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Udo Lütze zur Optimierung der Schaltschrankklimatisierung

Schaltschranktechnologie
Udo Lütze zur Optimierung der Schaltschrankklimatisierung

Dass sich die Umgebungsbedingungen in Schaltschränken recht einfach verbessern lassen, zeigt Lütze mit seiner Analysesoftware Airtemp und dem Verdrahtungssystem Airstream. Mit verhältnismäßig geringem Aufwand lassen sich eine kontinuierliche Konvektion sicherstellen und damit Wärmenester vermeiden, erläutert Firmenchef Udo Lütze im Gespräch mit der KEM Konstruktion. Eine homogenere Temperaturverteilung beeinflusst zudem Lebensdauer und Zuverlässigkeit aller Komponenten positiv.

 

Interview: Irene Knap und Michael Corban, Redaktion KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Herr Lütze, Ihr Unternehmen ist Spezialist für Kabel – sehen Sie die im Rahmen der Digitalisierung zunehmende drahtlose Kommunikation mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Udo Lütze: Das klassische Kabelgeschäft wird sich sicher ändern, aber auch drahtlos funkende Router müssen mit Daten und Energie versorgt werden – ohne Kupfer geht es also nicht. Hinzu kommt im Rahmen der Digitalisierung, dass der Informations- und damit Kommunikationsaufwand steigt. Neben dem wachsenden Datenvolumen müssen zudem wiederum die dazu erforderlichen Geräte mit Strom versorgt werden – so betrachtet sehe ich keine Gefahr für das klassische Kabelgeschäft. Für wichtig halte ich dabei jedoch, dass wir uns alle zusammen die Frage stellen, welche Daten mit Blick auf die Produktivität einer Maschine oder Anlage sinnvoll zu übertragen sind – nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll. Ziel der Industrie 4.0 ist deswegen ja, Prozesse zu optimieren. Der intelligente Austausch von Daten über die vernetzten Anlagenteile sollte diesem Ziel dienen.

KEM Konstruktion: Optimierte Prozesse waren auch das Ziel der Innovationsallianz ‚Green Carbody Technologies‘, an der Lütze im Bereich der Schaltschrankausstattung beteiligt war. Wie lässt sich das Ergebnis aus Ihrer Sicht zusammenfassen?

Lütze: Im Vordergrund stand, die Herstellung von Fahrzeugen kostengünstiger zu gestalten. Unser Fokus lag dabei auf der Klimatisierung von Schaltschränken, da sich hier der Energieverbrauch deutlich reduzieren lässt. Entscheidend ist, zu verstehen, welchen Einfluss die Anordnung der Komponenten im Schaltschrank auf die Klimatisierung hat. Zusammen mit der Universität Stuttgart haben wir dazu die Strömungsverhältnisse genau untersucht und basierend auf den Messergebnissen die heute unter dem Namen Airtemp verfügbare Software entwickelt. Online können Ingenieure mit ihr sehr schnell die Wärmeentwicklung und -verteilung in Schaltschränken analysieren. Zusätzlich sind wir aber auch mit dem Verdrahtungssystem Airstream noch einen Schritt weitergegangen.

KEM Konstruktion: Können Sie das kurz erläutern?

Lütze: Effiziente Kühlung setzt voraus, dass die Kühlluft die Automatisierungskomponenten im Schaltschrank frei umströmen kann. Kabelkanäle – letztlich nichts anderes als PVC-Wände, die auch noch durch die innenliegenden Drähte beheizt werden – dürfen diesen Luftstrom nicht blockieren. Deswegen haben wir mit Airstream die Verdrahtung in den Rahmen integriert und können auf diese Weise eine ganz normale Konvektion im Schaltschrank sicherstellen. Der Trick dabei: Allein dadurch lassen sich schon Wärmenester abbauen. Die Luft kann vorne nach oben steigen und die Abwärme der Komponenten aufnehmen, bevor sie per Airblower hinter dem Rahmen wieder künstlich nach unten bewegt wird, sodass der gewünschte Kreislauf entsteht. In einem weiteren Schritt lässt sich dann klären, ob diese Homogenisierung der Temperatur schon ausreicht oder zusätzlich aktiv gekühlt werden muss.

KEM Konstruktion: Entscheidend ist also die richtige Anordnung der Automatisierungskomponenten über die Analyse der Strömungsverhältnisse im Schaltschrank?

