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Sicherheitstechnik: EN ISO 14119 – Funktionsprinzipien einer Zuhaltung

EN ISO 14119 – Funktionsprinzipien einer Zuhaltung
Sicherheitstechnik für Maschinen – Teil 8

Nachdem in Teil 7 die Frage behandelt wurde, ob eine Verriegelungseinrichtung eine Zuhaltung benötigt oder nicht, dreht sich dieser Teil unserer Beitrags-Serie darum, nach welchen Funktionsprinzipien eine Zuhaltung arbeiten kann. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche  vier verschiedene Prinzipien die EN ISO 14119 dafür vorstellt.

 

Jens Rothenburg, Produktmanager sowie Normenexperte bei Euchner

Inhaltsverzeichnis

1. Personen- und Prozessschutz
2. Benötigte Zuhaltekraft
3. Fazit
4. Hintergrund: Sicherheitstechnik für Maschinen



Im Teil 7 dieser Reihe wurden einige grundlegende Fragen bezüglich des Einsatzes einer Zuhaltung an beweglichen trennenden Schutzeinrichtungen behandelt. Darauf aufbauend werden beispielsweise an vollautomatischen Drehmaschinen zumeist Schutztüren angebracht. Dann muss noch unterschieden werden, ob eine Verriegelung oder eine Zuhaltung aus sicherheitstechnischer Sicht notwendig ist. Oder aber es soll in jedem Fall eine Zuhaltung verwendet werden. Auch für solche Fälle bietet die Norm Hinweise– die EN ISO 14119 sieht vier verschiedene Funktionsprinzipien für Zuhaltungen vor:

  • Federkraft betätigt, Energie EIN entsperrt
    Dieses Prinzip wird bei Euchner auch mechanische Zuhaltung genannt und stellt in Bezug auf die Funktion der Zuhaltung ein Ruhestromprinzip dar. Dies bedeutet, dass die Zuhaltung bei einem Wegfall der Energie durch eine Feder in die Stellung „Zugehalten“ geht. Wenn die Energie wieder zugeführt wird, öffnet sich die Zuhaltung.
  • Energie EIN betätigt, Federkraft entsperrt
    Hier öffnet sich die Zuhaltung, wenn die Energie wegfällt und sie hält die Schutztür zu, wenn Energie zugeführt wird. Dieses Prinzip wird bei Euchner elektrische Zuhaltung genannt und ist ein Arbeitsstromprinzip.
  • Energie EIN betätigt, Energie EIN entsperrt
    Bei diesem Aufbau, auch bistabiles Prinzip genannten, ändert sich die Stellung der Zuhaltung nicht, wenn die Energie ausfällt. Stattdessen muss Energie angelegt werden, um die Zuhaltung in den jeweils anderen Zustand umzusteuern. Da sich die Stellung der Zuhaltung bei einem Wegfall der Energie nicht ändert, gilt auch dieses Prinzip als Ruhestromprinzip.
  • Energie EIN betätigt, Energie AUS entsperrt
    Dieses Prinzip entspricht wiederum einem Arbeitsstromprinzip, da die Zuhaltung bei einem Ausfall der Energie geöffnet ist. Es wird bei Elektrohaftmagneten, wie zum Beispiel beim CEM, verwendet.

Personen- und Prozessschutz

Diese vier beschriebenen Möglichkeiten stehen zur Auswahl, wenn man eine Zuhaltung einsetzen möchte oder muss. Zwei davon sind sogenannte Ruhestromprinzipien, bei denen die Zuhaltung im Falle eines Stromausfalls geschlossen bleibt. Eine Zuhaltung für den Personenschutz muss eines dieser beiden Prinzipien nutzen. Eine sehr kleine Ausnahme von dieser Auswahl lässt die Norm nur dann zu, wenn dargelegt werden kann, dass ein Ruhestromprinzip ein nicht geeignetes Verfahren ist. Der Nachweis hierfür dürfte allerdings sehr schwer zu führen sein. Für den Zugang zur Maschine bei Stromausfall wird dagegen häufig ein Arbeitsstromprinzip gewählt. Der Zugang ist aber auch mit einer Notentsperrung bei einem Ruhestromprinzip gewährleistet.

Wie im letzten Teil dieser Serie bereits angedeutet, steht es dem Konstrukteur im Prozessschutz völlig frei, welche Zuhaltungsart gewählt wird, da sie keine Sicherheitsfunktion darstellt. Die einzige Forderung der Norm ist, dass bei Zuhaltungen für den Prozessschutz die Sicherheit der Verriegelungseinrichtung nicht beeinträchtigt werden darf.

Ausschnitt aus dem Ablaufdiagramm zur Auswahl einer Zuhalteeinrichtung
Abb. 1: Der die Bestimmung der notwendigen Zuhaltekraft sowie die Auswahl einer zusätzlichen Entsperrung betreffende Teil des Ablaufdiagramms zur Auswahl einer Verriegelung mit oder ohne Zuhaltung. Das gesamte Ablaufdiagramm zeigt Abb. 2.
Bild: Euchner

Benötigte Zuhaltekraft

Für jede Zuhaltung muss laut Norm die Zuhaltekraft FZh angegeben werden. Für die unterschiedlichen Arten von Türen gibt es Sicherheitsschalter mit einer Zuhaltekraft von 500 bis über 5000 N. Welche Kraft an der jeweiligen Schutztür auftritt, kann nur der Konstrukteur einer Maschine bestimmen. Im Anhang I der Norm wird dafür eine Tabelle mit statischen Kräften, die ein Mensch in verschiedenen Situationen aufbringen kann, angeführt. Es ist zu beachten, dass diese Kraft sehr häufig durch Hebelwirkung deutlich erhöht werden kann. Darüber hinaus gibt es sehr viele kleine Schutztüren, bei denen niedrigere Kräfte auftreten. Den tatsächlich auftretenden statischen Kräften muss eine Zuhaltung standhalten können.

In einem eigenen Abschnitt der EN ISO 14119 werden darüber hinaus auch dynamische Kräfte aufgeführt. Sie entstehen, wenn beim Schließen der Schutztüre der Zuhaltebolzen automatisch einrastet. Beim Zurückprallen der Tür nimmt die Zuhaltung dabei die gesamte Kraft auf, was grundsätzlich vermieden werden muss. Einfach gelöst werden kann eine solche Situation, indem die Zuhaltung erst angesteuert wird, sobald die Schutztür geschlossen ist.

Fazit

Produkte von Euchner erfüllen bereits die meisten Anforderungen, welche die Norm an optionale Entriegelungen stellt. Einige wenige Anforderungen, wie beispielsweise die korrekte Anbringung, müssen allerdings durch den Maschinenbauer selbst erfüllt werden. (ik)

Ablaufdiagramm zur Auswahl einer Verriegelungseinrichtung
Abb. 2: Auswahl einer Verriegelung mit oder ohne Zuhaltung
Bild: Euchner

www.euchner.de


Hintergrund: Sicherheitstechnik für Maschinen

Zusammen mit dem Normenexperten Jens Rothenburg von Euchner wollen wir Ihnen im Rahmen dieser Serie zum praktischen Umgang mit Normen in der Sicherheitstechnik für Maschinen in Form von kompakten Beiträgen die einzelnen Phasen der Entwicklung der Sicherheitstechnik einer Maschine näherbringen.

Die Serie „Sicherheitstechnik für Maschinen“ besteht aus den folgenden Teilen:

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