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Einfach mal ausrasten

Sicherheitskupplung mit automatischer Wiedereinrastung bis 160 000 Nm
Einfach mal ausrasten

Unzugängliche Einbauräume von Sicherheitskupplungen im Schwerlastbereich verlangen nach unkonventionellen Lösungen. Das Ergebnis ist ein innovatives Kupplungsmodell, das hydraulische und mechanische Komponenten in neuer Weise miteinander verbindet: die SH-Kupplung.

 

Exklusiv in kem Der Autor Philipp Bergmann ist Projektingenieur bei der R+W Antriebselemente GmbH, Klingenberg

Für Maschinen im Schwerlastbereich sind Sicherheitskupplungen wichtige Komponenten. Ohne sie würden bei großen Lasten Maschinencrashs hohe Kosten verursachen. Hier werden hauptsächlich drei Arten von Kupplungen eingesetzt. Dies sind Brechbolzen-Kupplungen, hydraulische Drehmomentbegrenzer und mechanische Sicherheitskupplungen.
Letztere sind robust und einsatzsicher. Sie haben gegenüber den hydraulischen- und den Brechbolzen-Kupplungen den Vorteil, dass nach einer Überlast keine Wartungsarbeiten an der Kupplung durchgeführt und keine Teile daran ersetzt werden müssen. Das liegt daran, dass bei mechanischen Sicherheitskupplungen die Drehmomentübertragung meist über die Kraft vorgespannter Federn erfolgt. Diese werden bei einem Maschinencrash nicht zerstört und bedürfen auch danach keinerlei Wartung. Dadurch nimmt die Wiederinbetriebnahme einer mechanischen Kupplung weniger Zeit in Anspruch als die einer hydraulischen- oder einer Brechbolzen-Kupplung.
Das federvorgespannte Kugelrast-Prinzip
Ein bewährtes Grundprinzip mechanischer Sicherheitskupplungen ist das sogenannte federvorgespannte Kugelrast-Prinzip. Hierbei sind eine oder mehrere vorgespannte Tellerfedern in die Kupplung eingebaut. Deren Federkraft wirkt auf Kugeln. Der Kupplungskörper besteht aus zwei aufeinander drehbar gelagerten Teilen. Im ersten Teil sind auf einem Kreis Kalotten eingebracht und im zweiten Teil deckungsgleich dazu Bohrungen. In den Bohrungen befinden sich die Kugeln, die durch die Kraft der Tellerfedern in die Kalotten gedrückt und gehalten werden. Bei Überlast wird die Federkraft überwunden. Die Kugeln werden aus den Kalotten gedrückt. Damit ist die Drehmomentübertragung zwischen den beiden Kupplungsteilen unterbrochen.
Modelle, die nach diesem Prinzip funktionieren, gibt es in zwei verschiedenen Ausführungen. Bei der ersten Ausführung wirkt die Federkraft auch nach der Lastentrennung auf die Kugeln. Hierbei kann die Drehmomentübertragung durch weiteres Verdrehen der Kupplungsteile zueinander wieder hergestellt werden. Die Kugeln rasten automatisch wieder in die Kalotten ein, es ist kein manueller Eingriff nötig.
Bei der zweiten Ausführung wirkt nach Trennung der Lasten keine Kraft mehr auf die Kugeln. Beide Kupplungshälften sind ohne manuellen Eingriff frei zueinander drehbar. Zur erneuten Übertragung von Drehmoment muss die Kupplung von außen wieder eingerastet werden. Diese Version einer mechanischen Sicherheitskupplung wird in der Literatur Freischaltausführung genannt.
