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Christian Winkel

Geschäftsführender Gesellschafter der Winkel GmbH, Illingen „Wir können nicht in zwanzig Jahren die Touristenführer der Chinesen werden.“
Christian Winkel

Die Winkel GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen der Linear- und Handhabungstechnik. Ihre Spezialitäten sind Komponenten und Systeme für den höheren Tragkraftbereich von unter 100 Kilo bis zu 100 Tonnen. Warum der deutsche Mittelständler auf die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland verzichtet und dabei trotzdem wächst, verrät uns unter anderem Geschäftsführer Christian Winkel.

Das Interview führte KEM- Redakteurin Angela Scheufler

KEM: Wie hat sich der Markt der Linear- und Handhabungstechnik seit der Gründung Ihres Unternehmens verändert?
Winkel: Es sind sehr viele Produkte hinzugekommen und die Automatisierung hat stark zugenommen. Die Anlagen müssen heute mit viel mehr Massen laufruhiger, wartungsfrei und zuverlässiger laufen. Wo früher 100 Kilo im Minutentakt bewegt werden mussten, kommt heute schon mal eine Tonne im Sekundentakt. Gleichzeitig ermöglicht die Entwicklung in der Antriebstechnik höhere Geschwindigkeiten und Taktzeiten. Wir haben früher mehr Bauteile für Flurförderfahrzeuge gebaut. Heute sind wir überwiegend für die Automatisierung tätig. Durch den Preisdruck im Maschinen und Anlagenbau stehen mittlerweile sehr präzise arbeitende Handlingsysteme zu einem sehr günstigen Preis zur Verfügung. Es gibt heute große Komplettanbieter, die überwiegend die Mechanik zukaufen und montieren. Sie erwirtschaften damit den gleichen Umsatz mit ein paar hundert Mitarbeitern, wofür sie früher Tausende beschäftigt hatten.
KEM: Warum treten Sie nicht als Komplettanbieter auf? Welches sind Ihre Vorzüge?
Winkel: Würden wir komplette Anlagen anbieten, stünden wir im Wettbewerb zu unseren Kunden. Wir sehen uns als Partner für Hersteller von Förderanlagen und wollen primär nicht Endkunden bedienen. Daher haben wir uns auf einzelne mechanische Systeme und Module in Verbindung mit Antrieben, Sensorik oder Wegmesssystemen spezialisiert. Es gibt keinen anderen Hersteller, der wie wir Führungs- und Handhabungssysteme gleichzeitig anbietet, die von zehn Kilo bis einhundert Tonnen Gewicht bewegen können. Wir sehen unser Kombirollensystem als Ergänzung zu den aufwändigeren Kugelumlaufführungen. Es gibt viele Anwendungen wo das Kombirollensystem im Vorteil ist. Im Bereich Sonder-Hubvorrichtungen für Flurförderzeuge und stationären Einsatz sind wir Marktführer. Bei den Mehrachslinearsystemen unterscheiden wir uns von den Mitbewerbern, indem wir sowohl High Dynamic- als auch Heavy-Duty-Ausführungen anbieten. Neben unserem Kombirollensystem verarbeiten auch wir Kugelumlaufführungen, wo eine Notwendigkeit begründet ist. Unsere Kunden haben zudem die Wahl, von uns einzelne Komponenten für eigene Konstruktionen oder ein komplettes Handhabungssystem zu beziehen.
KEM: Wie kommen Sie als relativ kleines Unternehmen mit der wirtschaftlichen Situation im Land zurecht? Müssen Sie nicht die großen global auftretenden Wettbewerber fürchten?
Winkel: Zum einen produzieren wir keine Standardprodukte. Der Bereich Systemtechnik erfordert einen sehr hohen Engineering-Anteil. Wir verfügen über zwanzig Jahre Konstruktionserfahrung und greifen dabei auf Tausende von erprobten Konstruktionen zurück. Unsere Fertigungstiefe für die Systemtechnik ist sehr hoch. Das ist im Hinblick auf die Osterweiterung vielleicht nicht der finanziell sinnvollste Weg. Langfristig sehe ich diese Vorgehensweise aber als praktikabelste Lösung, weil wir viele Aufträge bekommen, die kurze Lieferzeiten erfordern. Wir sind in der Lage, innerhalb kurzer Zeit hochqualitative Sonderlösungen umzusetzen. Es gibt zudem kein zweites Unternehmen, das in diesem Bereich ein so großes Produktspektrum anbietet.
KEM: Sie sehen also Ihre künftige Fertigung nicht im Ausland, wie wollen Sie dem globalen Preisdruck standhalten?
