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Alternativen zum metallenen Kugellager

Kugel- und Gelenklager
Alternativen zum metallenen Kugellager

Rotieren, schwenken und verdrehen ohne Probleme: Kugel- und Gelenklager aus Hochleistungspolymeren ermöglichen einen wartungsfreien Trockenlauf und ein langes Anlagenleben. Insbesondere der Entfall des Schmierens entlastet auch die Umwelt.

Gerhard Baus, Geschäftsführer drytech New Businesses, igus GmbH, Köln

Inhaltsverzeichnis

1. Hochleistungspolymere für ein langes Anlagenleben
2. Breites Anwendungspotential
3. Zwei-Komponenten- und ECO-Kugellager
4. Konstruktionsfreiheit mit schmierfreien Gelenklagern
5. Lebensmittelsicherheit im Fokus
6. Über Millionen von Zyklen getestet
7. Nachgefragt: „Je größer das Problem, desto einfacher für uns“

Kugel- oder Gelenklager sind aus dem Maschinen- und Anlagenbau nicht mehr wegzudenken. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo Rotations- und Schwenkbewegungen sowie Verdrehungen um alle Achsen gefragt sind. Von Getränkeabfüllanlagen über Hängefördertechnik bis hin zu Fahrrädern. Doch klassische Kugel- und Gelenklager aus Metall stoßen dabei oftmals an ihre Grenzen. Allein das regelmäßige Schmieren, um die Lager überhaupt beweglich zu halten, sorgt für hohen Wartungsaufwand. Die Alternative: Schmierfreie, verschleißfeste und wartungsarme Kugel- und Gelenklager aus Hochleistungskunststoffen (motion plastics). Diese Hochleistungspolymere sind tribologisch entwickelt – sprich auf geringere Reibung und damit niedrigeren Verschleiß optimiert – und kommen bereits in den beiden größten und ältesten Geschäftsbereichen von igus zum Einsatz, der Gleitlagertechnik und Energiekettensystemen.

Aufgrund der steigenden Nachfrage und dem Anspruch, für jedes Kundenproblem eine passende Lösung zu finden, hat igus jedoch im Laufe der Jahre zunehmend in interne Start-ups investiert und so neue, stetig wachsende Geschäftsbereiche aufgebaut (siehe Interview folgend). Dazu gehören etwa xiros-Kugellager oder selbsteinstellende igubal-Gelenklager. Kunden haben so eine noch breitere Auswahl an Lösungen für Anwendungen, wo Bewegungen um alle Achsen gefragt sind.

Hochleistungspolymere für ein langes Anlagenleben

Für anspruchsvolle Umgebungen und ein langes Anlagenleben werden Kugel- und Gelenklager aus Hochleistungskunststoffen angeboten. Allerdings scheuen viele Anlagenbetreiber den Umstieg von klassischen Metalllagern auf Kunststofflager. Zu umständlich erscheint die Umrüstung. Dabei bieten Kunststofflager zahlreiche Vorteile. Die Hochleistungspolymere sind nicht nur auf Reibung und Verschleiß optimiert und dadurch besonders langlebig, sondern sie sind gleichzeitig deutlich leichter als Lösungen aus Metall. Zudem ermöglichen sie einen geräuscharmen Lauf und sind darüber hinaus korrosionsfrei.

Kunststoffe bringen Nachhaltigkeit voran

Ein entscheidender Nachteil von metallenen Lagern ist vor allem das permanent erforderliche Schmieren. Das kostet nicht nur wertvolle Zeit und Geld, sondern belastet durch Verdunstung, Verbrennung und Leckagen die Umwelt. Eine weitere unerwünschte Konsequenz: Maschinenelemente sind oftmals empfindlich gegenüber Verschmutzungen, die am Schmiermittel gebunden werden. Vorzeitiger Verschleiß ist somit nicht auszuschließen. Dank inkorporierter Festschmierstoffe benötigen motion plastics keinerlei externe Schmiermittel und sorgen damit nicht nur für einen störungsfreien Trockenlauf, sondern sie schonen auch die Umwelt.

