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Mikrometer modifiziert

Einfluss der Oberflächencharakteristik auf die Reibungseigenschaften von O-Ringen
Mikrometer modifiziert

Durch den Einfluss von etwa 70 Parametern auf das Reibverhalten einer O-Ring-Abdichtung gibt es keine universelle Lösung mit nur einer Oberflächenbehandlung für alle Elastomerwerkstoffe bezogen auf alle Anwendungen. Deshalb muss in der Regel die Aufgabenstellung indi-viduell in enger Abstimmung zwischen An-wender und Dichtungshersteller gelöst werden.

Der Autor Bernd Murthum ist Produktmanager für das Produktprogramm von O-Ringen bei der Busak + Shamban GmbH. Als Maschinenbautechniker und Betriebswirt (VWA) durchlief er verschiedene Funktionen im U

Durch die permanente technische Weiterentwicklung müssen O-Ringe inzwischen neben der rein statischen Dichtfunktion komplett neue Anforderungen erfüllen. Die automatische Montage, dynamische Anwendungen mit hochfrequenten hin- und hergehenden Bewegungen, Schaltvorgänge nach langer Stillstandszeit und Montagevorgänge erfordern Dichtungen mit geringer Reibung. Neben dem Elastomerwerkstoff spielt bei der Reibungsreduzierung von O-Ringen die Oberflächenbehandlung eine herausragende Rolle. Die Zielsetzung bei allen Lösungen ist eine gleichbleibende Qualität der Beschichtung oder Oberflächenmodifikation unter Berücksichtigung von wertanalytischen Gesichtspunkten.
Mit dem O-Ring steht dem Konstrukteur ein leistungsfähiges und wirtschaftliches Dichtelement für eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsfälle im statischen oder dynamischen Einsatz zur Verfügung. Aufgrund einer Reihe von Vorteilen wie weltweite Verfügbarkeit, kostengünstige Herstel-lungsverfahren, symmetrischer Querschnitt, einfache Ausführung und einer großen Werkstoffauswahl entwickelte sich der O-Ring zu einem der meistverbreiteten Dichtelemente. Abgesehen von dem hohen Qualitätsstandard und einer langen Lebensdauer ist die Oberflächencharakteristik als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren eine besondere Betrachtung wert. Damit lässt sich ein effektiver technischer sowie ökonomischer Nutzen darstellen.
Konflikt in der Praxis
In der Praxis stößt der Konstrukteur bei der Auswahl von Elastomerdichtungen und der Gestaltung von Einbauräumen häufig auf einen Konflikt. Mit dem Ziel eine möglichst gute Dichtfunktion zu erreichen, muss speziell der O-Ring entsprechend vorverformt werden, damit eine Anfangsdichtheit erzielt wird. Die Vorverformung wird von dem Systemdruck überlagert und zu einer Gesamtdichtungspressung addiert. Dies führt zu einem Anstieg der Reibkraft und damit bei dynamischer Beanspruchung zu einer Erhöhung der thermischen Energie, zur Erhöhung von Montagekräften und zu ruckartigen Bewegungen.
Anwendungen
Der starke Trend zur automatischen Montage in allen Bereichen der Produktion stellt an O-Ringe völlig neue Anforderungen. Die Elemente sind so zu behandeln, dass sie ohne Probleme vereinzelt werden können. Je nach Einsatzbereich sollen Stick-slip-Erscheinungen und hohe Losbrechkräfte verhindert werden. Vor allem bei der Übertragung von dynamischen Aufgaben wie bei kurzen Hüben und seltener Betätigung in Schaltern oder bei der Reduzierung von Montagekräften in Steckverbindungen wird eine Reduzierung der Reibung gefordert. Dabei haben nicht nur die Oberflächengüte der Gegenlauffläche und die Schmierung sondern auch die Elastomerqualität und O-Ring-Beschaffenheit einen maßgeblichen Einfluss auf die Klebeneigung und das Reibverhalten. Die Beschichtung oder Modifikation der O-Ring-Oberfläche bietet hier eine Lösung der Aufgabenstellung.
Verfahren zur Reibungsreduzierung
Es gibt diverse Möglichkeiten, die Reibung zu reduzieren und somit die neuen Anforderungen zu erfüllen: Mit der „Talkumierung” erzielt man eine reduzierte Klebeneigung und erleichtert die automatische Montage. Allerdings eignet sich dieses Verfahren nicht für den dynamischen Einsatz. Zudem besteht Verschmutzungsgefahr durch loses Pulver.
Bei der „MoS2 Beschichtung” reduzieren sich zusätzlich die Montagekräfte. Aber auch hier besteht Verschmutzungsgefahr durch MoS2.
Die „Silikon Beschichtung” reduziert ebenfalls die Montagekräfte und schaltet die Nachteile, die eine Pulverbeschichtung mit sich bringen, aus. Allerdings eignet sie sich nicht für die automatische Montage, da die Ringe zum Kleben neigen. Auch ist die Beschichtung mit Silikon nicht für den dynamischen Einsatz geeignet.
Die Vorteile der „PTFE Pulver Beschichtung” sind wieder reduzierte Klebeneigung und Montagekräfte. Die Beschichtung ist zudem chemisch innert und die automatische Montage wird erleichtert. Verschmutzungsgefahr besteht durch das lose Pulver und das Verfahren eignet sich ebenfalls nicht für den dynamische Einsatz. Hier unterscheidet sich die „PTFE Hart Beschichtung”. Sie kann zur dynamischen Anwendung eingesetzt werden. Allerdings kommt es durch Montagedehnung zur Rissbildung an der Oberfläche.
