zu meistern.

Exklusiv in KEM Die Autoren: Friedemann Beyer und Matthias Arnold, wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl SWE, Universität Stuttgart

Im Rahmen der Energiewende wird der Bau von größeren Offshore-Windparks an der Nord- und Ostseeküste geplant. In größerer Entfernung zur Küste weht der Wind stärker, gleichmäßiger und besser vorhersagbar, was eine höhere Effizienz der Anlage bedeutet. Offshore-Anlagen auf fest installierten Fundamenten sind jedoch ab einer bestimmten Wassertiefe zu teuer. Daher werden Windenergieanlagen auf schwimmenden Plattformen installiert, die zur Positionierung und Stabilisierung am Meeresboden vertäut werden. Dies soll die Nutzung der Windkraft auch in Gewässern mit steil abfallendem Meeresboden wie z. B. im Mittelmeer, im Westen der USA oder in Japan ermöglichen.
Die Konstruktion solcher schwimmenden Windenergieanlagen verspricht Kostenvorteile, bringt aber auch erhebliche technische Herausforderungen mit sich. Durch die unkonventionelle Montage auf dem Meeresgrund und die mitunter stärkeren Strömungen fernab der Küste ist ihre Konstruktion vielen komplexen Variablen unterworfen. Die Simulation und Optimierung solcher Anlagen muss deshalb das komplexere dynamische Verhalten durch den Einfluss von Wind und Wellen berücksichtigen und hat das Ziel, die dynamischen Belastungen der Struktur zu reduzieren und die Entwicklung geeigneter Steuerungen bzw. Regelungen zu ermöglichen.
Grundlagen und Verfahren
An schwimmenden Windenergieanlagen treten durch die zusätzlichen Freiheitsgrade transiente aerodynamische und hydrodynamische Effekte auf, denen Anlagen auf festem Fundament nicht oder deutlich weniger ausgesetzt sind. Zur Entwicklung zuverlässiger und langlebiger schwimmender Windenergieanlagen ist es daher erforderlich, die vielfältigen Lastfälle mit hoch entwickelten Design-Tools zu modellieren und zu simulieren. Ebenso wichtig ist es aber auch, die Genauigkeit dieser Simulationstools zu validieren.
Durch die Art der Befestigung der Anlagen im Meeresboden und den damit einhergehenden Einbußen bezüglich der Stabilität stellen Wellenbewegungen auf offener See eines der größten und zentralsten Probleme dar. Beim Designprozess der Plattformen muss deshalb dieser Aspekt besonders realitätsnah und intensiv simuliert werden. In der Offshore-Industrie werden üblicherweise vereinfachte Simulationstools verwendet, die auf linearisierten Annahmen basieren. Dahingegen ermöglicht Computational Fluid Dynamics (CFD)-Software, strömungsinduzierte aero- und hydrodynamische Kräfte, die auf einen Körper wirken, besonders realitätsnah und umfassend zu simulieren und in den Entwicklungsprozess einfließen zu lassen.
Kopplung: CFD-Software mit Mehrkörpersimulationssoftware
Zur computerunterstützten Simulation des Gesamtsystems schwimmender Windenergieanlagen haben Forscher des Stuttgarter Lehrstuhls für Windenergie an der Universität Stuttgart die CFD-Software Ansys CFX mit einer Mehrkörpersimulationssoftware (MBS) gekoppelt.
Ansys CFX ist eine Standard-Lösertechnologie für die umfassende Simulation von Strömungen und deren Verhalten, die diverse Typen von Fluidphänomenen darstellen und schnell verlässliche und akkurate Ergebnisse liefern kann. Mit ihr werden die hydrodynamischen Effekte steiler und brechender Wellen in flachem oder tiefem Wasser auf einen schwimmenden Körper simuliert. Die Struktur der Windturbine und der schwimmenden Plattform wurde durch die kommerziell verfügbare Software Simpack auf der Basis von modalreduzierten Finite-Elemente-Methoden (FEM) modelliert. Durch die Kopplung der beiden Programme wurde die Fluid-Struktur-Interaktion bei einer schwimmenden Offshore-Anlage umfänglich simuliert. Die Kopplung zwischen CFX und MBS, die sogenannte Fluid-Multibody-Interaction (FMBI)-Methode ist aus verschiedenen Gründen sinnvoll: Zum einen übersteigt die in Bezug auf die schwimmenden Windkraftanlagen so wichtige Simulation von realitätsnahen Strömungsbewegungen die Kapazitäten einer MBS. Zum anderen kann die CFD-Simulationssoftware CFX auch flexible und bewegte Körper berücksichtigen, allerdings mit größerem Rechenaufwand. Durch Kopplung mit dem MBS-Tool lassen sich jedoch alle Elemente der Anlage berücksichtigen, d. h. das Vertäuungssystem, die aerodynamischen Kräfte an Rotor und Mast, die Wirkung der Steuerung usw. Neben der Berücksichtigung von Effekten höherer Ordnung liefert der Ansatz so auch detaillierte Informationen über die Druck- und Lastverteilung am Rumpf der schwimmenden Plattform.