Breites Anwendungspotential

Die Kugel- und Gelenklager aus Tribo-Polymeren sind das Ergebnis intensiver Forschungen und zahlreicher Versuche im hauseigenen Testlabor. Zur xiros-Serie gehören unter anderem Rillen-, Axial-, Flansch- und Stehkugellager. Innen- und Außenring bestehen aus dem Hochleistungskunststoff xirodur, der Käfig aus Polyamid, die Kugeln aus Glas, Kunststoff oder Edelstahl. Ebenfalls zum Programm gehören weitere Bauformen wie Tragrollen oder Pendelkugellager.

Die Besonderheit: Materialforscher passen die Basispolymere auf unterschiedlichste Anforderungen hin an. So überstehen die Kugellager Temperaturen von -100 bis +150 °C. In der Medizintechnik, etwa in Patientenliegen, die sich in der Nähe von Magnetresonanztomographen befinden und keine magnetischen Teile enthalten dürfen, kommen zum Beispiel spezielle Kugellager mit Glaskugeln zum Einsatz. Und auch für ein effizientes Material-Handling in der Hängefördertechnik sind die Kugellager bestens geeignet. Sie sind leicht, beanspruchen geringen Bauraum und bieten auf diese Weise ein breites Anwendungspotential.

Zwei-Komponenten- und ECO-Kugellager

„Das mechanische Prinzip des Kugellagers ist zeitlos“, sagt Oliver Kreutz, Produktmanager xiros-Kugellager. „Und dank unserer Polymerforschung und neuen Materialkombinationen ist es möglich, die altbewährte Technik mit modernen Branchenanforderungen in Einklang zu bringen – jedes Jahr entstehen so zahlreiche Produktinnovationen, allein 2022 waren es 178.“ Dazu gehört auch ein neuartiges Zwei-Komponenten-Kugellager, welches durch das Zusammenspiel aus Design und Material unterschiedlichste Eigenschaften vereint. Es ist nicht nur verschleißfest, sondern bleibt selbst bei hohen Geschwindigkeiten formstabil und gleichzeitig leise. Das Außenmaterial sorgt für Stabilität und das verschleißfeste Innenmaterial wirkt vibrationsdämpfend. Die Kugeln laufen bei der Drehbewegung stets auf dem weichen Hochleistungskunststoff und werden dabei durch die Schale gestützt. Das Design mit Hinterschnitten gewährleistet zudem eine hohe Sicherheit bei der Verbindung der Materialien.

Igus macht CO2-Fußabdruck seiner schmierfreien Tribo-Gleitlager transparent

Zudem verfolgt igus eine nachhaltige Kunststoffproduktion und hat daher eine Recyclingvariante des bewährten xiros-Rillenkugellagers entwickelt. Verwendet wird dafür Regranulat des Hochleistungskunststoffs xirodur B180. Fehlteile und Angüsse sind in der Spritzgussproduktion oft unvermeidlich und können so sinnvoll wiederverwertet werden. Die neue ECO-Variante ist aus vier Komponenten gefertigt: Die Innen- und Außenringe bestehen aus wiederaufbereitetem xirodur B180 ECO, der Käfig aus recyceltem Material iglidur J4, die Kugeln wahlweise aus Edelstahl oder Glas. „Und unser Testlabor beweist: Die Recyclingvariante des Kugellagers erreicht nahezu die gleichen technischen Eigenschaften und Belastungsgrenzen wie das Original“, betont Marcus Semsroth, Leiter Geschäftsbereich xiros Kugellager.

Konstruktionsfreiheit mit schmierfreien Gelenklagern

Für Kunden, die das Plus an Konstruktionsfreiheit und wenig Wartungsaufwand suchen, lohnt bei Gelenklagern ein Blick zur Typenreihe igubal. Das vielfältige Sortiment an selbsteinstellenden Lagerelementen umfasst Gelenkköpfe, Gabelköpfe, Flanschlager, Gelenklager und Stehlager bestehend aus Gehäuse und Kalotte. Je nach Werkstoffauswahl eignen sich auch die igubal-Lager für verschiedenste Einsatzbereiche – indoor oder outdoor, über oder unter Wasser oder bei Extremtemperaturen. So sind sie zum Beispiel auch für den Einsatz in Segelbooten geeignet, da sie im Kontakt mit Salzwasser nicht korrodieren. Beliebt sind die igubal Gelenklager auch in der Fahrradbranche – zum Beispiel für die Lagerung der Lenkstange von Lastenfahrrädern. Denn sie sind langlebig, leicht, korrosions- und schmierfrei – was den Wartungsaufwand deutlich verringert.

