Was in der Leichtathletik kaum vorstellbar ist, erweist sich in der modernen Lineartechnik als durchaus machbar: Einen Kurzstrecken-Sprinter zu entwickeln, der auch auf Marathonstrecken siegen kann. Gelungen ist das Wilhelm Jung, dem Firmenchef und Entwicklungsleiter des hessischen Unternehmens JA2 GmbH mit seiner Linearmodul-Baureihe HighDynamic. Diese einbaufertigen Komplettsysteme bestehend aus tubularem Linearmotor, Führungswagen, Führungsschiene und Stirnplatte zeichnen sich durch ganz außergewöhnliche Qualitäten aus, die sie zur idealen Langzeitlösung für hochdynamische und schnelltaktende Kurzhub-Positionierungen in der Montage-, Handhabungs-, Verpackungs- und Identtechnik machen. Da sie keine zusätzliche Schmierung benötigen und auch sonst völlig wartungsfrei laufen, erweisen sie sich in der Praxis als extrem wirtschaftliche „Fire-and-Forget“-Komponenten.
Validieren und konstruieren
Eingestiegen in die Entwicklung hochdynamischer Linearmotor-Module ist Jung bereits kurz nach der Jahrtausendwende. „Mit tubularen Linearmotoren kannten wir uns schon vorher aus; ab den 2000er-Jahren aber ließ uns die Idee der optimalen kinematischen Integration der Motoren in geeignete mechanische Führungssysteme nicht mehr los. Die Wünsche unserer Kunden nach betriebssicheren, dynamischen und steifen Modulen für immer höhere Produktionstakte flossen dabei mit in unsere Überlegungen ein. Ab 2008 bot der Markt dann zwar tubulare Linearmotoren für Beschleunigungen von bis zu 200 m/s², allerdings konnten die Hersteller der Linearführungen hier noch nicht mithalten“, berichtet Jung. Im Versuchslabor des Herstellers begann man daher sehr früh damit, in eigenen Langzeittests verschiedene Führungssysteme zu validieren. Die Wahl fiel schließlich auf ein nicht vollkugeliges Kugelwagen-Konzept mit Schiene und einer Art „mitlaufender“ Schmierung. Bei Beschleunigungen bis zu 150 m/s² und Höchstgeschwindigkeiten von 5.0 m/s überzeugt es mit einer enormen Langlebigkeit und Laufleistungen bis zu 100.000 km.
Die Auswahl des geeigneten Führungssystems war aber erst die halbe Miete. Im nächsten Schritt galt es nun, Motor und Führung zu einem industrietauglichen Linearmotor-Modul für hohe Taktzahlen zu integrieren. Jung – von Hause aus Physiker – erinnert an dieser Stelle an das Zweite newtonsche Gesetz, demzufolge die Beschleunigung der Quotient aus Kraft und Masse ist, und erklärt: „Die Masse macht den Takt. Daher ist der entscheidende Leistungsfaktor bei schnellen Kurzhub-Applikationen die maximale Beschleunigung. Wir mussten also Linearmotoren mit großen Spitzenkräften und kleinstmöglicher Eigenmasse mit mechanischen Führungssystemen kombinieren, die ebenfalls nur wenig bewegte Eigenmasse haben.“ Die Verheiratung dieser zwei widersprüchlichen Aspekte konnte nur mit einer intelligenten Gesamtkonstruktion gelingen, die dank ihrer mechanischen Steifigkeit in der Lage ist, extreme Beschleunigungen aufzunehmen – jahrelang und rund um die Uhr.