Lütze: Exakt – denn auf diese Weise lassen sich Probleme von vornherein vermeiden. Interessant ist, dass viele Schaltschränke so aufgebaut werden, dass viele der wärmeproduzierenden Komponenten wie Steuerungen und Netzgeräte oben hängen. In der Mittellage folgen meist die Antriebe und ganz unten – wo es am kühlsten ist und es keine thermischen Probleme gibt! – befinden sich die Klemmen. Bei dieser klassischen Ansiedlung ist ein thermisches Problem bereits eingebaut. Unser Ansatz zielt dagegen darauf ab, die Zirkulation der Luft nicht zu behindern und die Komponenten so zu verteilen, dass nicht eine heiße Komponente die nächste zusätzlich aufheizt. Wird es wirklich einmal eng, lässt sich mit Hilfe der Airblades der kühlende Luftstrom zudem gezielt beeinflussen. Hotspots werden so abgebaut.

KEM Konstruktion: Mit welchen Schritten kommen Sie denn zur optimaleren Anordnung der Komponenten im Schaltschrank?

Lütze: Dazu teilen wir den Schaltschrank in drei Zonen ein: oben, in der Mitte und unten. Anschließend bestimmen wir jeweils die anfallende Verlustleistung. Weitere Eingaben sind dann die gewünschte durchschnittliche Temperatur sowie die Angabe der Flächen, über die Wärme abgestrahlt werden kann – nicht jede Wand steht frei. Die Simulation mit Airtemp zeigt dann, mit welchen Temperaturen in den drei Zonen zu rechnen ist. Im nächsten Schritt lässt sich gegebenenfalls ein Airblower aktivieren und ermitteln, inwieweit sich damit eine homogenere Temperaturverteilung erreichen lässt. Dauerhaft die gewünschte Temperatur konstant im ganzen Schaltschrank zu erreichen, ist verständlicherweise auch mit Blick auf die Lebensdauer der Automatisierungskomponenten von Vorteil. Die Erfahrung zeigt, dass ansonsten häufig im obersten Bereich Temperaturen von 80 bis 90 Grad Celsius erreicht werden. Interessanterweise bemerkt man das beim Öffnen der Türen kaum, weil die heiße Luft dann sofort nach oben entweicht.

KEM Konstruktion: Es ist also entscheidend, sich der Problematik dieser Wärmenester bewusst zu werden. Kann denn jeder online auf Airtemp zugreifen?

Lütze: Genau so ist es, die Online-Anwendung ist auf unserer Homepage verlinkt (Anm. d. Red.: siehe auch Link im Infokasten am Ende des Textes) und jeder kann dort die Daten für seinen spezifischen Schaltschrank eingeben. Um erste Ergebnisse zu sehen, genügen dafür im Schnitt 20 Minuten. Wichtig ist es, die Verlustleistung der verbauten Komponenten zu kennen; diese findet sich meist in den mitgelieferten Datenblättern.

KEM Konstruktion: Wie angenehm es im Innern eines Schaltschranks sein kann, haben Sie anlässlich der Hannover Messe 2018 anschaulich mittels eines überdimensionalen Schaltschranks gezeigt,…

Lütze: … in dem die Besucher spüren konnten, welche Wirkung der Luftstrom hat. Anschaulich ließ sich auf diese Weise auch diskutieren, an welcher Stelle etwa Netzgeräte am besten zu platzieren sind und wie sich die Kühlung der SPS sicherstellen lässt. Das Feedback der Besucher dazu war durch die Bank positiv.

KEM Konstruktion: Welche weitere Unterstützung bieten Sie denn den Anwendern bei der Zusammenstellung der erforderlichen Komponenten für die jeweils spezifische Aufgabenstellung?

