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Industrie 4.0 ist bei Harting kein Selbstzweck - KEM

Intelligente Infrastrukturkomponenten
Industrie 4.0 ist bei Harting kein Selbstzweck

Während die Echtzeitautomatisierung auf absehbare Zeit weiter direkt in der Maschine stattfinden wird, ist es die Cloud, die mit neuen Services zusätzliche Wertschöpfung wie Predictive Maintenance oder Asset Management innerhalb neuer Industrie-4.0-Konzepte ermöglichen wird. Welche Bedeutung die Geschäftsleitung der Harting Technologiegruppe der Digitalisierung im Detail beimisst, erläutern Dr. Frank Brode, Vorstand Neue Technologien, und Uwe Gräff, Geschäftsführer, Harting Electronics und Harting Electric. Sie erklären auch, welche Rolle dabei intelligente Infrastrukturkomponenten wie Steckverbinder sowie die Datenvorverarbeitung im Feld spielen werden.

Interview: Andreas Gees, stellvertretender Chefredakteur KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Herr Dr. Brode, Herr Gräff, das alles beherrschende Thema Industrie 4.0 wird sicher auch in der Harting Technologiegruppe intensiv diskutiert. Wie definieren Sie I4.0 und IIoT? Welche Bedeutung hat die umfassende Digitalisierung für Ihr Unternehmen und welche gesellschaftspolitische Bedeutung messen Sie dem Themenkomplex bei?
Brode: Für uns war es wichtig, sowohl für uns als auch für unsere Kunden, eine gewisse Ordnung in den Dschungel der Begriffe zu bringen. Das allem übergeordnete Thema ist die Digitalisierung, die zunehmend und bereits deutlich sichtbar die Wertschöpfungsnetzwerke beeinflusst. Industrie 4.0 ist für uns die Digitalisierung in der Industrie und führt zur Integrated Industry. Auf die eigentlichen Repräsentanten der Industriewelt bezogen entsteht so ein Internet der Industrie-Dinge, das IIoT. Die Begriffe hängen also zusammen und beschreiben unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung in der Industrie. Wir nutzen durchgängig den Begriff der Integrated Industry vergleichbar mit der Hannover Messe, denn durch diesen Begriff wird das eigentliche Ziel deutlich. Die vierte industrielle Revolution ist kein Selbstzweck und wurde nicht alleine von einem Paradigmenwechsel in der Automatisierung ausgelöst. Gesellschaftspolitisch kann die Auswirkung nicht hoch genug angesetzt werden, denn diese zum Teil disruptiven Veränderungen führen zu Veränderungen auch in den Geschäftsmodellen, die für die erfolgreiche Zukunft des Standortes Deutschland aber auch ganz konkret für das Unternehmen Harting entscheidend sind. Wir haben daher einen umfassenden Prozess zur Digitalisierung des Unternehmens eingeleitet. Dieser Prozess führt über die Produktion mit erheblicher Steigerung von Flexibilität und Effizienz über die Entwicklung individualisierter Produkte mit Service-Charakter bis hin zu Kooperationen mit unseren Kunden zur gemeinsamen Entwicklung von Innovationen.
Gräff: Diese Prozesse setzen voraus, dass wir die Menschen mitnehmen. Wir müssen unsere Mitarbeiter trainieren, weiterbilden und sie auf dem Weg der digitalen Transformation begleiten. Digitalisierung bedeutet für uns deshalb auch, uns in die unterschiedlichen Situationen unserer Mitarbeiter hinein zu versetzen. Wir haben dazu viele Qualifizierungsprojekte gestartet, die auf die einzelnen Arbeitsplätze zugeschnitten sind. Die Digitalisierung führt letztendlich auch zu erheblichen gesellschaftlichen Umwälzungen. Dabei ist zu beachten, dass unterschiedliche Länder durchaus auch verschiedene Wege gehen. Wir müssen einen auf unsere soziale Marktwirtschaft abgestimmten Weg finden und dabei auch die Bevölkerung einbeziehen.
KEM Konstruktion: Welchen Einfluss hat das auf die Produkte, die Sie entwickeln und herstellen?
Brode: Werden die Maschinen smart, dann muss auch die Infrastruktur smart werden, mit der die Maschinen vernetzt sind. So haben wir beispielsweise vor einiger Zeit den smart Han-Steckverbinder vorgestellt, der zusätzliche Sensorik beinhaltet, um beispielsweise Ströme messen oder optische Signale überwachen zu können. Ein weiterer Aspekt ist, diese Lösung auch mit Aktorik zu kombinieren. Wir wollen diese Steckverbinder beispielsweise davor schützen, unbeabsichtigt gezogen zu werden, was in der Praxis, beispielsweise in der Robotik, große Probleme verursachen kann.
Gräff: Digitalisierung führt zu einer höheren Kommunikationsdichte bzw. zu höheren Datenraten sowie einer ergonomischeren Gestaltung der Han-Steckverbinder. Sie sollen einen höheren Nutzen und zusätzliche Funktionen bieten. Dabei muss man sich mit Hard- und Software, also der Elektronik und der IT beschäftigen. Wir müssen unsere Technologien interaktiv gestalten, sodass sich Informationen gewinnen und analysieren lassen. Hier haben wir mit der Harting Mica ein Tool entwickelt, das eine Auswertung vornimmt, bevor die Informationen an übergeordnete Systeme weitergebeben werden. Damit haben wie einen Schulterschluss zwischen unserem Kerngeschäft der Infrastrukturkomponenten sowie der Cloud geschaffen.
KEM Konstruktion: Das IIoT ist ohne Cloud nicht möglich. Welche Rolle spielt die Cloud zukünftig in der Automation? Hat sie das Potenzial, die Steuerungsebene der Zukunft zu sein?
Brode: Auch die Cyberwelt braucht ein Zuhause – und das wird die Cloud sein. Aber was hier so als universell gepriesen wird, hat doch heute unterschiedlichste Ausprägung und Anbieter. Die Cloud kann ein großes Datenzentrum irgendwo auf der Welt, sie kann aber auch ein Server im eigenen Unternehmen sein. Es reicht von der privaten Cloud, die nichts anderes als einen firmeninternen Netzwerkspeicher darstellt, bis zu Clouds großer Internetfirmen, die ein breites Spektrum Cloud-basierter Services anbieten. Und diese Services sind das eigentlich Entscheidende. Natürlich kann einer der Services zukünftig die Steuerung in der Automation sein, solange es sich um performanceunkritische Prozesse handelt. Ich sehe in der Cloud vor allem die neuen Services, die einen zusätzlichen Wert darstellen. Auf die industriellen Anwendungen bezogen sind das für uns Predictive Maintenance, Asset Management, Energy Management und Sparepart Management.
Gräff: Das Thema wird sehr dynamisch diskutiert, vor allem in Forschungseinrichtungen. Es gibt jedoch so etwas wie die Echtzeitautomatisierung. Heutige Automatisierungslösungen entsprechen bestimmten Standards. Wie sich diese Standards im Rahmen eines Internets der Dinge weiterentwickeln, ist im RAMI-Modell beschrieben. Dieses Modell gibt vor, wie Abläufe optimal strukturiert werden können. Das Modell beschreibt auch, mit welchen Prozessschritten und welchen Lösungen die Standards eingehalten, aber auch, wie neue Modelle umgesetzt werden können. Bevor es irgendwann dazu kommt, dass aus der Cloud heraus Maschinen gesteuert werden, ist noch viel Entwicklungsarbeit erforderlich. Wir sehen dagegen die wachsende Zahl von Sensoren im Feld, die bis zum Jahr 2012 etwa 25 bis 50 Mrd. erreichen soll. Die können ihre Daten nicht alle in die Cloud senden, die müssen im Vorfeld vorverarbeitet werden, damit die Netze nicht absolut überbelastet sind. Eine Vorverarbeitung der Daten ist damit unerlässlich. Die Echtzeitautomatisierung findet dort statt, wo sie hingehört, nämlich in der Maschine. Die Steuerung aus der Cloud ist aktuell nicht das Ziel.
