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Konzeptvergleich von Kugelgewindetrieben mit angetriebener Spindel oder Mutter

Konzeptvergleich für lineare Bewegungsachsen
Kugelgewindetriebe mit angetriebener Spindel oder Mutter

In den letzten Jahren entwickelten sich rund um den Kugelgewindetrieb unterschiedliche Lösungen für den individuellen Einsatz. Aus der simplen Wahl von Durchmesser und Steigung der Spindel entstand zur Anpassung an die Kundenanwendung ein vielfältiges Angebot. Es lohnt sich daher, das Maschinenelement Kugelgewindetrieb in seinen wichtigsten Ausprägungen zu beleuchten – insbesondere die Varianten mit angetriebener Spindel im Konzeptvergleich zur angetriebenen Mutter.

 

Der Autor Peter Fuhlendorf ist Leiter des Produktbereiches Kugelgewindetriebe der Bosch Rexroth AG Linear Motion and Assembly Technology in Schweinfurt

Inhaltsverzeichnis

1. Kugelgewindetrieb konventionell mit angetriebener Spindel
2. Kugelgewindetrieb mit angetriebene Mutter als Alternative
3. Vergleich von Kugelgewindetrieben mit angetriebener Mutter oder Spindel
4. Option Hohlwellenmotor für Kugelgewindetriebe für angetriebener Mutter
5. Fazit: Kugelgewindetrieb als universelles Antriebskonzept

Dem Anwender stehen heute eine Vielzahl von Antriebslösungen für lineare Bewegungsachsen zur Verfügung. So ist beispielsweise der Zahnstangenantrieb insbesondere bei langen Achsen ein geeignetes Element. Für Antriebskonzepte mit hohen Geschwindigkeiten stellt der Zahnriemen eine kostengünstige Lösung dar. Der Linearmotor dominiert die Kriterien Wartungsfreiheit und Genauigkeit, hat aber die höchsten Anschaffungskosten.
Im Vergleich zu diesen Lösungen zeigt der Kugelgewindetrieb mit angetriebener Spindel sehr ausgeglichene Eigenschaften. Eine technisch noch leistungsfähigere Variante stellt der Kugelgewindetrieb mit angetriebener Mutter dar. Der Geschäftsbereich Linear Motion and Assembly Technologies der Bosch Rexroth AG hat in den vergangenen Jahren dazu unterschiedliche Star-Produkte entwickelt.

