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Virtuelle Inbetriebnahme senkt Stresspegel

Digitaler Zwilling
Virtuelle Inbetriebnahme senkt Stresspegel

Eine virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) ist der klassische Anwendungsfall für den digitalen Zwilling im Maschinen- und Anlagenbau. Das führt nicht nur zu Effizienzsteigerungen und kürzeren Projektzeiten, sondern durch die Vorverlagerung von Aufgaben aus der Ausführungs- in die Engineeringphase entspannt sich auch die Arbeitssituation während der Errichtung und dem Hochfahren einer Anlage deutlich. Die Techniker haben sehr viel mehr Zeit, die Anlage zu testen und zu optimieren, ohne dadurch den Übergabetermin zu gefährden.

Dr. Christian Daniel, Business Manager Simulation Technology, ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

1. Den Druck aus dem Kessel nehmen
2. Teamarbeit leicht gemacht
3. Die Anlagenkonfiguration absichern
4. VIBN – mehr als nur Bestandteil des Produktlebenszyklus
5. Die mitwachsende Online-Komponentenbibliothek
6. Simulationstechnologie als Teil der Wertschöpfung
7. Fazit
8. Multicore-Unterstützung

Den Druck aus dem Kessel nehmen

Ganz gleich ob man eine Papiermaschine aufbaut, Bergbautechnik installiert oder ein Kraftwerk errichtet – am Ende eines Anlagenbauprojekts geht es zumeist sehr hektisch zu. Die Inbetriebnehmer stehen unter immensem Druck, was akut oder langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Zudem machen gestresste Mitarbeiter mehr Fehler oder verlieren gar die Lust an ihrer Arbeit. Können sie jedoch einen Teil ihrer Arbeitsaufgaben vorziehen, indem sie das zu liefernde Produktionssystem virtuell in Betrieb nehmen und austesten, entspannt das die Situation später auf der Baustelle erheblich.

Die Verantwortlichen haben mit der virtuellen Inbetriebnahme (VIBN) auch die Möglichkeit, die (virtuelle) Anlage viel umfänglicher und intensiver auf Herz und Nieren zu prüfen – mit den entsprechenden positiven Effekten für die Qualität. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter in der frühen Projektphase noch nicht vor Ort sein müssen, sondern im Büro oder Homeoffice arbeiten können. Die Lärmbelastung ist dort in der Regel sehr viel geringer als auf der Baustelle. Sie können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren, ohne durch Rückfragen wiederholt gestört zu werden.

Teamarbeit leicht gemacht

Dank des zeitigeren Informationsaustauschs zwischen den verschiedenen Disziplinen – Mechanik, Elektrik und Software – läuft die Abstimmung strukturierter ab, Passungenauigkeiten oder Missverständnisse werden schneller erkannt und behoben. Doch auch für die Zusammenarbeit mit dem Kunden ist ein Simulationsmodell ein sehr effektives Kommunikationsmittel: Anlagenbauer und der spätere Betreiber können iterativ ihre Ideen und Vorschläge am Modell testen und sich gegenseitig inspirieren. Es findet en passant ein für alle Beteiligten vorteilhafter Wissensaustausch statt.

Die Anlagenkonfiguration absichern

Durch die VIBN findet die Sicherheitsbetrachtung zu einem sehr frühen Zeitpunkt statt und man kann bei Bedarf gegensteuern, zum Beispiel bevor in der Konstruktion weiterer, letztendlich vergeblicher Aufwand anfällt beziehungsweise nachgearbeitet werden muss oder etwa die falschen Bauteile bestellt werden. Als Faustregel gilt: Die Fehlerkosten wachsen in jeder weiteren Projektphase auf das Zehnfache an. Im Umkehrschluss lassen sich diese Kosten also signifikant reduzieren, je zeitiger ein Fehler behoben wird. Die eigene Fertigung wird damit hinsichtlich der Kosten aber auch der Durchlaufzeit effizienter, der Kunde profitiert von einer gesteigerten Prozessqualität.

ISG zeigt Neuerungen ihrer Simulationsplattform für digitale Zwillinge

VIBN – mehr als nur Bestandteil des Produktlebenszyklus

Auch außerhalb des eigentlichen Baus einer Anlage – von der Konzeption bis hin zum Go-live – bringt eine VIBN enorme Vorteile mit sich. Mit ihr lässt sich die gesamte Wertschöpfungskette digital abbilden und sowohl technologisch als auch organisatorisch – beispielsweise hinsichtlich der Lieferketten – optimieren. Vorteile ergeben sich

  • für den Vertrieb:
    Der Sales-Ingenieur muss nicht auf Zeichnungen, Fotos und Videos einer bestehenden Anlage zurückgreifen, die sehr wahrscheinlich nicht dem entspricht, was der aktuelle Kunde möchte. Stattdessen zeigt er ihm ein bewegtes, bereits individuell angepasstes 3D-Modell und kann sogar verschiedene Auslegungen oder Designs mit ihm durchspielen.
  • im Service sowie in Forschung & Entwicklung:
    Auch bei Bestandsanlagen dient die VIBN dazu, alternative Szenarien hinsichtlich ihrer Machbarkeit, Kosteneffekte und Prozessoptimierung zu testen. Bei Neuentwicklungen verkürzt sich die Time-to-Market erheblich. Engineeringdaten für Forschung und Entwicklung oder für ähnlich gelagerte Aufträge stehen übrigens auch noch dann zur Verfügung, wenn die Anlage bereits beim Kunden läuft.
  • in der Aus- und Weiterbildung:
    Neue Mitarbeiter profitieren von den VIBN-Daten, indem sie sehr praxisnah eingearbeitet werden – an digitalen Anlagen, deren Pendants real existieren. Ebenso lässt sich der digitale Zwilling zur Schulung des Bedienpersonals und in der Ausbildung von Lehrlingen und Studenten einsetzen.