Winkel: Wir setzen auf den Standort Deutschland. Dazu haben wir im letzten Jahr mit einem neuen Firmengebäude unsere Kapazität verdoppelt. In der großen Ausstellungshalle können wir nun unsere Systemtechnik demonstrieren. Die große Montagehalle wurde mit einer neuen Lackieranlage mit Trockenkammer ausgestattet. Wir konstruieren und fertigen unter einem Dach. Viele unserer Kunden sind namhafte Hersteller für namhafte Endverbraucher, die nach wie vor Wert auf „Made in Germany“ legen. Unsere Antwort auf den Preisdruck sind wertanalytische Konstruktionen, die möglichst einfach, robust und wartungsarm sind. Ich glaube, dass der Wettbewerbsvorteil der Fertigung im näheren Ausland in etwa acht Jahren dahin sein wird. Man sollte grundsätzlich wieder mehr zum Standort Deutschland stehen. Zu viele Pessimisten reden heute zu oft schlecht über die deutsche Wirtschaft. Vielmehr sollten wir mehr die Vorteile in unserem Land erkennen, die Probleme in unserem Land lösen und nicht zunehmend hier alles hinschmeißen, um nur den kurzfristigen Kostenvorteil zu sehen. Für die notwendige Produktivitätserhöhung sind allerdings Veränderungen unabdingbar. Beispiele, wie sie die Schweiz mit der fünfundvierzig-Stunden-Woche und zwanzig Tagen Urlaub im Jahr vorlebt, sollten kein Tabu für Deutschland sein. Meine Erfahrung zeigt, dass heute die meisten Leute für einen sicheren Arbeitsplatz auch bereit sind, mehr zu arbeiten. Doch dafür ist natürlich auch eine verstärkte Aufklärungsarbeit nötig.
KEM: Was verbirgt sich hinter Ihrem Steckenpferd, dem Kombirollensystem?
Winkel: Das Kombirollensystem ist ein Zylinderrollenlager mit integriertem Axiallager. Es erlaubt Krafteinflüsse in radialer und axialer Richtung und bietet durch die starkwandige Stahlprofil-Verbindung eine sehr einfache kostengünstige Konstruktion. Es sind Anwendungen möglich, die ohne große Fräss- oder Bohrbearbeitungen auskommen. Das robuste und hochbelastbare Baukasten-System bietet fünfzig verschiedene Profile, kombinierbar mit mehreren hundert verschiedenen Rollen mit diversen Befestigungsflanschen und Klemmelementen. Wir verfügen über Versionen in Edelstahl, in Vulkollan oder für Hochtemperatureinsätze bis 250 °C. Die Kombirollen finden überall dort Anwendung, wo große Kräfte wirken, wie das zum Beispiel im Stahlwerk- und Baustoffbereich üblich ist. Auch im Automobilbereich oder Anwendungen in der gesamten Industrie kommen sie dort zum Einsatz, wo Kugelumlaufführungen auf Grund von Umwelteinflüssen oder aus Kostengründen ausscheiden. Die Kombirollen eignen sich für den Einsatz unter Schmutz oder rauen Umweltbedingungen wie beispielsweise in Gießereien oder im Offshore-Bereich. Mit diesem Herzstück unserer Firma lassen sich in der Handhabungstechnik Wiederholgenauigkeiten von bis zu 0,5 mm umsetzen. In sehr vielen Fällen erlaubt dieses System eine Kostenreduktion von bis zu fünfzig Prozent. Wir erwirtschaften damit etwa fünfzig Prozent unseres Gesamtumsatzes.
KEM: Woher bekommen Sie die Ideen für Ihre Innovationen?
Winkel: Wir sind jede Minute innovativ und werden durch die Wünsche unserer Kunden täglich gefordert. In der Automobilindustrie gibt es sehr hohe Anforderungen hinsichtlich Wartungsfreiheit, Betriebssicherheit, Laufruhe und absolut kostengünstiger Konstruktion. Bei Vorrichtungen für Montage-systeme gibt es sehr hohe Sicherheitsanforderungen. Gefragt sind weiterhin Hoch- beziehungsweise Niedertemperaturausführungen, Edelstahl- und leise laufende Ausführungen. Zum Teil arbeiten wir mit Hochschulen zusammen, aber die meisten Entwicklungen kommen direkt aus unserem Hause.
KEM: Was wird die Zukunft bringen?
Winkel: Es wird neue Produkte im Bereich Handhabungstechnik geben. Wir werden die Palette der Hubsysteme ausbauen. Im Bereich Komponenten geht die Entwicklung Richtung höherer Effizienz. Auf dem Gebiet der Mehrachslinearsysteme werden wir mehr in Richtung hochdynamisch arbeitende Achsen auch für größere Lasten arbeiten. Auch im Bereich Teleskopgabeln werden wir unseren Baukasten weiterentwickeln.
Quergefragt:
Wenn der Vater mit dem Sohne… …in einem Boot sitzt, kommt ein gutes Team dabei raus.
Der Bau der neuen Messe Stuttgart… …bringt positive Impulse für unsere wirtschaftsstarke Region.
Die teuren schwäbischen Arbeitskräfte….
…sind ihr Geld wert, nur müssen sie künftig etwas mehr arbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Hartz IV Reform… …empfinde ich als eine Wende in der Sozialpolitik.
Über die Wahl des neuen Präsidenten der USA… …bin ich nicht überrascht.
Firmenstenogramm:
  • Gründung: 1981
  • Mitarbeiter: 80
  • Produktportfolio: Handhabungstechnik
  • Umsatz 2003: ca. 20 Mio. E
  • Direkter Exportanteil: ca. 30 %
  • Standorte: Deutschland, Italien, Händler in 18 Ländern weltweit
Weitere Informationen
Kombirollen
KEM 410
Schwerlasthandling
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Winkel
KEM 412
Komponenten und Systeme
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