Kugelgewindetrieb konventionell mit angetriebener Spindel

Die am häufigsten anzutreffende Variante beim Einsatz von Kugelgewindetrieben ist die direkt von einem Servomotor oder über Zahnriemen angetriebene Spindel. Auf der rotierenden Spindel führt die Mutter die gewünschte Vorschubbewegung aus. Leistungsmerkmale wie erreichbare Lebensdauer, Lineargeschwindigkeit, Steifigkeit, Dynamik und Positioniergenauigkeit hängen von der Dimensionierung, Länge der Spindel und den Endenlagerungen ab. In Zusammenhang mit der maximalen Geschwindigkeit ist der Drehzahlkennwert ein häufig werblich besonders herausgestelltes Merkmal.
  • Steifigkeit von Kugelgewindetrieben
    Zum Thema Steifigkeit wurde früher hauptsächlich der Zweipunktkontakt der Doppelmutter und der Vierpunktkontakt der über Kugelsortierung vorgespannten Einzelmutter diskutiert. Hier hat der Kostendruck die Doppelmutter fast völlig verdrängt. Der gewünschte, gleichmäßige und ruhige Ablauf der Kugeln gelingt heute durch verbesserte Toleranzen auch in der Einzelmutter. Die Steifigkeit des Kugelkontaktes in der Mutter übertrifft die längenabhängige Steifigkeit der Spindel schon bei einer kurzen Spindel erheblich. Bei hohen Spindelsteigungen sind Einzelmuttern auf mehrgängigen Spindeln Stand der Technik. Hier wird auf der Spindel mehr als nur ein mit Kugeln befüllter, tragender Gewindegang vorgesehen. Da die Tragzahl mit der Kugelanzahl steigt, kann die Mutter sehr kurz bauen. Die Kugelumlenkung in der Mutter ist dabei vielfach mit Endkappen ausgeführt. Das ermöglicht die Aufnahme von bis zu vier Umlenkstücken.
    Eine weitere Steigerung der Tragzahl lässt sich durch größere Kugeldurchmesser erreichen. In Verbindung mit einer höheren Steigung und mehrgängigen Spindeln wird dies speziell in anspruchsvollen Werkzeugmaschinenanwendungen genutzt.
  • Lebensdauer
    Verschiedene Faktoren beeinflussen die Lebensdauer eines Kugelgewindetriebes. Bei sorgfältiger Auslegung erreicht er die berechnete Lebensdauer sicher, oder überschreitet sie durch die vielfältigen Detailverbesserungen der letzten Jahre. Mit entsprechender Herstellpräzision und Einhaltung der Qualitätsmerkmale nach DIN 3408-3 bei der Spindelherstellung kann eine Spindel je nach Zweckmäßigkeit entweder durch umformendes Präzisionsrollen oder spanend durch Fertighartwirbeln beziehungsweise Schleifen hergestellt werden. Durch die herstellerseitige Erstbefettung wird Schmiermangel bei der Inbetriebnahme vermieden. Lediglich aggressive Kühlschmiermittel in Werkzeugmaschinen sind eine ständige Herausforderung für Hersteller und Anwender gleichermaßen.
  • Biegekritische Drehzahl der Spindel
    In vielen, heute immer häufiger anzutreffenden hochdynamischen Anwendungen, nähert sich die Betriebsdrehzahl der biegekritischen Drehzahl der Spindel. Auf Grund thermischer Einflüsse ist ein hochdynamisches Maschinenkonzept aus physikalischen Gründen mit der konventionellen Lösung nur schwer zu erreichen. Naheliegend wäre, die Steigung der Spindel zu vergrößern. Dies wirkt drehzahlsenkend, erhöht aber das Antriebsdrehmoment proportional und senkt tendenziell die Positioniergenauigkeit. Deshalb sind quadratische oder überquadratische Steigungen in der Blech- und Holzbearbeitung durchaus verbreitet, nicht aber in der klassischen Werkzeugmaschine. Will man bei langen Spindeln aus Kostengründen auf die teure Festlager-Festlager-Anordnung der Spindeln verzichten, bieten doppelte Loslager dagegen eine kostengünstige Alternative. Damit wird gleichzeitig vermieden, dass die Spindeldehnung als äußere Reckkraft durch die Endenlager aufgenommen werden muss.

Kugelgewindetrieb mit angetriebene Mutter als Alternative

Um die Systemeigenschaften weiter zu steigern, kann der konstruktive Aufbau des Kugelgewindetriebes geändert werden. Die Spindel wird als stehendes Element eingebaut und die wälzgelagerte Mutter angetrieben. Im einfachsten Fall erfolgt dies durch einen Zahnriemen.
  • Vorteile durch Systeme aus einer Hand
    Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bieten hier Komplettlösungen vom Hersteller entscheidende Vorteile. Alle für diese Aufgabe konzipierten Bauteile wie Mutter, Spindel, Wälzlager, Riemenvorgelege und AC-Servomotor können vormontiert aus einer Hand geliefert werden. Das reduziert den Konstruktions- und Montageaufwand beim Maschinenhersteller. In der Vergangenheit oft praktizierte kundenseitige Verlegenheitslösungen, wie die häufig mit einer Adapterkonstruktion an vorhandene Lagerinnendurchmesser angepasste Katalogmutter eines Herstellers, können entfallen. Außerdem wird der kundenseitige Montageaufwand bei der Wälzlagerung mit Schrägkugellagern minimiert.
  • Uneingeschränkte Anpassung der Kugelgewindetriebe
    Die Abstimmung an die dynamischen Gegebenheiten einer Anwendung kann über die Steigung des Kugelgewindetriebes, über die Riemenübersetzung und über die Motorwahl aus dem Baukasten uneingeschränkt erfolgen. Ein Mutterngehäuse ist überflüssig, wenn das Mutternlager als eine in sich geschlossene, gedichtete Einheit ausgeführt ist. Da der Kraftfluss in Spindellängsrichtung entsteht, sind zur Befestigung lediglich axiale Bohrungen im Lageraußenring vorzusehen. Ob dann zusätzlich radial zentriert, oder radial einstellbar verschraubt wird, bleibt dem Anwender überlassen.

