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Thermochrome Beschichtungen: Temperaturmessungen leicht gemacht

Thermochrome Beschichtungen
Temperaturmessen bei Dichtungen leicht gemacht

Thermochrome Beschichtungen machen Temperaturschwankungen über Farbveränderungen sichtbar. Doch das Prinzip, das hinter Spielereien wie Zaubertassen steckt, eignet sich genauso, um die Temperaturbelastung von schwer zugänglichen Dichtungen zu ermitteln.

Der Autor: Dr. Boris Traber, Advanced Material Development, Freudenberg Sealing Technologies, Weinheim

Thermochrome Beschichtungen begegnen jedem von uns – er hat es bloß vielleicht nicht registriert. Schon eher erinnert er sich an die Zaubertasse, die wie aus dem Nichts ein Motiv erscheinen lässt, sobald heißes Wasser einfließt, oder an Stimmungsringe, die anhand der Farbe die Laune ihres Trägers oder ihrer Trägerin verraten sollen. Möglich gemacht haben diese Effekte Beschichtungen mit chromophoren Pigmenten, die auf Temperaturveränderungen reagieren, indem sie die Farbe wechseln. Ein Prinzip, das sich auch in der Industrie nutzen lässt – beispielsweise, um thermische Belastungen darzustellen, denen Dichtungen ausgesetzt sind.
„Bei Dichtungen aus Elastomeren hängen sowohl die Funktionsfähigkeit als auch die Langzeitaussage über die Haltbarkeit der Dichtung stark von der Temperatur ab, die auf sie einwirkt“, erklärt Dr. Ernst Osen, der beim Weinheimer Dichtungsspezialisten Freudenberg Sealing Technologies global für die Werkstoffentwicklung zuständig ist. Doch nicht in jeder Einbausituation lässt sich ein Sensor oder eine Wärmebildkamera anbringen. In geschlossenen Systemen wie Motoren oder Kühlgasanlagen kann alternativ eine Farbfläche, die auf eine Dichtung aufgetragen wird, die nötigen Informationen liefern: thermochrome Beschichtungen.
Bestimmte Farbe entspricht einem Temperaturbereich
„Die Sensierung findet statt, indem eine bestimmte Farbe einem Temperaturbereich entspricht, erläutert Osen. „Sobald ein Maximalwert erreicht ist, verändert sich die Farbe, entsprechend kalibriert zum Temperaturbereich.“ In Weinheim lassen sich die Wärme- oder Kältegrade schließlich über ein optisches Gerät ermitteln. Denn anders als die Kaffeetasse ändert die Lackverbindung ihre Farbe nicht noch einmal, wenn sie ihren Zweck – die Visualisierung der Maximalwerte – erfüllt hat. Eine irreversible Farbveränderung.
Ein Anwender brauchte z. B. eine Temperaturempfehlung für eine Membran, konnte aber nicht sagen, welche Temperatur an der Dichtung anliegt, da in der Nähe ein wärmeabstrahlendes Bauteil war. Also schickte Freudenberg thermochrom beschichtete Bauteile zu, der Kunde prüfte die Bauteile an seinem Prüfstand unter Betriebsbedingungen und Freudenberg analysierte die am Bauteil aufgetretenen Maximaltemperaturen.
Die Idee der thermochromen Beschichtungen hat sich bei Freudenberg ergeben, als man sich mit dem Thema Smart Materials beschäftigte. „Unsere Frage war: Wie können wir einer Dichtung, deren Hauptfunktion ja das Abdichten ist, noch weitere Informationen abringen?“, erklärt Osen. Neben Materialien, die Drehzahlen bestimmen oder Ströme messen können, bot sich das Temperaturmessen schon aus ökonomischer Perspektive als Lösung an.
„Wir grenzen das Material, das unsere Kunden verwenden, damit einfach besser ein – und können so viel zielgenauere Werkstoff-Empfehlungen aussprechen.“, sagt Osen. Denn in Bereichen, in denen die Maximaltemperatur bisher nicht ermittelt werden konnte oder schlicht nicht bekannt war, glich die Auswahl des richtigen Materials einem Lotteriespiel. Im Bereich von 100 bis 300 °C lässt sich die Maximaltemperatur nun auf 10 °C genau bestimmen.
Zwei Jahre brauchte die Entwicklung mit Screening, Machbarkeits- und Kalibrierungsstudien. Der Fokus lag dabei, wie es bei einem Dichtungshersteller vermutet werden darf, auf Elastomeren. „Aber die Beschichtungen an sich sind haftfähig und können auch auf andere Oberflächen wie PTFE oder Thermoplaste aufgetragen werden“, erklärt Osen. Nur im Kontakt zu ölhaltigen Medien hat sich die Beschichtung in manchen Temperaturbereichen als etwas problematisch herausgestellt. An diesem Thema wird in Weinheim noch gearbeitet.
Einsatz dort, wo hohe Temperaturen eine Rolle spielen
Noch befindet sich die Entwicklung in einem frühen Stadium. Auf der Hannover Messe wurde sie jetzt zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Diskutiert wurde sie bisher vor allem mit Kunden aus der Automobilindustrie, aber auch mit einem Sportboothersteller wurden Vorversuche unternommen. Doch bei diesen eingeschränkten Branchenfeldern muss es nicht bleiben. Denkbar ist ein Einsatz überall dort, wo hohe Temperaturen eine Rolle spielen.
Und auch bei den Materialien, auf die thermochrome Beschichtungen aufgetragen werden, sind viele Erweiterungen denkbar: Kunststoffe, PTFE, Polyurethane oder thermoplastische Elastomere. „Unser Ziel ist es, das Thema erst einmal weit auszurollen, alle möglichen Werkstoffe zu berücksichtigen und dann auf Anfragen von Kunden eine Anwendung zu haben“, erklärt Osen. I

Info & Kontakt

Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG
Dr. Boris Traber
Advanced Material Development
Tel.: 06201 80-3339
Die Werkstoff‧entwicklung ist die Basis für maßgeschneiderte Dichtungslösungen
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