Praxis-Knowhow und Physik
Was der Spezialist dann erstmalig auf der Motek 2009 präsentierte, war eine Symbiose aus vielen Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Linearmotor-Applikationen, den Erkenntnissen aus den eigenen Testreihen, einer gehörigen Portion Mut und Selbstvertrauen sowie einer Gesamtkonstruktion auf der Basis von handfester Physik: Kompakte masseoptimierte Kurzhub-Linearmotormodule mit einem radikalen Design, ausgelegt als überbestimmtes Lagersystem. Jung tauft sie auf den Produktnamen HighDynamic: Die Module haben zwei Führungswagen und eine bewegliche Schiene aus hochfestem, gehärtetem Stahl. In Verbindung mit der Gleitführung des tubularen Linearmotors stellt das jung`sche Konzept de facto ein `theoretisch verbotenes´ überbestimmtes Lagersystem dar; gemäß den klassischen Regeln der Konstruktion dürfte es eigentlich gar nicht oder nur sehr schwergängig laufen. Doch der Firmenchef schmunzelt und berichtet: „Was die Module im Innersten zusammenhält, wie wir sie montagefähig gestaltet haben und warum sie – selbst nach langer Betriebszeit – immer noch leichtgängig sind, das ist schließlich unser Knowhow und unser Wettbewerbsvorteil.“ Im Betrieb ist das eigentliche Führungssystem dank der ausgefeilten Konstruktion nur minimalen statischen und dynamischen Belastungen ausgesetzt und zeichnet sich durch eine gute Verdreh- und Biegesteifigkeit aus. Ein- und Ausleitung der Nutzkraft erfolgen zentral an einer Stirnplatte. Alle bewegten Massen sind reduziert, selbst die Verbindung von Schiene und Stirnplatte ist masseoptimiert. Nach anfänglicher Skepsis – vermutlich wegen der filigranen Optik der Module – entscheiden sich die ersten Kunden noch im gleichen Jahr für den praktischen Einsatz der Module. Die Anlagenbauer der Lebensmittelindustrie gehen hier voran. Sie nutzen die Module, um mit einer schnellen Schiebebewegung und in exakt definierter Abfolge süße Pralinen in Verpackungen einzusortieren – im vollautomatisierten Dreischicht-Betrieb und mit Taktzahlen von bis zu 300 min-1. Die Linearmotormodule zeigen, was in Ihnen steckt und laufen, und laufen, und laufen… . „Unsere HighDynamics erfüllen diese Aufgabe seit nunmehr acht Jahren bis zum heutigen Tag ohne Schmierung und völlig ohne Wartung“, betont Jung.
Erfolgsprodukt mit Nachwuchs
In den letzten Jahren haben sich die hochdynamischen Kurzhub-Linearmotormodule aus Wettenberg eine stetig wachsende Fangemeinde unter den Anlagenbauern und Automatisieren der Montage-, Handhabungs-, Verpackungs-, Prüf- und Identtechnik erobert. Der Erfolg machte schnell Schule und der Hersteller hat seit der Markteinführung der ersten drei Baugrößen seiner HighDynamic-Serie mittlerweile noch vier weitere Modulbaugrößen realisiert. Damit bietet das Unternehmen nach eigenen Angaben die derzeit weltweit breiteste Auswahl am Linearmotor-Modulen mit Hüben bis 330 mm und Spitzenkräfte bis zu 2.700 N. Ein reichhaltiges Zubehörprogramm mit modular anbaubaren Optionen rundet das Angebot ab. Auf der Basis seiner Erfahrungen aus vielen erfolgreichen Projekten, realisiert das Unternehmen inzwischen auch kinematische Systemprodukte, deren dynamisches Herzstück ein oder mehrere HighDynamic-Module sind – so etwa hochbewegliche Dreh-Schwenker oder innovative Pick&Place-Lösungen wie den zweiachsigen ParaPicker PP02. „Die Entwicklung unserer masseoptimierten Linearmotor-Module ist eine echte Erfolgsstory und stößt uns fast wöchentlich Türen in neue Marktsegmente auf. Kürzlich waren es beispielsweise Anlagenbauer aus der Kosmetik- und Schreibwaren-Industrie, die unsere Module für den Einbau in hochtaktenden Montagelinien bestellten. Wir kannten diese Kunden vorher gar nicht – aber die wussten sehr genau, was sie brauchten und kamen spontan aber gezielt auf uns zu“, berichtet Jung. Als wartungsfreie Linearmotormodule für hochdynamische 27/4-Anwendungen stehen die wartungsfreien HighDynamic-Module für Wirtschaftlichkeit, Betriebssicherheit und Energieeffizienz. Selbst im internationalem Wettbewerb dürfte es derzeit nur wenige Linearmotor-Module geben, die einem Langzeitvergleich mit den Marathonsprintern aus Wettenberg standhalten können. jg
Details zu den HighDynamic-Modulen von Jung: