Wellenförmige Unterlegscheiben, Spiraldruckfedern, Tellerfedern... Die Liste erprobter Federn, die für eine Vielzahl von Anwendungen in Frage kommen, ist...
KEM Konstruktion: Herr Paulus, wie ist es Ihnen gelungen, das Prinzip der Energiegewinnung per Wiegand-Draht in einem Hohlwellen-Drehgeber zu nutzen?
Jörg Paulus (Posital Fraba): Durchgangs- beziehungsweise Hohlwellen-Geber gab es bislang fast nur als Singleturn-Lösung. Beim Vergleich mit Vollwellen-Gebern wird auch klar, warum: Hier können wir einen Wiegand-Draht als Bestandteil unseres Kit-Encoders direkt auf der Achse montieren – und damit Energie für einen energieautarken Multiturn-Geber gewinnen. Bei einem Hohlwellen-Geber können wir den Wiegand-Draht allerdings nur seitlich montieren, was zwangsläufig zu einer Off-Axis-Lösung führt. Diese so zu realisieren, dass wir nun einen ebenfalls energieautarken Multiturn-Hohlwellen-Geber anbieten können, war keine einfache Aufgabe. Unsere jetzt verfügbaren kapazitiven Hohlwellen-Kits verfügen aber auf diese Weise über einen integrierten Rotationszähler, der jede einzelne Umdrehung exakt erfasst und dokumentiert – und das ohne externe Stromversorgung oder stör- und wartungsanfällige Batterien.
KEM Konstruktion: Welcher Aufwand ist erforderlich, um den Wiegand-Draht ‚in Seitenlage‘ sinnvoll nutzen zu können?
Paulus: Hier kommt uns unser Know-how von den Kit-Encodern zugute – bei diesen gelingt es uns ja, über die Analyse des Magnetfeldes die Genauigkeit eines magnetischen Sensors in Richtung optischer Systeme zu verschieben. Entsprechend viel Analytikaufwand steckt in der Entwicklungsphase der Hohlwellen-Kits – am Ende aber vor allem das praktische Experiment, welche Lösung am besten funktioniert. Konkret nutzen wir ein System mit vier diametral angeordneten Magneten. Diese sorgen für ein stabiles Magnetfeld, das der im Stator installierte Wiegand-Sensor detektieren und nutzen kann. Der Wiegand-Draht kann auf diese Weise die Zählelektronik mit Energie versorgen und sicherstellen, dass jede einzelne Umdrehung exakt erfasst wird. Der Multiturn-Zähler verfügt dazu über einen 43-bit-Speicher für einen Messbereich von fast neun Billionen Umdrehungen. Entscheidend für die Umsetzung dieser Lösung ist letztlich unser detailliertes Know-how zu Magnetfeldern – hier zeichnet der Kollege Dr. Hanno Volker verantwortlich – und Wiegand-Sensoren, die wir ja selbst produzieren. Übrigens: Nicht jeder Wiegand-Draht eignet sich für die Hohlwellen-Kits – hier muss vorab eine genaue Auswahl erfolgen, damit wir die Funktion sicherstellen können.
KEM Konstruktion: Beim Messverfahren selbst setzen Sie beim Hohlwellen-Geber aber auf ein kapazitives System?
Paulus: Exakt – wir haben hier bewusst einen anderen Weg gewählt, obwohl wir generell ja den Wechsel von optischer zu magnetischer – weil robusterer – Messtechnik vorantreiben (Anm. d. Red.: siehe Interview mit Fraba-Vorstand Christian Leeser, KEM Konstruktion Sonderausgabe Antreiben – Steuern – Bewegen 2017, S. 16ff, hier.pro/0bZfk). Der Grund ist einfach, dass sich magnetische Systeme nur sehr schwer in ein Hohlwellen-Design umsetzen lassen. Zudem punktet die kapazitive Messtechnik mit Zuverlässigkeit und Präzision zu moderaten Kosten – auch das ein Aspekt, der für uns eine sehr wichtige Rolle spielt; der Aufwand muss sich letztlich ja auch rechnen. Die Auflösung der Hohlwellen-Kits erreicht immerhin 18 bit bei Singleturn- oder 16 bit bei Multiturn-Einsätzen bei einer Genauigkeit von ± 0,02 Grad. Schlüsselkomponenten der kapazitiven Kits sind die mit unterschiedlichen Mustern gestalteten leitfähigen Oberflächen von Rotor und Stator; sie erzeugen elektrische Hochfrequenzsignale, die über ASIC-Prozessoren gescannt werden. Dabei werden die aktuellen Weg- und Winkelparameter als eindeutiger Positionswert über die Open-Source-Schnittstellen SSI oder BiSS C an die zentrale Steuerung weitergeleitet. Ein Vorteil ist zudem, dass beim Scannen immer die komplette Oberfläche erfasst wird – dadurch lassen sich die Hohlwellen-Kits auch von punktuellen Verschmutzungen nicht irritieren.
KEM Konstruktion: Welche Awendungen adressieren Sie mit den Hohlwellen-Kits?
Paulus: Die Nachfrage kommt vor allem aus dem Bereich der Robotik – nicht zuletzt von den immer populärer werdenden Cobots. Unsere Montage-Kits, die bei einem Außendurchmesser von 80 Millimeter gerade einmal 110 Gramm wiegen, lassen sich direkt in die Gelenke der Roboterarme integrieren. Punkten können die Kits überall dort, wo Bauraum knapp ist. Sie sind nur 17,8 Millimeter tief und die zentrale Öffnung misst 30 oder 50 Millimeter im Durchmesser – was sie nicht nur für viele Anwendungen interessant macht, sondern auch Montage und Inbetriebnahme vereinfacht. Ein paar Handgriffe genügen – und das Messsystem ist ganz ohne schwierige Kalibrierung einsatzbereit.
KEM Konstruktion: Welche weiteren Entwicklungstrends verfolgen Sie?
Paulus: Zum einen erleichtern wir über die Unterstützung weiterer Schnittstellen und Protokolle weiter die Einbindung unserer Lösungen in übergeordnete Systeme – beispielsweise über IO-Link oder Profinet. Zum anderen arbeiten wir permanent an der weiteren Miniaturisierung unserer Produkte. Unser Standard-Kit-Encoder hatte bei seiner Einführung einen Durchmesser von 36 Millimeter – zur SPS 2019 stellen wir eine 22-Millimeter-Variante vor.
Weitere Details zur Funktionsweise des Multiturn-Hohlwellen-Drehgebers:
Messe SPS 2019: Halle 4A, Stand 401
Fraba GmbH
Posital Fraba
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50667 Köln
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Bild: Konradin Mediengruppe
„Der von Posital seit Jahren bei Vollwellen-Gebern eingesetzte Wiegand-Harvester, der Rotationsbewegungen in elektrische Impulse umsetzt, wurde mit viel Aufwand für das Hohlwellen-Design fit gemacht und ermöglicht nun den komplett energieautarken Betrieb von Multiturn-Hohlwellen-Gebern.“