KEM Konstruktion: Unternehmen wie Microsoft, Amazon oder Google mit ihren Cloud-Lösungen versuchen, sich in der bei uns mittelständisch geprägten Automatisierung zu etablieren. Geschäftsführer anderer Unternehmen sehen darin eine Gefahr für die Branche. Stimmen Sie dem zu?
Brode: Kann Wettbewerb eine Gefahr für eine Branche sein? Grundsätzlich ist erst durch schrittweise Nutzung von Ethernet für eine Kommunikationsplattform und jetzt durch die Nutzung von vollständig einheitlicher Informations- und Kommunikationstechnik die Branche nicht mehr als ‚Automation Island‘ zu betrachten. Sie hat sich dieser Herausforderungen gestellt, sie hat gar keine Alternative. Und jetzt geht es darum, die spezielle Kompetenz der Automatisierungstechnik in einem größeren Umfeld und damit auch größeren Markt sinnvoll einzusetzen. Es ist nicht die Zeit sich abzuschotten, sondern im Netzwerk, das auch als Wertschöpfungsnetzwerk zu sehen ist, sich mit Lösungen zu behaupten. Die Automatisierung ist dabei ein Service, der von den klassischen Automatisierern perfekt beherrscht wird und für den ein zeitlicher Erfahrungsvorsprung besteht. Wer hier das Thema als Spezialist adäquat mit offenen Schnittstellen aufgreift, hat immense Marktchancen, gerade als Mittelständler.
Gräff: Wir sehen uns deshalb als Partner dieser Unternehmen, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten. Das hängt auch damit zusammen, dass unsere Lösungen nicht die eigentliche Automatisierung ersetzen sollen. Wir haben vielmehr auch die Maschinen im Visier, die zu vielen Tausend in den Fabriken stehen und bisher nicht IoT-fähig sind. Mit zusätzlicher Sensorik und einer intelligenten Auswertung können wir das erreichen. Mit entsprechenden Algorithmen lassen sich an der jeweiligen Maschine die Sensordaten bewerten und als Dienste über Cloud-Lösungen gemeinsam mit den angesprochenen Unternehmen abdecken. Wir streben eine Zusammenarbeit mit den großen IT-Unternehmen für die Automatisierung an. Deren Kompetenzen möchten wir auf die Industrie übertragen.
KEM Konstruktion: Harting ist eine internationale Größe bei Connectivity-Lösungen für Gebäudeverkabelung und Industrievernetzung. Vom Steckverbinder bis zur Infrastrukturkomponente für die Industrieautomatisierung reicht das Angebot. In welche Richtung wird sich das Produkt- und Lösungsportfolio zukünftig weiterentwickeln?
Brode: Als Connectivity-Hersteller geht es bei uns primär um Schnittstellen. Der Steckverbinder ist eine dieser entscheidenden Schnittstellen, dessen Relevanz auch in einer Integrated Industry hoch ist. Mit unserer Device- und Installation-Connectivity waren wir schon immer in der Welt der professionellen IT und der industriellen Automatisierung zu Hause. Was uns im Zuge der Digitalisierung antreibt, ist die Idee der smarten Steckverbinder. Auch ein Steckverbinder kann als I4.0-Komponente oder Cyber Physical System gesehen werden. Und am Steckverbinder können Daten erfasst werden, die zu komplexen Informationen verarbeitet, wertvolle Informationen für neue Services wie Predictive Maintenance liefern. Das bezieht sich auf die Erhebung und Verarbeitung von Daten durch unsere Harting Mica, aber auch durch die Erhebung von Daten direkt im Steckverbinder, um beispielsweise den Stromverbrauch zu messen. Einen weiteren Aspekt sehen wir in Smart Factories. Hier kommen neue Aufgaben auf den Steckverbinder zu, denn die Modulschnittstelle muss einerseits alle Lebensadern (Power, Data, Signal) steckbar machen und gleichzeitig eine sichere Verbindung für den Anwender und die Anlage darstellen. Die Anforderungen an alle Lebensadern erfüllt Han-Modular, die Anforderungen an die Bedienung werden dadurch erfüllt, dass der Han-Modular smart wird. Diese integrierte Intelligenz macht aus dem Steckverbinder ein Cyber Physical System. Im Rahme unserer Aktivitäten in der Smart Factory KL haben wir bereits Lösungen vorgestellt. Auf der Hannover Messe 2017 werden wir die nächste Stufe unsere smart Han-Lösungen zeigen.