Die „Chlorierung” und die „Kunststoffbeschichtung” erzeugen reduzierte Klebeneigung und Montagekräfte und ermöglichen eine erleichterte automatische Montage. Sie eignen sich für dynamische Anwendungen. Es kommt aber auch hier durch Montagedehnung zur Rissbildung an der Oberfläche. Während die Chlorierung die Umwelt belastet, eignet sich die Kunststoffbeschichtung nicht für biologisch abbaubare Öle und kann nur bei einer Betriebstemperatur bis zu 50 °C angewandt werden.
Bei dem speziell für NBR entwickelten computergesteuerten DF-Verfahren wird die Oberfläche der O-Ringe im Mikrometerbereich modifiziert. Dabei verändern sich die physikalischen Eigenschaften des Elastomers nur unwesentlich. Ein wichtiger Aspekt dieses Verfahrens sind die besonde-re Umweltverträglichkeit, die saubere schmutzfreie Oberfläche der Dichtungen und keine Geruchsbelastung.
Vorteile:
– Oberflächenmodifikation,
– kein Schichtauftrag: kein negativer Einfluss auf die Vorverpressung der Dichtung,
– Temperatur wie NBR,
– konstante prozesssichere Qualität,
– KTW-Freigabe mit speziellen Werkstoffen möglich,
– kein Montagefett erforderlich,
– kein Verkleben der Teile in der Packung,
– trockene Oberfläche,
– geringe Montagekräfte,
– geeignet für dynamische Anwendungen bei einer Vorpressung 10 %,
– sehr gut geeignet für autma- tische Montage,
– nach Bedarf auch „labs-frei“.
Das DF-Verfahren findet aber nur bei NBR Anwendung und die Härte ändert sich nach der Behandlung bis zu +4 IRHD. Die HF-Beschichtung wird auf die Elastomeroberfläche aufgebracht. Eine vorhergehende Plasmabehandlung sichert die durchgängige Reinigung der Dichtung und somit eine feste Oberflächenhaftung der Beschichtung.
Vorteile:
– fest anhaftende, flexible Beschichtung,
– Temperaturbereich des Schichtwerkstoffes –40 °C bis +150 °C,
– keine negative Veränderung der Elastomereigenschaften,
– konstante prozesssichere Qualität,
– kein Montagefett erforderlich,
– kein Verkleben der Teile in der Packung,
– trockene Oberfläche,
– geringe Montagekräfte,
– geeignet für dynamische Anwendungen,
– sehr gut geeignet für autmatische Montage,
– keine Kontaktkorrosion mit Metallen.
Die HF-Beschichtung findet nur bei schwarzen NBR, FKM und EPDM Werkstoffen Anwendung. An der Oberfläche kann es durch Montagedehnung zu Rissbildug kommen.
Beispiel 1: Kontaktschalter Pneumatik
Komponenten und Bauteile der Pneumatik werden immer kleiner, schneller und müssen den Anforderungen in Reinräumen standhalten. Um dies zu erreichen sind moderne Werkstoffe und engtolerierte hochpräzise Maschinenelemente erforderlich. Zur Abdichtung dieser Bauteile wie Ventile, Schalter, Zylinder und Druckluftanschlüsse werden sehr oft O-Ringe verwendet. Dieses eigentlich statische Dichtelement wird aufgrund einer Reihe von konstruktiven und letztendlich wirtschaftlichen Vorteilen inzwischen immer häufiger als dynamische Dichtung ein-gesetzt. Die Ansprüche der Pneumatik erfordern dabei völlig neue Oberflächenmerkmale, die über das Leistungsvermögen eines Elastomers hinausreichen. Mit dem DF-Verfahren werden hierbei reibungsreduzierende Eigenschaften ohne Schichtauftrag erzeugt. Mit einer Reinigung gekoppelt, werden auch die Reinraumbedingungen erfüllt. Damit können diese Elemente in empfindlichen Anwendungen wie Kfz-Lackieranlagen und anderen ölfreien Druckluftanwendungen eingesetzt werden. Mit der Verlängerung der Lebensdauer der Pneumatikbauteile durch reduzierte Reibung und die Vermeidung von Reklamationen durch Verschmutzung bietet der Dichtungsspezialist den Anwendern einen klaren technischen und damit deutlichen Kostenvorteil.
Beispiel 2: Kolbendichtung
In der Industrie und im Automobilbau werden immer häufiger mit Dichtungen bestückte Baugruppen zur Endmontage bereitgestellt. Dabei ist es besonders wichtig, dass bei manueller Montage, besonders bei Arbeiten an einem Montageband die Fügekräfte einen definierten Maximalwert nicht übersteigen. Typische Grenzen sind hier 60 N. Ein Überschreiten dieser Werte führt häufig zu nicht vollständig gefügten Bauteilen mit allen negativen Folgen wie späteres Lösen der Verbindung und damit Leckage. Bei der Verwendung von elektrischen oder pneumatischen Schraubern können viel höhere Montagekräfte aufgebracht und somit entsprechende Reibkräfte überwunden werden. Ist aber die Verpressung einer O-Ring Abdichtung zu groß, kann dies als Folge zur Zerstörung der Dichtung führen. Um die Fügekräfte zu reduzieren werden deshalb O-Ringe oft mit Öl oder Fett geschmiert. Diese Methoden sind in der Regel kostenintensiv, unsicher in der Durchführung, schmutzig und nicht dauerhaft wirksam. Typische Anwendungen, die eine Reduzierung der Montagekraft fordern, sind Komponenten für Kfz-Klimaanlagen, Fahrzeug-Schnellkupplungen, Kupplungen in der Hydraulik und Pneumatik sowie Stecksysteme in der Trinkwasserversorgung.
Internet
Ausführliche Informationen
O-Ringe
KEM 441
Elastomerdichtungen
KEM 442
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