Sieben zusätzliche Funktionalitäten
Für die Kopplung mussten sieben zusätzliche Funktionalitäten entwickelt werden. Dies sind zum einen eine Sender- und eine Empfängereinheit in jedem der Softwarepakete, um die Kopplungsinformationen – Lasten und Bewegungen – von einem Speicherbereich in den anderen zu übertragen. Außerdem sind Umsetzer für die Transformationen zwischen den verschiedenen Definitionen von Lasten, Bewegungen und Koordinatensys- temen erforderlich. Ein Moderator-Skript stimmt die Iterationen der CFX- und Simpack-Software aufeinander ab. Damit CFX und MBS auf die Simulation zugreifen können, wurde jeweils ein benutzerprogrammierter Fortran-Code eingefügt, der als Schnittstelle für die Implementierung der zusätzlichen Funktionalitäten dient.
Gute Korrelation
Beide Simulationssoftwarepakete, die in diesem Projekt eingesetzt werden, wurden bereits in zahlreichen Anwendungen einzeln validiert, sowohl für Gezeitenströmungsturbinen als auch für Windenergieanlagen. Die realisierte Kopplung und das hieraus entstandene FMBI-Modell wurden durch Vergleich mit etablierten Fluid-Struktur-Interaktion (FSI)- und Blade-Element-Momentum (BEM)-Methoden am Anwendungsfall eines einzelnen Rotorblattes einer Gezeitenströmungsturbine validiert. Hierbei zeigte sich eine sehr gute Korrelation zwischen der neu entwickelten Methode und einer FSI-Referenzsimulation auf FEM-Basis.
Die Validierung durch Vergleich zwischen den Simulationspaketen sollte durch weitere Lastfälle ergänzt werden, wobei die Plattform in CFD und MBS als starrer Körper mit einem im Massenschwerpunkt angeordneten Federelement zur Herstellung der Rückhaltekräfte modelliert werden könnte. Als konkrete Struktur ließe sich ein vollständig integriertes Modell des OC3-Hywind-Systems modellieren, um die Trägheitskräfte und die Wirkung der aerodynamischen Dämpfung zu berücksichtigen. Denkbar wäre auch die Simulation komplexer Plattformgeometrien beispielsweise der Halbtaucherplattform OC4-Deepcwind mit ihren verschiedenen Säulen und Pontons.
So geht es weiter
Die Schwerpunkte der Arbeit des Lehrstuhls für Windenergie (SWE) der Universität Stuttgart als wissenschaftlicher Partner im Floatgen-Projekt sind die Simulation des Gesamtsystems der schwimmenden Windenergieanlage und die Analyse der Lastfälle sowie darauf aufbauend die Entwicklung einer fortschrittlichen Regelung der Anlage. Schließlich wird anhand von Messdaten des 2-MW-Prototyps, der bis 2015 als eine der ersten schwimmenden Windenergieanlagen in Südeuropa installiert werden soll, eine Validierung der Ansys Simulationstools durchgeführt. Durch die an der Universität Stuttgart entwickelte Kopplung zwischen den Softwarepaketen Ansys CFX und MBS lassen sich die komplexen Wechselwirkungen zwischen Wind, Wellen und Struktur verlässlich simulieren und optimieren.
Schwimmende Windenergieanlagen bieten die Vorteile einer größeren Energieausbeute, sie sind ab einer bestimmten Wassertiefe kostengünstiger als Anlagen auf festem Fundament, und sie können flexibler außerhalb sensibler Zonen positioniert werden. Außerdem können sie im Gegensatz zu Anlagen auf festem Fundament an Land vormontiert und dann aufs Meer transportiert oder für anfallende Reparaturen in einen Hafen geschleppt werden. I

Info & Kontakt
Ansys Germany Mathias Jirka, Marketing-Specialist Tel.: 06151 3644-131 mathias.jirka@ansys.com Direkt zur CFD-Software Ansys CFX
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