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Uneingeschränkt beweglich in 4000 m Wassertiefe

Meeresboden-Bohrgerät
Uneingeschränkt beweglich in 4000 m Wassertiefe

Dass eine Energiekette 4000 m unter Wasser arbeitet, ist ebenso ungewöhnlich wie das Gerät, in dem diese Kette zum Einsatz kommt. Das ferngesteuerte Unterwasser-Bohrgerät MeBo 200 ist in der Lage, auf dem Meeresgrund 200 m tiefe Bohrungen einzubringen. Konstruiert wurde es in enger Zusammenarbeit des Tiefbohr-Spezialisten Bauer Maschinen GmbH mit dem Forschungsinstitut Marum.

Der Autor: Harry Suckau, Branchenmanager Baumaschinen, Igus, Unterschleißheim

Auf dem Meeresgrund, so sollte man meinen, ist immer ausreichend Platz für ein Unterwasser-Bohrgerät. Schließlich sind rund zwei Drittel der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt. Dennoch musste das neue Meeresboden-Bohrgerät MeBo 200 des Bremer Forschungsinstitutes Marum (Zentrum für Maritime Umweltwissenschaften) besonders kompakt und leicht ausgeführt werden. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens sollte das Gerät in einen Transportrahmen eingebaut werden, der so groß ist wie ein 20“-Container, damit es weltweit einfach und kostengünstig transportiert werden kann. Zweitens ist das Gewicht des MeBo 200 auf rund 10 t begrenzt, weil die Krankapazitäten auf Schiffen meist relativ begrenzt sind.
Tiefbohrung in doppeltem Sinn: 200 m in 4000 m Tiefe
Kompakt und leicht musste das Meeresboden-Bohrgerät also sein – das war eine wichtige Vorgabe für die Bauer Maschinen GmbH, die das MeBo 200 entwickelte. Zugleich sollte es aber in der Lage sein, in Tiefen von weit über 4000 m hinabzutauchen und 200 m lange Bohrkerne aus dem Meeresboden zu entnehmen.
Als Spezialist für Bohrtechnik verfügt Bauer über das nötige Know-how, um solche Spezialaufgaben zu lösen, zumal es in der Unternehmensgruppe einen Geschäftsbereich „Maritime Technologies“ gibt, der u. a. Bohrsysteme für Pfahlgründungen unter Wasser und für die Verankerung von Offshore-Windparks baut.
Ultrakompaktes Handling-System
Dennoch war dieses Projekt eine besondere Herausforderung. Stefan Finkenzeller, Leiter Entwicklung und Konstruktion Maritime Technologien bei Bauer: „In 4000 Metern Meerestiefe herrscht ein Umgebungsdruck von rund 400 bar. Außerdem müssen alle Funktionen zuverlässig ferngesteuert werden. Es darf unter Wasser nicht zu Ausfällen kommen und es mussten 200 Meter Bohrgestänge inklusive Handlingeinheiten und Bohrsystem auf einer Grundfläche von rund 2,30 Metern x 2,30 Metern untergebracht werden.“
Warum benötigt man ein solches Bohrgerät? Die Erdschichten unter dem Meeresboden sind noch weitgehend unerforscht. Sie beherbergen nicht nur Bodenschätze, sondern erlauben auch einen Blick in die Erdgeschichte. Traditionell verwendet man Bohrschiffe für diese Aufgabe. Ihre Mietkosten sind aber sehr hoch und ihr Bohrgestänge muss erst einmal die Distanz von der Meeresoberfläche bis zum Grund überwinden. Das MeBo 200 hingegen startet den Bohrvorgang erst, wenn es am Grund aufgesetzt hat.
Energieketten arbeiten unter Extrembedingungen
Zu den Kernkomponenten des MeBo 200 gehört die Handlingeinheit, die die einzelnen Bohrgestänge aus dem Magazin entnimmt und dem eigentlichen Bohrsystem zuführt. Dabei ist auf engem Raum Beweglichkeit in mehreren Achsen gefordert – auch von den Leitungen. Deshalb kommen in dem Gestänge-Handlingsystem drei Energieketten aus dem Igus-Programm zum Einsatz.