Die mitwachsende Online-Komponentenbibliothek

Im Maschinen- und Anlagenbau kommen viele Standardkomponenten zum Einsatz, etwa bei den Antrieben oder der Fördertechnik. Selbst Sonderanlagen lassen sich in der Regel zu 80 bis 90 % aus verfügbaren Modulen aufbauen. Liegt der digitale Zwilling einmal vor, lässt er sich immer wieder von neuem benutzen. Die späteren Anwender haben zudem die Sicherheit, dass es sich dabei um praxiserprobte Einheiten handelt – im Anlagenbau mit seinen hohen Sicherheitsstandards und anspruchsvollen Budgetvorgaben ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

TwinStore von ISG Steuerungstechnik als Online-Plattform für Komponentenmodelle

Noch größer ist das Einsparpotenzial im Hinblick auf sowohl den zeitlichen als auch finanziellen Aufwand, wenn sich mehrere Anlagenbauer und Bauteil-Lieferanten ihre virtuellen Komponenten teilen. Das gelingt am einfachsten über die plattformbasierte, modulare Online-Komponentenbibliothek TwinStore, die sich stetig erweitern lässt. Sie wächst mit jedem neuen digitalen Zwilling und stellt fertige Teilmodelle zur direkten Integration in verschiedenste Einsatzszenarien zur Verfügung. Damit reduzieren sich die Modellierungszeiten. Zudem erhöht sich die Aussagekraft der virtuellen Inbetriebnahme, da die Modelle existierender Komponenten und Anlagen die Realität ideal abbilden. Als Online-Plattform ist ein orts- und zeitunabhängiger Zugriff gegeben. Den Anlagenbauern bieten sich zugleich neue Erlösquellen – durch die Bereitstellung der digitalen Zwillinge oder von Simulationsmodellen und Dienstleistungen wie vorausschauender Wartung.

Simulationstechnologie als Teil der Wertschöpfung

Für die VIBN fallen einmalig finanzielle Aufwände für die entsprechende Hard- und Softwareausrüstung an. Dazu kommen projektbezogene Ausgaben. Etwa die Kosten für eigenes Personal oder Dienstleister, die die Simulationsmodelle erstellen und die einzelnen Tests der VIBN konfigurieren. Bei den Aufwänden für das Durchführen der virtuellen IBN selbst handelt es sich jedoch nicht um zusätzliche Kosten, kompensieren sie doch spätere Aufwände bei der realen IBN.

Idealerweise haben sich die VIBN-spezifischen Kosten bereits nach dem Anfahren der ersten Anlage amortisiert. Maximale Effizienzgewinne erzielt man durch die Wiederverwendung der digitalen Bauteile und der ebenfalls modular aufgebauten Simulationsmodelle. Die virtuelle Steuerung sollte jedoch nicht Bestandteil der Simulation sondern via Schnittstelle verbunden sein. Entscheidend ist die Durchgängigkeit der eingesetzten Simulationsmethoden – von Model-in-the-Loop über Software-in-the-Loop bis hin zu Hardware-in-the-Loop. Es ist beispielsweise häufig der Fall, dass die Konstrukteure am Projektbeginn noch nicht einschätzen können, welche Antriebstechnik sich am besten eignet. Deshalb arbeiten sie zunächst mit diversen Simulationsmodellen, die sie später durch den digitalen Zwilling ersetzen.

Fazit

Eine in die digitale Wertschöpfungskette integrierte VIBN zahlt sich für alle Beteiligten aus – eine Win-Win-win-Situation für Komponentenlieferanten, Anlagenbauer und Betreiber. Neben Zeitgewinnen und immensen Kosteneinsparungen stehen eine verbesserte Qualität der Produktionssysteme, ihre schnelle Anpassbarkeit sowie neue Möglichkeiten zur Anlagen- und Prozessoptimierung auf der Habenseite. Weitere Pluspunkte sind praxisnahe Schulungen und eine reduzierte Time-to-Market. (co)

Weitere Infos zur digitalen Austauschplattform TwinStore für modulare Simulationsmodelle zur virtuellen Inbetriebnahme:
hier.pro/pRtDR

Kontakt:
ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH
STEP, Gropiusplatz 10
70563 Stuttgart
Tel. +49 711/22992-30
www.isg-stuttgart.de


Multicore-Unterstützung

ISG hat zu seiner Simulationsplattform ISG-virtuos Ende 2021 auch die neueste Version des ISG-kernel vorgestellt. Der Steuerungskern kann die erweiterten CNC-Aufgaben jetzt auf unterschiedliche Cores einer Steuerungsplattform (Multicore) verteilen und so das Steuerungssystem für alle Applikationsanforderungen skalieren. Die Softwarelösung eignet sich für nahezu alle Bereiche von CNC, Robotik und Motion Control.

Neben den Erweiterungen rund um die skalierbaren und konfigurierbaren Multicore-Funktionen der Steuerung werden zudem zusätzlich zu gewohnten Roboterkinematiken nun auch redundante Kinematiken mit Zusatzachsen wie Linearachse und Dreh-Schwenktisch unterstützt. Die Integration innovativer Glättungsverfahren erlaubt eine weitere Erhöhung der Bahngeschwindigkeiten und ermöglicht dadurch reduzierte Fertigungszeiten.

Die Software ist als Komponente leistungsfähiger Steuerungen am Markt erhältlich. Darüber hinaus ist ISG-kernel als plattformunabhängiges eigenständiges Softwarepaket verfügbar, um bereits bestehende Steuerungstechnik um High-end-Funktionalitäten zu ergänzen.

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