Gräff: Generell werden die Datenraten steigen und die Zahl der Steckverbinder wird weiter zunehmen, sie werden kompakter und zuverlässiger, gleichzeitig sind hohe Steckzyklen und eine große Modularität gefragt. Als Anbieter möchten wir solche smarten Schnittstellen für das Maschinenumfeld bereitstellen. Das Design dieser Steckverbinder muss es ermöglichen, neben dem Spritzen und Stanzen auch mittels 3D-Druck zu fertigen. Wir möchten ja zukünftig nicht nur Komponenten liefern, sondern den Kunden beim Engineering und über den gesamten Lifecycle zu unterstützen. Dazu müssen Modelle zur Verfügung gestellt werden. Dazu wird Unterstützung benötigt, sowohl in der Abbildung der Produkte als auch bei der Simulation. Typische Eckdaten sind das Derating bei der Energie. Wir müssen es dem Kunden leichtmachen, zu entscheiden, ob ein Steckverbinder weiterverwendet werden kann oder ob er ausgetauscht werden muss. In Zukunft wird auch das kollaborierende Engineering gemeinsam mit Kunden an Bedeutung gewinnen, um so Projekte schneller realisieren zu können. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit in Partnernetzwerken erforderlich, wie das am Beispiel des Mica-Netzwerks deutlich wird.
KEM Konstruktion: Eines der aktuellen Produkte von Harting ist die schon angesprochene Mica. Viele Embedded-Spezialisten bieten ähnliche Plattformen. Worin liegt die besondere Bedeutung dieses flexiblen, Linux-basierten Systems?
Brode: Die Hauptvorteile der Mica-Softwarearchitektur lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Durch die Linux-Container lassen sich einzelne Komponenten wie das Einlesen der Daten, die Transkription und die Weitergabe in andere Container isoliert und nach Bedarf austauschen. So erfordert beispielsweise ein Wechsel eines Protokolls oder eines Sensortyps nur das Ersetzen des entsprechenden Containers. Der Rest des Systems läuft ohne Änderung weiter. Das kann Entwicklungszeiten von Wochen oder Monaten auf wenige Tage reduzieren. Durch die Linux-Basis steht Entwicklern das weltweit größte Ökosystem an freien Bibliotheken und Anwendungen zur Verfügung. Von Datenbanken wie MySQL über Programmierumgebungen wie node.js und Node-RED, bis zu Spezialanwendungen, etwa Spritzgussprotokollen wie Euromap 15, können Entwickler frei erhältlichen Code oder fertige Lösungen unkompliziert in ihre Mica-Anwendung integrieren. Die Virtualisierung des Systems bringt einerseits höhere Betriebssicherheit, da ein Problem in einem Container nicht zum Systemabsturz führen kann, andererseits kann die physikalische Welt einfach und direkt abstrahiert werden: ein Sensor ist ein Container, eine Datenanalyse findet in einem zweiten Container statt, und ein Aktor ist ein dritter Container; alle mit einer eigenen IP-Adresse und Erreichbarkeit aus dem Firmennetzwerk oder der Cloud. Das Besondere sind also die hard- und softwareseitigen offene Schnittstellen, die zum Mitmachen in unserem Partner-Netzwerk einladen. Ein Beispiel dafür ist Robotik Operation System Association, die die Entwicklung linuxbasierter modularer Robotersteuerungen vorantreibt und die Mica auch zur Steuerung einsetzt.
