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Schunk-Chef sieht Industrie 4.0 als größte Chance

Greifertechnologie
Schunk-Chef sieht Industrie 4.0 als größte Chance

Industrie 4.0 ist für Henrik Schunk, den Geschäftsführenden Gesellschafter von Schunk, die größte Chance in der Unternehmensgeschichte. Zur Hannover Messe 2017 zeigt Schunk deswegen intelligente Greifsysteme für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) und treibt die Digitalisierung mit dem digitalen Zwilling voran. Ziel ist unter anderem eine schnelle Inbetriebnahme.

Interview: Wolfgang Hess, Redaktionsdirektor Sonderprojekte der Konradin Mediengruppe

KEM Konstruktion: Herr Schunk, was bedeutet Industrie 4.0 für einen Hersteller von Spannwerkzeugen und Greifsystemen?
Schunk: Es ist schlichtweg die größte Chance in der Unternehmensgeschichte von Schunk. Wir können unser bestehendes Geschäft gänzlich erneuern, weil sich durch die Digitalisierung völlig neue Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten ergeben. Ein Riesenvorteil unserer Produkte ist es, dass unsere Greiftechniken gewissermaßen als erste und am nächsten am Werkstück dran sind. In der gesamten Denkweise von Industrie 4.0, bei der alles mit allem vernetzt ist, haben wir mit unseren Produkten also die besten Möglichkeiten für innovative Einsätze. Nun gilt es, kreativ zu sein und die neuen Perspektiven mit Inhalten zu füllen.
KEM Konstruktion: Als da wären…
Schunk: …Greifer, die die Charakteristik eines Werkstücks selbstständig nach Gewicht oder Form erkennen. Oder Greifer, die eigenständig neues Material bestellen, wenn sie registrieren, dass der Vorrat zur Neige geht. Es gibt kaum etwas, was man nicht in intelligente Greifer integrieren könnte. Durch die Digitalisierung kommen wir bei der Wertschöpfung in ganz neue Sphären.
KEM Konstruktion: Zeigen Sie solche intelligenten Greifsysteme bereits auf der Hannover Messe 2017?
Schunk: Ja – dort werden wir anhand zahlreicher Live-Applikationen demonstrieren, wie die Handhabung in der Smart Factory konkret aussehen wird. Allein im Bereich der Mensch-Roboter-Kollaboration warten wir mit sechs unterschiedlichen Co-act-Demonstratoren auf, die eindrucksvoll die Potenziale der barrierefreien Zusammenarbeit von Mensch und Roboter in unterschiedlichen Branchen veranschaulichen. Das Highlight ist der mit einer sensorischen Aura ausgestattete, intuitiv bedienbare Co-act Greifer JL1, der als weltweit erstes intelligentes Greifmodul für die Mensch-Roboter-Kollaboration in der Lage ist, unmittelbar mit dem Menschen zu interagieren und zu kommunizieren. Zudem ist die Fünf-Fingerhand SVH zu sehen, die als erster DGUV-zertifizierter MRK-Greifer der Welt auf der Hannover Messe Maßstäbe setzen wird.
KEM Konstruktion: Welche Rolle spielt dabei der in der Industrie-4.0-Diskussion häufig genannte ‚digitale Zwilling‘?
Schunk: Eine sehr große, denn bei der Digitalisierung von Montageanlagen wird die berühmte Frage – Henne oder Ei: Was war zuerst da? – schon bald geklärt sein. Zur Hannover Messe starten wir die Digitalisierung unseres Greifsystemprogramms und bahnen damit den Weg zur virtuellen Inbetriebnahme und Simulation kompletter Handhabungslösungen. Mithilfe des Mechatronics Concept Designers von Siemens PLM Software und der digitalen Zwillinge von Schunk werden Konstrukteure und Anlagenplaner schon bald in der Lage sein, komplette Montageanlagen im dreidimensionalen Raum zu simulieren und den gesamten Engineering-Prozess vom Konzept über Mechanik, Elektrik und Software bis hin zur Inbetriebnahme virtuell abzubilden. An die Stelle des klassischen CAD-Hüllenmodells tritt dabei ein detailreiches, digitales Abbild der einzelnen Komponenten, das deren vollständige Funktionalität enthält. Der digitale Zwilling umfasst zum einen das CAD-Volumenmodell mit allen geometrischen Daten zur Modellierung in Siemens NX, CAE-Daten für Eplan sowie ein kinematisches Verhaltensmodell, in dem der Hub, die Aus- und Einfahrgeschwindigkeit, die Beschleunigung, der Ruck, die Nennkraft und die Masse hinterlegt sind.
KEM Konstruktion: Adressieren Sie auch das Thema der SPS-Programmierung?
