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Der Mensch und die Maschine

Simulationssoftware ermöglicht Ergonomiebetrachtungen in der Konstruktion
Der Mensch und die Maschine

Wie sollte man konstruieren? Diese Frage stellt sich jeder Konstrukteur bei einer Neuentwicklung. Dabei gilt es mehrere Ziele zu erreichen, z.B. die Erfüllung von Normen, Stabilität, Gewichtsvorgaben und natürlich auch der Designansprüche. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle rückt hierbei mehr in den Blick, und es ist immer wichtiger, Ergonomievorgaben zu berücksichtigen.

Exklusiv in KEM Der Autor, Alexander Nolte, ist Produktmanager bei der Cadfem GmbH, Grafing

Ergonomievorgaben sind schwer zu erfassen. Eine Bewertung ist in der Regel mühsam und teilweise auch unzureichend. Vor allem wenn die agierenden Menschen erst im Nachhinein in der Realität betrachtet werden.
Hier bietet sich der Einsatz von Simulationssoftware an, um entsprechend reproduzierbare Ergebnisse zu ermitteln.
Ergonomie durch Simulation
Ein Beispiel dafür ist das Anybody Modeling System, eine invers dynamische Mehrkörpersimulationssoftware zur Berechnung von Muskel- und Gelenkreaktionskräften. Als Eingabegröße benötigt die Software Bewegungsdaten, die z.B. von einem Motion-Capture-System aufgezeichnet werden können.
Da der menschliche Körper ein mechanisch überbestimmtes System ist, wird eine Optimierung benötigt, um dieses System mathematisch lösen zu können. Bei der Optimierung wird die Summe der normierten Muskelkräfte – in Anybody als Muskelaktivität bezeichnet – minimiert.
Wenn man bei Null starten muss, ist die Erstellung eines Mensch- modellls immer sehr aufwendig. Daher ist das AMMRV1.5.1 (Anybody Managed Model Repository) in der Software inkludiert: eine kostenfreie Modellbibliothek, die verschiedenste Modelle beinhaltet. Eines davon ist auf den Import von Bewegungsdaten spezialisiert. Dadurch lässt sich ein individueller Bewegungsdatensatz im C3D-Format, einem gängigen Standformat im Bereich der Bewegungsanalyse, in Anybody importieren. Beim Import wird das Modell automatisch skaliert.
Die Software Anybody wird bereits in den verschiedensten Bereichen erfolgreich eingesetzt. Nachfolgend werden einige Beispielanwendungen näher erläutert.
Implantatdesign optimieren
In der Implantatindustrie ist es wichtig, zur Auslegung der Prothesen die entsprechenden Randbedingungen zu kennen. Auf ein Implantat wirken Muskel- und Gelenkreaktionskräfte, die nur äußerst schwer gemessen werden können. Prof. Bergmann vom Julius Wolff Institut in Berlin hat aufwendige Studien durchgeführt und genau diese Kräfte im lebenden menschlichen Körper gemessen (www.orthoload.com). Die Berechnungsergebnisse von Anybody stimmen sehr gut mit den gemessenen Werten der verwendeten Mess-Endoprothesen überein. Somit bietet Anybody hier eine hervorragende Möglichkeit, ohne groß angelegte Studien Lastkollektive zu ermitteln, die auf ein Implantat wirken. In Kombination mit der Finiten Elemente Methode (FEM) können dann belastungsgerecht Prothesen und Implantate konstruiert werden. Des Weiteren lassen sich Fragen bezüglich des verbliebenen Bewegungsumfanges beantworten, zum Beispiel: welchen Bewegungsumfang erlaubt das zur Wirbelsäulenversteifung eingebrachte Implantat noch?
Automobilindustrie unterstützen