Lütze: Sobald die Anordnung im Schaltschrank thermisch optimiert ist, kann der Anwender im nächsten Schritt ebenfalls online auf unseren Airstream-Konfigurator zugreifen und damit einen kompletten Rahmen definieren, den wir als Bausatz oder komplett montiert liefern können. Die Kombination aus thermodynamischer Analyse und konkretem Schaltschrankaufbau bietet darüber hinaus auch den Vorteil, dass sich die gesamte Steuerungstechnik kompakter gestalten lässt – ein Vorteil unter anderem im Schiffbau. Die Erfahrung zeigt, dass sich hier das erforderliche Volumen um bis zu 30 Prozent reduzieren lässt. Das darf natürlich nicht zu Lasten der Lebensdauer gehen und damit die so wichtige Frage der Zuverlässigkeit tangieren – aber genau das kann der Anwender ja mit Airtemp vorab analysieren. Bemerkbar machen sich hier auch die 60 Jahre Erfahrung, auf die Lütze inzwischen zurückblicken kann.

KEM Konstruktion: Das erlaubt uns einen Schwenk zum Thema Kabel: Wie lässt sich diese Erfahrung zusammenfassen?

Lütze: In der Erkenntnis, dass die grundlegende Frage meines Vaters immer noch richtig ist: Wie lässt sich sicherstellen, dass eine Leitung so lange hält wie die Applikation, in der sie verbaut ist. Dieses Know-how steckt insbesondere in unseren hochflexiblen Superflex-Schleppkettenleitungen, bei denen wir inzwischen ebenfalls über mehr als 50 Jahre Erfahrung verfügen. Auch hier ist das Ziel: die Zuverlässigkeit der Anlage muss jederzeit gegeben sein, zumal ein Leitungswechsel heute aufwendiger als früher ist. Stillstand wollen wir aber vermeiden!

KEM Konstruktion: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Einkabellösungen für den Transport von Energie und Daten?

Lütze: Eine gute Idee, die noch zu wenig genutzt wird – was aus meiner Sicht daran liegt, dass es uns auch angesichts der Industrie-4.0-Diskussion noch nicht ausreichend gelingt, gemeinsame Schnittstellen zu definieren. Der Maschinenbauer wird Einkabellösungen dann als Vorteil sehen, wenn er sie möglichst universell einsetzen kann. Das setzt eine Verständigung der Hersteller untereinander voraus, die wir noch nicht erreicht haben. Da Antriebssysteme überwiegend in sich geschlossene Systeme sind und deren Anbieter jeweils individuelle Schwerpunkte setzen, ist eine Einigung in Form eines Standardkabels- und -steckers leider noch nicht in Sicht.

KEM Konstruktion: Wollen Sie zum Schluss einen Blick in die Zukunft wagen? Woran arbeiten die Lütze-Ingenieure?

Lütze: Hier stellen wir uns natürlich die entscheidenden Fragen: Welche Art der Leitungen brauchen wir tatsächlich in der Zukunft? Wie sieht der Schaltschrank beziehungsweise eine Maschine in der Zukunft aus? Was wird über die Leitungen transportiert? Das werden sowohl Daten als auch Energie sein, wobei Energie nicht zwingend als elektrische Energie zu verstehen ist; gekoppelt werden könnte das auch mit Schläuchen etwa für Druckluft. Am Ende bleibt die entscheidende Frage aber die: Was ist eine sinnvolle Leitung? Diese Frage wollen und werden wir zusammen mit unseren Kunden beantworten.

www.luetze.de

Online lässt sich per Airtemp die Wärmeentwicklung und -verteilung in Schaltschränken berechnen:

hier.pro/Qjjmf


„Wir alle zusammen müssen uns die Frage stellen, welche Daten mit Blick auf die Produktivität einer Maschine oder Anlage sinnvoll zu übertragen sind.“

Udo Lütze, Inhaber der Luetze International Group, Weinstadt
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

„Unser Ziel ist, die Zirkulation der Luft im Schaltschrank nicht zu behindern und die Komponenten entsprechend sinnvoll zu verteilen.“

Udo Lütze, Inhaber der Luetze International Group, Weinstadt
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

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Zum Unternehmen

Mit der Markteinführung des LSC-Systems zur Schaltschrankverdrahtung konnte Lütze 1972 dabei helfen, bis zu 25 % Platz gegenüber dem konventionellen Aufbau einzusparen. Heute reicht das Lieferprogramm von hochflexiblen Steuerleitungen und Kabelkonfektionierungen über das energieeffiziente Airstream-Verdrahtungssystem für Schaltschränke bis hin zu intelligenten Industrie-4.0-Lösungen in den Bereichen Interfacetechnik, Spannungsversorgung und Ethernet-Infrastruktur.

www.luetze.de

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