Vergleich von Kugelgewindetrieben mit angetriebener Mutter oder Spindel

Was kann die angetriebene Mutter besser als die konventionelle Lösung mit angetriebener Spindel?
  • Kritische Drehzahl
    Die häufigste Frage in diesem Zusammenhang ist die nach der kritischen Drehzahl. Eine entsprechende Eigenfrequenz der Spindel existiert auch bei der angetriebenen Mutter, obwohl sich die Spindel nicht mehr dreht, also durch Spindelunwuchten nicht erregt werden kann. Unerwünschte Schwingungen können dabei durch andere Einflüsse wie fertigungsbedingte Rundlauffehler oder Unwuchten in der Mutterneinheit entstehen. Die maßgeschneiderte Fertigung und Präzision des Kugelgewindetriebes ist also ein Muss. Aus physikalischen Gründen kann auch bei der neuen Lösung die Eigenfrequenz nicht wesentlich erhöht werden.
    Ein überkritischer Betrieb ist aber dennoch möglich, da die Eigenfrequenz durchfahren wird, ohne dass sich das System aufschwingt. Basis dafür ist die stehende Spindel und somit nicht vorhandene Erregung durch diese.
  • Lebensdauer und Steifigkeit
    Ein weiterer, entscheidender Vorteil der stehenden Spindel ist, dass lebensdauerbegrenzende, durchmesserbedingt schwache Endenlager der Spindel nicht mehr erforderlich sind.
    Somit kann zur besseren Steifigkeit und Temperaturkompensation eine hohe Zugkraft auf die Spindel ausgeübt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, die stillstehende Spindel hohlzubohren und Verlustwärme einfach über Flüssigkeitskühlung abzuführen. In Versuchen hat sich dies im Vergleich zu Flüssigkeitskühlung der Mutterneinheit als äußerst effektiv erwiesen.

Option Hohlwellenmotor für angetriebener Mutter

Die logische Weiterentwicklung der über einen Riemen angetriebenen Mutter stellt der Hohlwellenmotor dar. Dieser wird ohne weitere Übertragungselemente direkt an die Mutter angeflanscht und umschließt die Spindel. Durch die hohe Integration aller Bauteile entsteht eine sehr hohe Leistungsdichte mit nochmals verbesserten Systemeigenschaften. Der in den vergangenen Jahren häufig auf 150.000 gesteigerte Drehzahlkennwert der Kugelgewindetriebsmutter kann hier ausgereizt werden. Dabei ist die Drehzahlgrenze vom Mutternlager zu beachten. Lineargeschwindigkeiten von über 120 m/min mit Beschleunigungen von 20 m/s2 sind bei gleichzeitig hoher Systemsteifigkeit und Einschaltdauer nutzbar.

Fazit: Kugelgewindetrieb als universelles Antriebskonzept

Abschließend betrachtet ist der Kugelgewindetrieb, ob konventionell mit rotierender Spindel oder umgekehrt mit angetriebener Mutter, ein universelles Antriebskonzept. In Verbindung mit einem Hohlwellenmotor bietet er Leistungsmerkmale, die eine technische und wirtschaftliche Alternative zum Linearmotor darstellen.
 
Kontakt:
Bosch Rexroth AG
Zum Eisengießer 1
97816 Lohr am Main
Tel. +49 9352/18-0
www.rexroth-star.com

 

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