Lebensmittelsicherheit im Fokus

Gelenksystem_igubal_Food_Contact_(FC)
Mit dem Gelenksystem igubal Food Contact (FC) adressiert igus mehr Sicherheit in der Lebensmittelindustrie.
Bild: igus

Im Bereich Lebensmittel bietet sich mit igubal Food Contact (FC) ein Gelenklagersystem an, das sowohl optisch als auch magnetisch detektierbar sowie FDA- und EU-10/2011-konform ist. Lebensmittelhersteller kämpfen immer wieder mit gefährlichen Verunreinigungen. Oft stammen winzige Splitter von gebrochenen Bauteilen der Verarbeitungsmaschinen. „Wir unterstützen Hersteller bei der Optimierung der Lebensmittelsicherheit, indem wir die das Gelenksystem igubal FC kontinuierlich weiterentwickeln“, sagt Dennis Steffen, Produktmanager igubal Gelenklager. „Unsere neueste Innovation ist dabei eine Kugelkalotte aus dem Werkstoff iglidur A181. Sie bewegt sich dank einer neuen Materialzusammensetzung auf Edelstahlwellen bis zu dreimal verschleißfester als die Vorgängerversion FC180. Gleichzeitig ist es gelungen, den Preis um 25 % zu senken.“ Das Gehäuse des Gelenksystems besteht aus igumid FC – einem robusten Hochleistungskunststoff, der beständig ist gegen Feuchtigkeit, Säuren, Laugen und UV-Strahlen. Dank der blauen Färbung lassen sich zudem Lebensmittelrückstände und Schimmelpilzsporen bei Reinigungskontrollen schnell erkennen. (co)

www.igus.de


Über Millionen von Zyklen getestet

Essenziell für Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten sind bei igus vor allem die Versuche im hauseigenen, 3.800 m2 großen Testlabor. Es ist nicht nur das flächenmäßig größte in der Branche, sondern auch das mit der höchsten Anzahl an Produkttests und Prüfverfahren. In jährlich über 15.000 Versuchen beweisen die Tribo-Polymere, wie robust und langlebig sie sind. Jeder Produktbereich hat dabei sein eigenes Labor.

Für größtmögliche Realitätsnähe testet igus auch Kundenanwendungen und führt Branchentests durch. Auf Basis der gesammelten Daten werden zudem seit 2001 innovative Online-Tools entwickelt. So können Kunden unter anderem die Lebensdauer eines Produkts mir nur wenigen Klicks online berechnen. Das ermöglicht eine hohe Transparenz und ermöglicht ihnen die kostengünstigste, funktionierende Lösung für ihr Problem zu finden.

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Im hauseigenen Testlabor werden die Kugel- und Gelenklager von igus auf Herz und Nieren geprüft.
Bild: igus

Online-Tools zur Abschätzung der Lebensdauer von Komponenten aus Hochleistungskunststoffen finden sich hier


Nachgefragt: „Je größer das Problem, desto einfacher für uns“

Die Einsatzbereiche technischer Kunststoffe nehmen beständig zu – bei igus selbst wächst deswegen die Zahl der Geschäftsbereiche. Wie es dem Unternehmen gelingt, neue Ideen zu entwickeln, fragten wir Gerhard Baus als Geschäftsführer drytech New Businesses.

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Gerhard Baus, Geschäftsführer drytech New Businesses, igus
Bild: igus

 

KEM Konstruktion: Wie gelingt es Ihnen, immer wieder neue Einsatzbereiche für technische Kunststoffe zu finden?