Bei Einsatz kleinerer Drehmomente hat man die Wahl zwischen beiden Versionen. Im Schwerlastbereich findet jedoch hauptsächlich die Freischaltausführung ihre Anwendung. Das liegt daran, dass hier die Massenträgheitsmomente von Antriebssträngen meist sehr groß sind. Dadurch sind 30-minütige Auslaufzeiten des Antriebsstranges, nach Abschaltung, keine Seltenheit. Eine wiedereinrastende Kupplung würde innerhalb dieser Zeitspanne wieder und wieder automatisch ein- und sofort wieder ausrasten. Zusammen mit den großen Federkräften, die im Schwerlastbereich benötigt werden, würde das die Lebensdauer der eingesetzten Sicherheitskupplung enorm verkürzen. Um dies zu verhindern, wird daher auf die Freischaltausführung zurückgegriffen.
Der neuentwickelte Drehmomentbegrenzer sollte also die erhöhte Lebensdauer einer freischaltenden Kupplung – durch dauerhafte Lastentrennung – und die schnelle Wiederinbetriebnahme einer wiedereinrastenden Kupplung – durch automatisches Einrasten unter Anfahren – in sich kombinieren. Um dies zu erreichen, wurde ein völlig neuer Weg beschritten.
Hydraulische Kraftübertragung als Lösungsansatz
Bei solchen Projekten ist die Weiterentwicklung einer bereits vorhandenen Kupplung ein gängiges Vorgehen. Es ermöglicht den Einsatz von Entwicklungsprodukten in bereits bekannten Einbausituationen des Basismodells und es können teilweise bereits vorhandene Komponenten für die Neuentwicklung verwendet werden. Das besondere bei der Herangehensweise an dieses Projekt war die Verbindung einer standardmäßigen mechanischen Sicherheitskupplung mit hydraulischen Komponenten. Dieser Weg wurde beschritten, da Hydraulikflüssigkeit inkompressibel ist. Damit sind hydraulische Bauteile sehr gut geeignet Kräfte spielfrei zu übertragen. Die Kraftübertragung mit Hydraulik an sich verursacht keinen Verschleiß, da keine mechanische Reibung dabei auftritt.
Das Endprodukt des Entwicklungsprozesses ist eine Art von halbhydraulischer Kupplung, wie es sie auf dem Markt bisher nicht gibt. Das Hydrauliksystem wurde in seiner Größe und Form so optimiert, dass es wie die Schaltsegmente montiert werden kann. Es wird bei der Montage mit Hydrauliköl gefüllt und anschließend versiegelt. Ein Nachfüllen von Öl ist nicht notwendig. Damit ist auch diese Neuentwicklung wartungsfrei.
Die SH kombiniert alte Stärken mit neuen Vorteilen
Durch intelligente Verknüpfung der neuen Hydraulikkomponenten mit dem bewährten mechanischen Prinzip der ST-Kupplung, konnten mit dieser Modellneuentwicklung die Vorgaben erfüllt werden. Bei Überlast wird die Drehmomentübertragung von der Kupplung genauso getrennt, wie es bei dem Basismodell, der ST, der Fall ist. An den mechanischen Sicherheitskomponenten wurden keine Veränderungen vorgenommen. Ab hier greifen die Funktionen der neuen Hydraulik. Die An- und Abtriebseite ist nun dauerhaft voneinander getrennt. Während des Auslaufs der Maschine wird kein Drehmoment übertragen. Nach Stillstand der Maschine und Beseitigung der Ursache für die Überlast, kann die Kupplung wieder in Betrieb genommen werden.
Hier kommen die besonderen Eigenschaften der SH genannten, Neuentwicklung zur Geltung. Zur Wiederinbetriebnahme genügt es, wenn die Antriebswelle im Rücklauf mit ungefähr einer Umdrehung pro Minute angefahren wird. Die Antriebsseite der Kupplung dreht sich solange relativ zur Abtriebsseite, bis sich beide Kupplungshälften zueinander in Einrastposition befinden. Sobald diese erreicht ist, rastet die Kupplung vollkommen selbstständig wieder ein. Die Drehmomentübertragung ist wieder hergestellt. Es sind keine weiteren Handgriffe nötig. Die Anlage kann sofort wieder in Betrieb genommen werden. Langwierige Demontagen von Abdeckungen, oder anderen Komponenten, die den Zugriff zur Kupplung behindern, entfallen. So können Stillstandzeiten bei vielen Anwendungen enorm verkürzt werden.