Schunk: Selbstverständlich, dazu statten wir in einem zweiten Erweiterungsschritt unsere digitalen Zwillinge mit diversen SPS-Bausteinen aus – mit Blick auf die virtuelle Inbetriebnahme. Auf diese Weise lässt sich dann die Software in Verbindung mit ‚Hardware in the Loop‘ bereits während der Entwurfsphase testen. Diese Form des integrierten Engineerings ermöglicht Anlagenbauern und Anwendern eine signifikante Verkürzung der Projektlaufzeiten, eine schnellere Inbetriebnahme und deutliche Effizienzeffekte bei der wiederholten Realisierung ähnlicher Anlagen. Alle relevanten Planungsschritte – von der Berechnung der Taktzeiten über die Auslegung der Komponenten hinsichtlich Verfahrweg und Hub sowie der Kollisionsberechnung – können von der Engineering-Software vollständig virtuell abgedeckt werden.
KEM Konstruktion: Gibt es in Ihrem Unternehmen eine strategische Arbeitsgruppe Industrie 4.0 oder haben Sie das zur Chefsache erklärt?
Schunk: Bei mir als CEO ist ein sogenanntes Digital Lab angesiedelt. Und in der operativen Ebene unterhalb unseres CTOs Dr. Markus Klaiber arbeiten zwei promovierte Mitarbeiter, die sich tagein, tagaus damit beschäftigen, wie die neuen Möglichkeiten unsere Produktlinien verbessern können. Zudem setzen wir auf Kooperationen – aber nicht mit Wettbewerbern. Vorwettbewerbliche Kooperationen kosten meiner Ansicht nach einfach zu viel Zeit. Doch klar ist: Industrie 4.0 bekommen wir nur zum Laufen, wenn wir kooperieren – mit Hochschulen, mit Softwareanbietern. Die Kooperationsnotwendigkeit wird durch Industrie 4.0 exponentiell steigen.
KEM Konstruktion: Mit welchen Hochschulinstituten kooperieren Sie?
Schunk: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart intensiv zusammen, ebenso mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT. Wir vergeben an solche Institute auch Projektaufträge. Und wir bieten die Möglichkeit, Masterarbeiten und Dissertationen mit unseren Fragestellungen zu verknüpfen. Auf diese Weise haben wir schon viele fähige Mitarbeiter gewonnen – und das wird in Zukunft für uns noch wichtiger.
KEM Konstruktion: Welches Mitarbeiterprofil suchen Sie?
Schunk: Bisher waren es vor allem Mechaniker, Mechatroniker oder Maschinenbau-Ingenieure – in Zukunft brauchen wir vor allem Software-Entwickler. Ich kann mir vorstellen, dass wir in wenigen Jahren eine eigenständige Ausbildung zum Software-Entwickler anbieten werden. Denn Software wird bei uns zur Kernkompetenz – und wird damit sehr wichtig für uns, weil unser Erfolg auf der kontinuierlichen Innovationskraft, der kontinuierlichen Internationalisierung und dem Bestreben beruht, Kunden stets ein optimales Produkt zu liefern – also einen Kundennutzen zu bieten. Wir produzieren einen neuen Greifer nur dann, wenn der Kunde damit einen echten Nutzen hat. Unser Vorteil ist, dass wir das über ein großes Produktspektrum zu tun vermögen.
KEM Konstruktion: Seit 2008 gibt es bei Schunk die ‚Expert Days‘. Was ist das Geheimnis hinter deren Erfolg?
Schunk: Die extrem gut vernetzte Wissenschaftswelt kommt uns zu Hilfe. Dort machte man Mund-zu-Mund-Propaganda für unsere Veranstaltung, bei der wir von Anfang an auch auf ein Wohlfühlklima geachtet haben. Zudem ist diese Veranstaltung mit rund 100 Gästen klein genug, dass sich alle Teilnehmer untereinander austauschen können. Unser Charme ist, dass wir mitten in der Montage Standfläche für die teilnehmenden Institutionen und Unternehmen anbieten können. Der glaubwürdige Charakter mitten in einer Produktionsstätte für Greiftechnik macht unser Symposium einzigartig. Ein Höhepunkt für mich war dabei der nur zehnminütige Aufbau des Serviceroboters ‚Care-O-bot‘des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts IPA auf einer Bühne.
KEM Konstruktion: Wird sich Schunk bei Service-Robotern über die Greifhand hinaus künftig stärker engagieren?
Schunk: Wir werden uns weiterhin auf Komponenten für die Greiftechnik konzentrieren. Wenn das Umsatzvolumen auch künftig zweistellig wächst, haben wir bereits gut zu tun, die Greifer für vielerlei Anwendungen fit zu machen. Wenn wir ganze Roboter produzieren, würden wir uns verzetteln.
KEM Konstruktion: Abschließend noch eine Frage – was wünscht sich der Unternehmer Henrik Schunk?
Schunk: Dass die künftige Bundeskanzlerin oder der künftige Bundeskanzler ab 2020 zur Besichtigung unserer vernetzten Smart Factory nach Lauffen kommt. Mit Smart Factory meine ich eine IT-Verzahnung der Wertschöpfungskette von der Produktion über das Büro zum Lieferanten und umgekehrt – mit dem Menschen als Dirigent.
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