Gerhard Baus (igus): Neue Einsatzbereiche für unsere ‚motion plastics‘ finden vor allem unsere Kunden. In den täglich Hunderten von Kundengesprächen erfahren wir von ganz neuen Anforderungen. Das motiviert uns, diese mit unseren Kunststoffen zu erfüllen. Beinahe könnte man sagen: Je größer das Problem, desto einfacher für uns. Denn erstens unterstützt uns unser Kunde bei allen Details, da er selbst an der Lösung interessiert ist. Und zweitens können wir auf zigtausend Daten aus den Versuchen in unserem hauseigenen Labor zurückgreifen – das ist einmalig in der Industrie. Oft genug sind wir allein mit diesen Daten schon in der Lage, eine Lösung zu skizzieren. Unser Testlabor ist zudem mit zahlreichen Prüfständen ausgestattet, was es uns erlaubt, innerhalb von Stunden praxisnahe Tests durchzuführen und die Annahmen zu beweisen. Und nicht zuletzt ist es das umfangreiche Programm unserer Werkstoffe, das eine breite Palette von Leistungsmerkmalen bereithält, mit denen eine auf die Anforderung zugeschnittene Lösung oft ‚von der Stange‘ präsentiert werden kann.

KEM Konstruktion: Welche Möglichkeiten bieten sich Kunden, zusammen mit Ihnen nach neuen Lösungen zu suchen?

Baus: Dieses Thema ist besonders spannend. Wir entwickeln aktuell das ‚iguversum‘ – eine digitale Welt, die es uns ermöglicht, Vertrieb und Engineering in die virtuelle Realität zu bringen. Zukünftig werden im iguversum Produkte von igus als digitale Zwillinge erlebbar. Mit virtuellen Händen können Besucher dann etwa ein Gleitlager aus Hochleistungskunststoff drehen, groß und klein ziehen und im Detail betrachten. Dabei sitzen sie zusammen mit unseren Entwicklern und Verkäufern in einem virtuellen Raum.

„Mit dem ‚iguversum‘ können wir das Kommunikations-Ping-Pong mit Hilfe von Avataren im digitalen Raum durch eine Zusammenarbeit in Echtzeit ablösen.“

Das iguversum hat das Potential, die Zusammenarbeit zu revolutionieren, denn bei der Entwicklung von Sonderbauteilen entsteht oft ein Kommunikations-Ping-Pong. Im iguversum geht das künftig schneller und unkomplizierter, weil sich dort Vertriebler, Ingenieure und Kunden als Avatare im digitalen Raum treffen, um gemeinsam ganze Engineering-Projekte durchzuführen. Indikatoren wie Werkzeugkosten, Lieferzeit und Robustheit lassen sich so in der Entwicklung in Echtzeit anpassen.

KEM Konstruktion: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei der Suche nach neuen Tätigkeitsfeldern und speziell im Zusammenhang mit technischen Kunststoffen?

Baus: Es muss sorgfältiger mit Ressourcen umgegangen werden und Kunststoffe sind ein Teil des Problems. Dennoch wäre es falsch, in den Kunststoffen nicht auch die Vorteile zu sehen. Gerade am Beispiel eines kleinen Gleitlagers wird das deutlich: Zunächst einmal sparen wir Schmierstoffe ein, denn das Lager läuft auch ohne Öl oder Fett. Wir sparen darüber hinaus Gewicht im Vergleich zu metallenen Produkten und unsere Lager sind korrosionsbeständig. Die Bilanz ist also dadurch schon positiv.

Es wäre aber falsch, es dabei bewenden zu lassen. Wir müssen dahin kommen, dass Kunststoff eine wertvolle Ressource wird. Ein erster Schritt ist die Verwertung von recyceltem und regranuliertem Material. Wir haben auf der Hannover-Messe 2022 die cradle-chain E2.1.CG aus 100 % Rezyklat sowie vier ECO-Gleitlagermaterialien aus Regranulat vorgestellt. Für die meistverkauften igus-Werkstoffe kann auch der CO2-Fußabdruck ausgewiesen werden.

Es geht aber natürlich noch viel mehr. Etwa die Umwandlung von Plastikmüll zu Rohöl in nur 30 min. Das verspricht die ‚Hydrothermal Plastic Recycling Solution‘ (HydroPRS) des Startups Mura Technology. Damit der Einstieg in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft gelingen kann, unterstützen weltweit tätige Industrieunternehmen wie igus den Aufbau dieser Technologie. Im nordöstlichen Teesside, England, errichtet Mura derzeit die erste kommerzielle HydroPRS-Anlage, die in der ersten Jahreshälfte 2023 in Betrieb geht. Sie wird jährlich mehr als 24.000 t Kunststoff recyceln.

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