Gräff: Die Mica bildet den Übergang von der Applikation zur Ebene der Informationstechnik. Der Ansatz besteht darin, dass unsere Kunden ihr Geschäftsmodell anreichern können durch eigene Ausprägungen des Systems. Wir selbst haben wir für definierte Anwendungsbereiche eigene Lösungspakete entwickelte, bei denen wir erkannt haben, dass man dort bereits fertige Lösungen anbieten muss. Wir brauchen für die Daten-Connectivity in die Cloud so genannte IOT-Connectoren, um die Integra-tion zu erleichtern und um Maintenance auszuführen. Während der SPS IPC Drives haben wir die Mica-Ethercat-Konnektivität vorgestellt, zur Hannover Messe folgen Profinet und Ethernet IP. Mit der Mica sind wir damit nahe an der Applikation.
KEM Konstruktion: Während der SPS IPC Drives in Nürnberg hat ein loser Zusammenschluss von Unternehmen die Einführung von OPC UA TSN als den zukünftigen Feldbus proklamiert. Hat OPC UA TSN als Alternative zu Feldbussen oder Feldbusprotokollen langfristig Aussicht auf Erfolg?
Brode: Wir haben uns seit nun 15 Jahren gegen den Begriff Industrial Ethernet ausgesprochen, weil der Eindruck erweckt wird, dass es ein IT-Ethernet und ein Industrie-Ethernet gibt. Eventuell hat es dies zwischenzeitlich gegeben. Mit Automation IT haben wir bereits 2006 die konvergente Ethernet-Kommunikations-Plattform vorgestellt. Fast Track Switching haben wir als Technologie für diese Plattform entwickelt. Wir sehen mit einer gewissen Genugtuung, dass sich mit TSN heute eine vergleichbare Technologie als universeller Standard für hoch performantes und vor allem deterministisches Ethernet etabliert. Jetzt ist aber daher genau der Zeitpunkt gekommen, die Kommunikationsplattform universell zu nutzen und damit zu neuen Ufern aufzubrechen. Diese sind für uns die beschriebenen neuen Services. Wir sehen uns als Enabler dieser Services. Mit der Mica und smart Han liefern wir die Connectivity, die die realen Prozesse mit der Cloud verbindet. Vom Industrial Ethernet wird bald keiner mehr reden, von den Services schon.
Gräff: OPC ist ein mächtiges Kommunikationsmodell für die Automation. TSN hat die Echtzeitfähigkeit des Standard-Ethernets zum Ziel. In vielen Gremien wird bemängelt, dass eine zu große Vielfalt an Schnittstellen bzw. Feldbusprotokollen existiert. Über OPC UA könnte eine wesentlich stärkere Fokussierung auf einzelne Schnittstellen möglich sein. Es ist durchaus ein bedeutender Vorstoß, wieweit er zum Erfolg führt, bleibt abzuwarten. Ziel des Vorstoßes ist aus unserer Sicht vor allem, die bestehende Vielfalt zu beherrschen.
KEM Konstruktion: Mit dem ix Industrial möchten Sie gemeinsam mit einem japanischen Partner einen Standard als Alternative zum RJ45 bei IP20 setzen. Wie stehen die Chancen?
Brode: Ganz kurz gesagt: Sehr gut. Wir bieten mit dem Harting ix Industrial eine kleinere und gleichzeitig robustere Schnittstelle mit guten Handling-Eigenschaften und perfekter Performance für Übertragungsraten bis 10 Gbit/s. Die Schnittstelle ist bereits nach IEC/PAS 61076-3-124 genormt und offengelegt, und, wie angesprochen, über zwei starke Partner verfügbar. Damit sind die Kundenanforderungen an eine neue Ethernet-Schnittstelle erfüllt. Das bisherige Feedback ist ausgesprochen gut und die Kunden bestätigen uns, dass wir unsere Hausaufgaben gut gemacht haben. Die auf den Herbstmessen vorgestellten ersten Produkte werden nun in die Serienfertigung überführt und wir werden die Baureihe natürlich weiter ausbauen.
Gräff: Diese Entwicklung ist sehr anwendungsspezifisch getrieben. Miniaturisierung ist dabei das alles beherrschende Thema. So benötigen beispielsweise zwei ix- Steckverbinder deutlich weniger Platz auf einer Leiterplatte oder in einem Gerät als zwei RJ45. Schreitet die Miniaturisierung weiter voran, wird man an solchen Lösungen gar nicht vorbeikommen. Wir bieten mit dem Harting ix Industrial eine kleinere und gleichzeitig robustere Schnittstelle mit guten Handling-Eigenschaften und perfekter Performance für Übertragungsraten bis 10 Gbit/s.
