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MRK nur sinnvoll bei passendem Prozess

Menschen und Roboter
MRK nur sinnvoll bei passendem Prozess

Roboter können so sicher gemacht werden, dass sie mit Menschen zusammenarbeiten können. Das bedeutet aber nicht, dass das auch in jedem Prozess wirtschaftlich sinnvoll ist. Der unabhängige Systemintegrator Faude erklärt anhand einiger Punkte, wie man relevante MRK-Arbeitsplätze detektieren und realisieren kann.

Paul Kho, freier Redakeur in Ottenhofen für Faude

Sind Unternehmen an Lösungen zur Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) interessiert, sollte immer auch die Frage gestellt werden, ob sich der Einsatz in der Montage lohnt. Mit Blick auf die Übernahme von körperlich belastenden sowie monotonen Arbeiten muss immer auch die passende wirtschaftliche Lösung gesucht werden. Wichtig ist es, die Potenziale systematisch zu prüfen und zu bewerten. Dabei spielt eine Rolle, wie schnell sich solch eine Lösung integrieren lässt und wann sie sich amortisiert. Einen wichtigen Einfluss haben – gerade mit Blick auf erforderliche Schutzmaßnahmen – auch Normen, Vorschriften und Verordnungen.
Häufig bremst der Mensch beispielsweise den eigentlich sehr schnellen Roboter mit etwa 200 Picks/min völlig aus. Daher genügt es nicht, allein die Arbeitsplätze zu betrachten – auch die passenden Prozesse spielen eine Rolle. Die MRK lässt sich nur dann sinnvoll in die Produktion integrieren, wenn neben ergonomischen Aspekten letztlich auch Fragen der Materialbereitstellung, der Beschaffenheit des Bauteils oder auch des Arbeitszeitmodells betrachtet werden.
Sicherheit muss gewährleistet sein
Spricht alles für den Einsatz der MRK, sind vorrangig Fragen rund um die Sicherheit des Einsatzes zu klären. In der DIN EN ISO 10218 ‚Industrieroboter – Sicherheitsanforderungen‘ Teil 1 und 2 aus dem Jahr 2012 sind die vier Schutzprinzipien im Zusammenhang mit dem Einsatz der MRK verankert:
  • sicherheitsgerichteter und überwachter Stillstand
  • Handführung
  • Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung
  • Leistungs- und Kraftbegrenzung
Beim Einsatz von kollaborierenden Robotern muss sichergestellt werden, dass die Menschen, die mit den Robotern zusammenarbeiten, so gut wie möglich vor Kollisionen geschützt werden. Entsprechende Messungen zeigen, wo die Gefahren liegen. Um sie entsprechend zu reduzieren, kann es nötig sein, dass ein Roboter nicht mit Einsatz seiner vollen Kraft oder Geschwindigkeit arbeitet. Zum Schutz vor Kollisionen sind die Geräte zudem mit kapazitiven oder taktilen Sensoren sowie teilweise mit Schaumstoffpolstern auszustatten.
Da der sichere Betrieb von Leichtbaurobotern und die MRK seit 2010 Schwerpunkte von Faude als neutralem Systemintegrator sind, wurde eine Checkliste entwickelt, die MRK-Anwendungsfälle systematisch identifiziert, analysiert und auch bewertet. Neben der Tauglichkeit der MRK für den geplanten Einsatz werden auf diese Weise auch die Montageplanung und -realisierung sowie die unerlässliche Perspektive zur Maschinen- und Arbeitssicherheit hinterfragt. Die wichtigsten Aspekte sind:
  • Es ist immer die gesamte Applikation zu betrachten (Prozess, Spanner, Greiftechnik, Roboter), nicht nur der Roboter allein.
  • Die Sicherheitsfunktionen sind entsprechend den ermittelten Anforderungen mit geeigneten Komponenten umzusetzen.
  • Eine komplette Risikobeurteilung ist erst in der Arbeitsumgebung möglich.
  • Die Geräte müssen einfehlersicher sein sowie Performance Level d und Kategorie 3 erfüllen. Sie brauchen als Schutzmaßnahme auf jeden Fall einen Not-Halt und einen 3-stufigen Zustimmschalter.
  • Es muss praktisch bei jeder neuen Anwendung eine neue CE-Erklärung ausgestellt werden.
  • In einer Risikobeurteilung wird betrachtet, dass bei bestimmungsgemäßer Anwendung keine Kollisionen mit Hals und Kopf und kein Einklemmen möglich sind.
  • Die nötigen Sicherheitsabstände müssen platzseitig im Betrieb gegeben sein.
„Es ist immens wichtig, dass die Risikobewertung als Basis für die Erfüllung der Maschinensicherheit und auch für die CE-Kennzeichung der Anlage gilt“, betont Faude-Geschäftsführer Dirk Thamm. Bei der Ausarbeitung müsse zudem auf typisches Verhalten von Bedienern eingegangen werden, weshalb Mitarbeiter-Schulungen sehr wichtig seien. Zu unterscheiden sind dabei auch Bediener und Instandhalter der Anlagen.
„Im Arbeitsprozess existiert zudem eine beträchtliche Gefährdung durch die Überbrückung von Sicherheitseinrichtungen“, so Thamm weiter. „Rein technisch gesehen genügt es deswegen für die Einhaltung der Roboternorm 10218-1 nicht, nur den Zustimmschalter zu berücksichtigen, sondern man muss auch die Manipulationssicherheit beachten.“
Greifer für kollaborierenden Betrieb
Eine wichtige Rolle spielen übrigens auch die zum Einsatz kommenden Greifer. Faude bietet hier unter anderem modulare Greifer-Systemlösungen, die für den kollaborierenden Betrieb entsprechend der Anwendung angepasst werden können. Bei Kontakt mit dem Anwender setzt der Greifer den Roboter sicher still, ohne den Bediener zu verletzen. Eingesetzt wird hier ein sphärisches Luftlager das bei Kollision in allen Richtungen nachgiebig ist und den Roboter sofort stoppt. Verzichtet wird auf Pneumatik-Schläuche zwischen den Greifereinheiten – alle Leitungen sind im System integriert und behindern auf diese Weise nicht die Sensibilität der stufenlos einstellbaren Auslösekraft.
Solch ein kollaborierendes Greifersystem baut durch Kunststoffeinsatz sehr leicht. Die Greiferbacken werden über Federkraft geöffnet – was wiederum weniger Medienführung und Luftverbrauch erfordert. Die austauschbaren Einzelmodule sind dabei so gestaltet, dass sie leicht und dennoch verschleißfest sind.
Vorbereitung auf Losgröße 1
In der Fabrik der Zukunft werden intelligente Betriebsmittel die adaptive Produktion bestimmen. Sie kommunizieren mit dem Produkt und sollen den Herstellungsprozess selbstständig steuern. Das bedeutet, dass bei Industrie 4.0 das zu fertigende Produkt nur ganz grob bezüglich seiner Einzelteile, seiner Fügefolgen und Fügeprozesse definiert werden kann. Im Rückschluss führt das zu einer extrem hohen Adaptionsfähigkeit der Betriebsmittel – und damit kommt dem Industrieroboter eine ganz neue Funktion und Aufgabe zu: Er muss den flexiblen Materialfluss innerhalb des Produktionsprozesses steuern und stationäre Ablagen- und Werkzeug-Technik ersetzen. Damit fällt dann auch eine mobile Teilezuführung in das Aufgabengebiet der Industrierobotik.
In der Montage müssen zudem die Industrieroboter die Fügeprozesse variabel und ortsflexibel zur Verfügung stellen. „Innerhalb eines hochindividualisierten Produktionsablaufes sind das völlig neue Aufgaben, in denen die Mensch-Roboter-Kollaboration eine zentrale Rolle spielen wird“, ist der Faude-Chef überzeugt. „Statischer Materialfluss und feste Fügefolgen, die zentral gesteuert werden, gehören somit der Vergangenheit an.“
Gerade der vorherrschende Trend zu einer Losgröße 1 erfordert von der Produktion eine hohe Flexibilität, da deren Prozessstrukturen einer permanenten Veränderung unterliegen – sowohl hinsichtlich der Menschen als auch der Maschinen. „Um eine volatile Nachfrage über alle Produktionsstufen hinweg abfedern zu können, bedarf es einer Steuerung der Produktionseffizienz“, so Thamm abschließend. „Mit realen MRK-Applikationen bekommt man den nötigen Spielraum, der wandelbaren Fabrik personell und technologisch näher zu kommen.“ tm
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