Der Autor Dr. Uwe Wallner ist Leiter Werkstoffentwicklung Elastomere bei der Parker Hannifin Manufacturing Germany GmbH & Co. KG, Bietigheim-Bissingen
Inhaltsverzeichnis
1. Wie ändert sich die Quellneigung von Öl zu Öl?
2. Standardreferenzelastomer NBR 1 nach ISO 6072
3. Die Quellrate in den optimalen Bereich verschieben
4. Quellrate des Öls mithilfe quellender Ester anpassen
Steigende Rohstoffpreise und die Diskussion um die Erdölverknappung fördern die Entwicklung alternativer Schmierstoffe, sodass mittelfristig konventionelle Grundöle (Solvent-Raffinate) durch neue Grundöle der sogenannten API-Gruppen II und III und eventuell in Zukunft auch durch vollsynthetische GTL-Öle (Gas-to-Liquid, Öle aus dauerhaft verflüssigtem Erdgas) abgelöst werden. Diese neuen Öle stellen aufgrund der deutlich geringeren Quellneigung neue Anforderungen an die eingesetzten Dichtungswerkstoffe. Durch geeignete Rohstoffauswahl und Rezepturgestaltung haben die Werkstoffexperten von Parker-Prädifa Materialien mit optimierter Quellrate entwickelt, die diesen Anforderungen gerecht werden.
Wie ändert sich die Quellneigung von Öl zu Öl?
Bedingt durch den geänderten Aufbau der vollsynthetischen Öle auf Basis Hydrocrack oder GTL ändert sich auch das Verhalten zu Dichtungswerkstoffen. Die Quellneigung nimmt von paraffinischen über naphthenische zu aromatischen Grundölen deutlich zu. Neue synthetische Öle besitzen deutlich höhere naphthenische und vor allem paraffinische Anteile und sind praktisch aromatenfrei, sodass die Quellneigung dieser Öle deutlich abnimmt.
Standardreferenzelastomer NBR 1 nach ISO 6072
Die Auswirkung der veränderten Quellrate lässt sich gut mithilfe des Standardreferenzelastomeren NBR 1 nach ISO 6072 nachvollziehen. Im Unterschied zu Gebrauchselastomeren enthält das Standardreferenzelastomer NBR 1 keine extrahierbaren Bestandteile. Auch wird Peroxid als Vernetzer eingesetzt, um Nebenreaktionen durch Umlagerungen von Schwefelbrücken oder Nachvernetzung bei schwefelvernetzten Werkstoffen zu vermeiden. Somit lässt sich die Auswirkung des Öls auf die NBR-Matrix studieren, ohne Überlagerung von Extraktionsvorgängen oder Veränderungen im Netzwerk.
Der richtige NBR-Werkstoff wird unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Gesichtspunkten ausgewählt. Wichtige Kriterien sind chemische Verträglichkeit, Quellrate und Tieftemperatureigenschaften. Diese Kriterien werden direkt durch den Acrylnitrilgehalt (ACN) beeinflusst. Je höher der ACN-Gehalt, desto niedriger sind die Quellraten, desto schlechter ist aber leider auch die Tieftemperatureignung. Daher muss ein geeigneter Kompromiss gefunden werden, der die Tieftemperaturanforderungen und die Quellrate des verwendeten Öls optimal verbindet. Machbar ist dies durch ein Zusammenspiel von ACN- und Weichmachergehalt.
Die Quellrate in den optimalen Bereich verschieben
Welche Quellrate toleriert werden kann, hängt von der Anwendung ab. Der Richtwert für dynamische Dichtungen liegt bei 0 bis 7 %. Akzeptable Quellraten für statische Dichtungen können diesen Richtwert deutlich überschreiten.
Gängige Mineralöle vom Typ HLP 46 (zinkhaltig) quellen NBR 1 um etwa 5 bis 11 %. Ein geeignetes Gebrauchselastomer für dynamische Dichtungen sollte daher in diesem VAI-Bereich (Volumenänderungsindex) eine Quellrate von etwa 0 bis 5 % erreichen. Anders als bei Gruppe-I-Ölen liegt die Quellrate von NBR 1 (VAI) bei Gruppe-III-Ölen bei 1 bis 2 %. Dies bedeutet, dass Gebrauchswerkstoffe, die in Gruppe-I-Ölen leichte Quellung zeigten, mit diesen Grundölen zum Schrumpfen neigen. Dies kann im schlimmsten Fall zu Leckage und Funktionsausfall führen.
Um die Auswirkungen eines Gruppe-III-Öls auf Gebrauchselastomere darzustellen, wurde ein Versuchsöl der Firma Fuchs Europe Schmierstoffe mit der Bezeichnung B15 III A ausgewählt. Dieses Öl zeigt keinen chemischen Angriff auf die NBR-1-Matrix, bei einer Volumenänderung VAI von 1,2 %.
Standard NBR-Werkstoffe, zum Beispiel der Parker-Werkstoff N3571-70, die bei Gruppe-I-Ölen eine moderate Quellung von < 5 % zeigen und damit im optimalen Bereich liegen, schrumpfen im Gruppe-III-Öl um mehr als 5 %. Auch hier das Beispiel N3571-70 mit einer Volumenänderung von -6,8 %. Bei dieser Werkstoff-Öl-Kombina- tion könnte es daher zu Leckageproblemen kommen.
Durch optimale Rohstoffauswahl und Rezepturgestaltung kann die Quellrate des Werkstoffs wieder in den optimalen Bereich verschoben werden, was im Folgenden am NBR-Werkstoff N9143- 70 gezeigt werden kann.
Legt man folgende Richtwerte für die Verträglichkeit zugrunde:
- 0 bis +5 % – sehr gut
- -1 bis +10 % – gut
so lässt sich N9143 für Öle mit einem VAI bis 6 gut einsetzen. Dies bedeutet eine sehr gute Eignung für Typ-III-Öle, was die Quellrate von +2 % im genannten Öl Fuchs B15 III A beweist. Mithilfe einer geeigneten Werkstoffrezeptur lassen sich auch Öle mit einer sehr geringen Quellrate gut beherrschen.
Quellrate des Öls mithilfe quellender Ester anpassen
Um eine Verträglichkeit mit den bestehenden Werkstoffen herzustellen, gibt es auch die Möglichkeit, die Quellrate des Öls mithilfe quellender Ester anzupassen. Für NBR-Werkstoffe ist dies ein probates Mittel. Allerdings werden in der Hydraulik nicht nur NBR- und HNBR-Werkstoffe eingesetzt. Einen erheblichen Anteil als Dichtungswerkstoff haben die Polyurethane. Bei Standardwerkstoffen kann es jedoch zu Abbaurektionen kommen, die die Lebensdauer der Dichtung negativ beeinflussen. Für diesen Einsatzfall bietet Parker spezielle hydrolysestabilisierte Varianten an, die mit synthetischen Estern eingesetzt werden können.
Parker Hannifin;
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