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt der Entwicklung ist, dass die Hydraulikteile einer SH teilweise Aufgaben übernehmen, die bei einer ST-Kupplung durch mechanische Bauteile erfüllt werden. Somit entfallen Bauteile, die durch mechanische Reibung verschleißen können. Die Lebensdauer der Kupplung konnte gegenüber der einer ST-Kupplung gesteigert werden. Dadurch hat die SH für die meisten Anwendungen großen Mehrwert und ermöglicht in manchen Fällen, wie bei den Tunnelbohrmaschinen, überhaupt erst einen rentablen Einsatz einer Sicherheitskupplung.
Zuverlässige Funktion durch robuste Bauart
Die Hydraulikkomponenten sind durch ihre robuste Ausführung und dadurch, dass keine dynamischen Belastungen der Bauteile auftreten, störungsresistent. Die Sicherheitsfunktion der Kupplung ist zu jeder Zeit gewährleistet, da diese auf bewährter Mechanik beruht und an dieser grundlegend nichts verändert wurde. Die neuen hydraulischen Komponenten haben keinen Einfluss auf diese Funktionsgruppe. Die Wiedereinrastfunktion im Rücklauf wurde so konzipiert, dass es spätestens nach einer vollen Umdrehung zum Einrasten der Kupplung kommen muss. Ein Aussetzen dieses Vorgangs konnte ausgeschlossen werden.
Da für die SH die Grundbauteile der ST genutzt werden können, ist die neuentwickelte Kupplung auch in allen Variationen des Grundmodells erhältlich. Also für direkte und indirekte Antriebe mit Passfeder- oder Konusklemmverbindung. Zum Versatzausgleich bei direkten Antrieben kann aus drei verschiedenen Kupplungsanbauten gewählt werden. Zur Wahl stehen eine elastische, dämpfende Kupplung, eine torsionssteife Lamellenkupplung und eine Zahnkupplung zum Ausgleich von größerem Wellenversatz.
Die Entwicklung resultierte in einer neuen Art von Sicherheitskupplung, die durch Kombina- tion hydraulischer und mechanischer Komponenten die Vorteile freilaufender und wiedereinrastender Sicherheitskupplungen in sich vereint. Dadurch, dass sich die äußeren Abmessungen zum Basismodell nicht verändert haben, ist der Mehrwert dieser Neuentwicklung jedem umso leichter zugänglich, der sich bereits zuvor bei der Wahl einer Schwerlast-Sicherheitskupplung für ein ST-Modell von R+W entschieden hat. Einsparungen bei Stillstandzeiten und Personal sowie Lebensdauererhöhung, das sind die Vorteile, die diese neue Kupplung bei gleichbleibender Einsatzsicherheit, Wartungsfreiheit und Lebensdauerfestigkeit bietet. Am besten kommen diese Eigenschaften zum Tragen, wenn der Einsatzort der Kupplung schwer erreichbar ist und ein Stillstand der Maschine hohe Kosten verursacht.
Der Abschluss einer Produktentwicklung
Mit der Fertigstellung der halbhydraulischen Schwerlastsicherheitskupplung wurden für alle relevanten Prozesse Patente eingereicht. Die Patente umfassen sowohl die hydraulische Halteeinheit als auch die Steuerung über Ventile. Mit dieser Neuentwicklung zeigt der Kupplungshersteller erneut seine Innova- tionskraft auf dem Kupplungsmarkt. Durch den modularen Baukasten kann dieses System ebenfalls für Drehmoment über den standardisierten 160 000 Nm eingesetzt beziehungsweise angewendet werden.
R+W; Telefon: 09372 9864-0;
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