In der Automobilindustrie werden die Verstellbereiche von Lenkrad und Sitzen und die Erreichbarkeit der Bedienelemente in der Regel über Anthropometrie-Datenbanken abgeglichen. Dabei ist es natürlich wichtig, die Perzentile der Bevölkerung richtig abzubilden, wobei relevante Unterschiede zwischen asiatischen und europäischen Kunden bestehen. Der 50. Perzentil
Mann bedeutet, dass dieser Datensatz genau dem Durchschnittsmann entspricht. Die 5. Perzentil Frau heißt, dass 5 % der Frauen in der Bevölkerung kleiner sind und 95 % größer. Das Software-Paket Ramsis von Human Solutions ist ein bekannter Standard in diesem Bereich. Allerdings wünschen sich die Hersteller, genauere Ergonomie-Aussagen mit einer solchen Software treffen zu können. Anybody Technology arbeitet momentan an einer Integration bzw. Schnittstelle zu solchen Software-Paketen. Dadurch lässt sich Anybody noch besser als Werkzeug zur Evaluierung der Fahrzeugergonomie nutzen.
Bisher werden bei der Entwicklung von Neufahrzeugen mehrere reale Tests mit Probanden durchgeführt. Dazu gehören Sitzproben und Fahrtests, aber auch Ein- und Ausstiegsbewegungen. Die Bewegungen werden per Video- und Markerbasiertem Motion Capturing erfasst und auf das Anybody Modell per Importfunktion übertragen. Wichtig ist auch hier, dass das Probandenkollektiv die Bevölkerung in Anthropometrie wie auch Bewegungsstrategie repräsentativ abbildet. Die berechneten Größen werden in komplexen Formeln miteinander verknüpft, denn ein einzelner stärker belasteter Muskel heißt nicht, dass die Bewegung als unkomfortabel empfunden wird. Es ist eher der Zusammenhang zwischen vielen Parametern, der den Komfort bestimmt, wie etwa die gesamte Auslastung der Rückenmuskulatur, wirkende Kräfte in der Wirbelsäule und auch die Gelenkpositionen. Eine immer reproduzierbare Simulation eliminiert Unsicherheiten bei der Auswertung der Probandenangaben, denn die Simulation ist nicht abhängig von der Tagesform des jeweiligen Testers.
Die Kombination aus Anthropometrie-Datenbank und exakter biomechanischer Ergonomiebeurteilung ist das Ziel von Anybody Technology und den Kunden aus der Automobilindustrie, z. B. BMW, Daimler und Ford.
Mensch-Maschine- Schnittstelle
Um die Interaktion mit entsprechender Konstruktionssoftware zu ermöglichen, hat Anybody Technology eine Schnittstelle zu Solidworks programmiert, genannt Solidworks2Anybody. Weitere Schnittstellen zu anderen CAD-Systemen sind in Planung. Ziel ist es, die immer deutlicher werdende Notwendigkeit zur Untersuchung von Mensch-Maschine-Schnittstellen zu erleichtern. Mit Solidworks2Anybody lässt sich die CAD-Geometrie in Anybody als STL-Datei visualisieren. Zusätzlich werden die Masseeigenschaften in Anybody an ein Segment übergegeben, ebenso die anfängliche Position und Lage der Bauteile, Lagerungen und Gelenke. Mit Hilfe von Referenzpunkten wie etwa Haltegriffe lassen sich die Anybody-Modelle schnell positionieren. Dazu werden diese Informationen in eine Anybody-Datei geschrieben, um sie anschließend in seinen Modellcode zu inkludieren.
In Bezug auf Sport- und auch Arbeitsplatzergonomie lassen sich mit dieser Vorgehensweise sehr schnell Ergonomie-Effekte von Konstruktionsänderungen evaluieren, aber auch Konstruktionen bezüglich anatomischer Gegebenheiten der Nutzer prüfen. So kann beispielsweise ein Crosstrainer optimal auf eine 1,80 m oder auch 1,60 m große Person angepasst werden.
Cadfem, Tel.: 08092 7005-0,
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