KEM Konstruktion: 100 MBits nach Cat. 5 sorgen im 4-poligen D-kodierten M8 für Fast-Ethernet bis an die kleinste Applikation und ermöglichen einen einheitlichen, durchgängigen Standard. Wird der M8 zukünftig GBit-fähig sein?
Gräff: Der M8-d-kodiert in der 4-poligen Ausführung kann nicht für GBit-Ethernet ertüchtigt werden. Für eine GBit-Übertragung werden nach aktuellem Stand der Technik vier Doppeladern-Paare benötigt. Die Paare sind jeweils in sich verdreht, um Störgrößen zu reduzieren und um die gewünschte Übertragungsperformance zu gewährleisten. Wir arbeiten derzeit jedoch an einer innovativen Ethernet-basierten Technologie, um den M8-Steckverbinder zukünftig für GBit-Ethernet-Anwendungen zu qualifizieren.
KEM Konstruktion: Auch für das einpaarige GBit-Ethernet haben Sie eine Lösung vorgestellt. Harting arbeitet dazu an der Standardisierung in einer IEEE-Arbeitsgruppe mit. Was ist das Ziel der Entwicklungen?
Brode: Einpaariges Ethernet wurde primär für die Verkabelung im Auto entwickelt. Harting beschäftigt sich nun damit, diese Lösung für die Industrie weiterzuentwickeln. Dafür sehen wir Anwendungen in Robotik, Maschinenbau, Produktionsüberwachung und auch in der Bahntechnik. Das betrifft auch Automatisierungslösungen für große Entfernungen, wie in der Prozessautomatisierung, aber eben auch Steuerungen rund um Trassen, Pipelines und Tunnel. Hier liegt der Fokus auf der Ablösung klassischer Feldbussysteme durch Ethernet. Das heißt nichts anderes als die Einführung von Ethernet bis in die Feldebene und somit auch bei Sensor- und Aktorsystemen. Die Technik ermöglicht eine vereinfachte Administration. Konfiguration, Parametrierung, Initialisierung und auch Programmierung werden deutlich einfacher. Darin liegt der Einspareffekt und es wird ein weiterer Baustein für Industrie 4.0 gefertigt.
Gräff: Die Namur bzw. die APL-Gruppe verfolgt einen sehr ähnlichen Ansatz und arbeitet ebenso in der IEEE802.3cg Task Force für 10BASE-T1 mit. Alles beginnt mit der Gerätetechnik und den dazugehörigen Chipsätzen. Die dafür notwendige Spezifikation erstellt die IEEE 802.3, in der auch Harting aktiv ist. Damit später alle Komponenten zuverlässig miteinander funktionieren, entwickelt Harting parallel dazu die passende Verbindungstechnik für die Ethernet-Übertragung über ein Adernpaar. Dies geschieht innerhalb der internationalen Standardisierung bei IEC SC48B. Führende Unternehmen, die an der IEEE-Lösung interessiert sind, wollen unbedingt eine Echtzeitlösung aufsetzen können. Auch das wird mit TSN bei IEEE 802.1 implementiert und erlaubt sehr kurze Reaktionszeiten. Die gleichzeitige Energieübertragung zur Fernspeisung kleiner Geräte und Sensoren heißt bei einpaarigem Ethernet PoDL (Power over Data Line). Somit lautet die Erfolgsformel für Zweidraht-Ethernet auch über 1000 Meter: Ethernet nach IEEE802.3 + TSN + PoDL.

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Die Harting Technologiegruppe entwickelt in den Bereichen elektrische, elektronische und optische Verbindungs-, Übertragungs- und Netzwerktechnik, Fertigung, Mechatronik und Software-Erstellung maßgeschneiderte Lösungen und Produkte wie Steckverbinder für die Energie- und Datenübertragung z. B. im Maschinenbau, der Bahntechnik, für Windenergieanlagen, die Fabrikautomation und den Telekommunikationssektor.


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