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Systems Engineering – Diskussion des Begriffs

Begriffe des Systems Engineerings – Teil 1
Systems Engineering – Diskussion des Begriffs

In Teil 1 unserer Rubrik SE-Glossar widmen wir uns zunächst einer ausführlichen Diskussion des Begriffs ‚Systems Engineering‘ – bis hin zu dem Hinweis, dass der Buchstabe ‚s‘ in ‚Systems‘ nicht ohne Grund am Ende steht. Natürlich geben wir auch Hinweise zu ergänzender Literatur.

Christian Tschirner ist Bereichsleiter Kommunikation & Veranstaltungen, Sven-Olaf Schulze Vorsitzender der GfSE

Inhaltsverzeichnis

1. In der Diskussion bereits seit den 1930ern
2. Der kleine Unterschied
3. Zu dieser Rubrik

 

Was ist Systems Engineering? Der kleinste gemeinsame Nenner der Fachwelt findet sich in der durch das International Council on Systems Engineering (INCOSE) geprägten Definition – hier in der deutschen Übersetzung:

„Ein interdisziplinärer Ansatz und ein Mittel, die Verwirklichung erfolgreicher Systeme zu ermöglichen. Der Ansatz zielt darauf, Kundenbedürfnisse und die notwendige Funktionalität früh im Entwicklungsprozess zu definieren, die Anforderungen zu dokumentieren und dann unter Berücksichtigung des Problems in seiner Gesamtheit mit dem Systementwurf und der Abstimmung mit dem Kunden fortzufahren. Systems Engineering betrachtet sowohl die wirtschaftlichen als auch die technischen Bedürfnisse des Kunden, mit dem Ziel, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erzeugen, das den Bedürfnissen der Nutzer gerecht wird.“ (INCOSE)

Aus dieser Definition stechen folgende Begriffe hervor: interdisziplinär, früh, dokumentieren, gesamtheitlich, wirtschaftlich, technisch – ein herausforderndes Anforderungsprofil. Die Anzahl und Verschiedenartigkeit an Beschreibungen zur Entwicklung dieses Verständnisses lässt dabei keine einheitliche Darstellung in ihrer zeitlichen Entwicklung zu – wir versuchen es mit einem Ausschnitt.

In der Diskussion bereits seit den 1930ern

Die Ursprünge des modernen Systems Engineerings liegen in den 1930er Jahren: Die wissenschaftlichen Aspekte haben ihre Wurzeln in den philosophischen Betrachtungen zur allgemeinen Systemtheorie nach Bertalannfy. Der Durchbruch in der Praxis unter dem Namen Systems Engineering wurde etwa ab den 1940er Jahren bei den Bell Laboratories erzielt. In den USA wurden die Ansätze anschließend maßgeblich durch die NASA genutzt und weiterentwickelt. Im deutschsprachigen Raum wurden ähnliche Konzepte meist unter den Begriffen Konstruktionssystematik und auch Systemtechnik zusammengefasst. Grafik 1 zeigt eine Übersicht wesentlicher Meilensteine des Systems Engineerings – unterschieden nach europäischen Aktivitäten und US-amerikanischen Ansätzen. Dabei fällt einerseits auf, dass offenbar die US-Ansätze besser dokumentiert sind. Andererseits fallen auch die starken Anstrengungen zur Vereinheitlichung des Systems Engineering auf, zum Beispiel durch die ISO/IEC 15288 oder ISO/IEC 42010 – insbesondere seit Gründung der INCOSE. Auch wenn diese Initiativen häufig noch intensiv durch die Software-Community getrieben sind, so sind sie doch besonders wertvoll für die Kreation allgemeiner technischer Systeme. Ebenso wird deutlich: Systems Engineering ist im Prinzip eine eigene Fachdisziplin, die die Vorgehensweisen der anderen Fachdisziplinen sinnvoll miteinander verknüpft. Dabei bezieht sich das nicht nur auf die technischen Fachbereiche, sondern geht weit darüber hinaus. Wie weit dieses Verständnis reicht, zeigt Grafik 2 – in Anlehnung an den bekannten Systems Engineer Derek Hitchins.

Selbst wenn es also um die Entwicklung eines technischen Systems geht, dürfen die Betrachtungsgrenzen nicht zu eng gezurrt sein. Die ISO/IEC 15288:2008(E) – Systems and software engineering – System life cycle processes (kurz ISO/IEC 15288:2008) stellt hierzu ein umfangreiches Repertoire wesentlicher Prozesse zusammen, die der Arbeit des Systems Engineers einen Rahmen geben (siehe Grafik 3). Sie reichen von den Technischen Prozessen hin bis zu Aspekten des Personal-Managements. Damit diese Prozesse gelebt werden können, hat sich bis heute in der Luft- und Raumfahrt ein umfangreicher Systems-Engineering-Werkzeugkasten entwickelt, der im Prinzip auch für viele andere Branchen nutzbar ist. Das beginnt bei einfachen N2-Matrizen zur Darstellung der Abhängigkeiten zwischen einzelnen Aspekten und geht hin bis zu dem seit geraumer Zeit diskutierten Model-Based Systems Engineering (MBSE) – Begriffe, die wir in kommenden Ausgaben detailliert vorstellen.

Der kleine Unterschied

Wir möchten noch darauf hinweisen, wie wichtig der kleine Buchstabe ‚s‘ ist. Gemeint ist der Unterschied zwischen Systems Engineering und System-Engineering. Es ist nur ein kleines Detail, aber mit großen Auswirkungen! Im Sinne des einheitlichen Verständnisses und der eindeutigen Begriffsbildung sollte gelten:

  • Systems Engineering ist fachdisziplinübergreifend. Der Schwerpunkt liegt auf den Denkweisen, Methoden, Prozessen und Vorgehensweisen zur Verknüpfung der Aktivitäten in einem Projekt. Wichtig ist Wissen – aber nicht in der Tiefe eines Fachingenieurs. Systems Engineering verbindet die jeweiligen Fachdisziplinen.
  • System-Engineering ist dagegen die Anwendung der spezifischen Methoden einer Fachdisziplin, wie etwa Konstruktion und Softwareentwicklung. Hierbei ist das Wissen einer speziellen Disziplin unabdingbar!

INCOSE und GfSE fördern das Systems Engineering und bringen es in die Anwendung!

www.incose.org, www.gfse.de


Info

Zu dieser Rubrik

‚In erster Linie geht es um Kommunikation‘ – das war der Titel der Titelstory der ersten Ausgabe der develop3 systems engineering, heute KEM Systems Engineering. Tatsächlich wird die Bedeutung von Kommunikation in Projekten häufig unterschätzt. Projekte sind heute höchst interdisziplinär und im Regelfall über Zeitzonen, Kulturkreise und Sprachräume verteilt. Die präzise und konsistente Verwendung von Begriffen wird somit zur Schlüsselkompetenz. Eine der ersten Aufgaben des Systems Engineers im Projekt ist deshalb die Schaffung eines Vokabulars, das eine eindeutige Kommunikation fördert. Zur Unterstützung dieser Aufgabe veröffentlichen wir in enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE) e.V. in jeder Ausgabe der KEM Systems Engineering Definitionen zu relevanten Begriffen des Systems Engineerings; Ausgangspunkt hierfür ist die deutsche Übersetzung V. 3.2.2 des Handbuchs Systems Engineering des International Council on Systems Engineering (INCOSE).

kem.redaktion@konradin.de

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