An der Vertikalachse der Greifeinheit ist eine Energiekette vom Typ E4.42 montiert. Da die gesamte Achse zusätzlich eine Drehbewegung ausführt, kommt am Fuß der Achse eine E4.32-Kette in RBR-Ausführung für kreisförmige Bewegungen zum Einsatz. Bei einer dritten Kette aus dem E4-Programm hat Igus eine Sonderkonstruktion realisiert. Diese Kette mit 100 mm Breite und einem Verfahrweg von 4,50 m verfährt zweiachsig auf eng begrenztem Raum: Sie ist schräg zur Umgebungskonstruktion angeordnet, und ihr Mitnehmer ist sowohl in der Längsachse als auch quer verschiebbar. So lässt sich auf dem zur Verfügung stehenden Bauraum die gewünschte Zuführung der Leitungen mit Hydraulikflüssigkeit, elektrischem Strom und Signalen gewährleisten. Spezielle Führungskanäle sorgen für die exakte Führung der Kette in dieser ungewöhnlichen 45°-Position.
Sondermaterial für Unterwassereinsatz
Die Energieketten wurden aus dem Sondermaterial EG gefertigt, denn der Unterwassereinsatz stellt besondere Anforderungen an den Hochleistungskunststoff: Er muss unter dem hohen Umgebungsdruck seine Formstabilität behalten und darf weder quellen noch ausgasen. Extreme Korrosionsbeständigkeit ist selbstverständlich, ebenso ein störungsfreier Betrieb. Denn Unterbrechungen und Störungen gefährden das Forschungsergebnis und erhöhen die Kosten enorm.
Außer den drei Energieketten samt Zubehör kommen im MeBo 200 auch mehrere Gleitlager und Rundtischlager aus dem Igus-Programm zum Einsatz. Die PRT-Rundtischlager stützen die Drehbewegung der vertikalen Handlingachse ab und nutzen dabei die bewährten Hochleistungswerkstoffe aus dem Iglidur-Programm. Diese Lager unterliegen hier den gleichen widrigen Bedingungen wie die Energieketten – mit hohem Druck, Salzwasser und Verschmutzungsrückständen wie Bohrklein.
Die Funktionen des MeBo 200 werden von einem Kontrollcontainer an Deck des Forschungsschiffes aus gesteuert. Nach abgeschlossener Bohrung wird das Gerät am Zugseil, in das die LWL-Signalleitungen integriert sind, wieder an Deck gezogen und die magazinierten Bohrproben, die Auskunft über 200 m Gesteinstiefe geben, können ausgewertet werden.
Interesse an Forschungsergebnissen und am Bohrgerät
Das Bauer-Team der „Maritime Technologies“ hat bei der Entwicklung des Bohrgerätes eng mit den Experten des Marum zusammengearbeitet. Inzwischen hat das MeBo 200 bereits seine erste Probeforschungsreise unternommen: Vom Bord des neuen Forschungsschiffs Sonne aus wurde eine Probebohrung in der Nähe von Helgoland vorgenommen. Dabei kam auch das besondere Aussetzsystem Lars zum Einsatz. Damit wird die Vorrichtung bezeichnet, die auf Deck befestigt wird und das MeBo 200 sanft ins Meer gleiten lässt. Dieses System ist ebenfalls mit Energieketten von Igus bestückt.
Die Forscher freuen sich darauf, bei den ersten Reisen im Frühjahr 2016 weiteren Aufschluss über die Beschaffenheit der Schichten unter dem Meeresgrund zu erhalten. Und Bauer ist zuversichtlich, das bei der Entwicklung des Bohrgerätes gewonnene Know-how weiter nutzen zu können, auch wenn es sich beim MeBo 200 um eine Sonderkonstruktion handelt. Finkenzeller: „Bei anderen Kunden ist durchaus Interesse an derartigen Spezialbohrgeräten vorhanden – für die Vorbereitung von Explorationen und für Forschungszwecke.“ I
Halle 17, Stand H04

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