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Kunschert und Pilz im Gespräch zum Generationswechsel

Digitalisierung, Erfolge und Herausforderungen
Susanne Kunschert und Renate Pilz im Gespräch zum Generationswechsel

Bereits seit gut zehn Jahren standen Tochter Susanne Kunschert und Sohn Thomas Pilz gemeinsam mit ihrer Mutter Renate Pilz an der Spitze des Familienunternehmens. Zum Jahresende 2017 hat sich Renate Pilz aus der Geschäftsführung zurückgezogen und Anfang 2018 den Geschäftsbereich „Markt“ an ihre Tochter übergeben. Susanne Kunschert bleibt daneben für die Bereiche Finance, Human Resources sowie die Stabsstellen Organisational Development und Innovation Management verantwortlich. Diesen Generationswechsel haben wir zum Anlass genommen, um mit Mutter und Tochter über die Digitalisierung, aktuelle Entwicklungen sowie Erfolge und Werte zu reden.

 

Interview: Irene Knap und Johannes Gillar, Redaktion KEM Konstruktion

KEM Konstruktion: Wenn Sie auf die mehr als 40 Jahre zurückblicken, die Sie das Unternehmen erfolgreich geführt haben, was waren die größten Erfolge und Herausforderungen, Frau Pilz?

Pilz: Die größten Erfolge sehe ich darin, dass sich das Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelt hat und dass wir immer wieder Standards gesetzt haben. Angefangen bei den Sicherheitsrelais PNOZ, die die bis dahin eingesetzten Schütze auf elektronische Art und Weise ersetzt haben, die erste sichere Steuerung – die neben dem Schwerpunkt der Sicherheit auch immer den Control-Aspekt beinhaltet hat und das rückwirkungsfrei – bis hin zum ersten sicheren Feldbussystem. Die größte Herausforderung war sicher die Bankenkrise. Man weiß natürlich, dass man die Verantwortung für das Unternehmen trägt und man nimmt das ernst, doch in diesem Moment wussten wir ja nicht, wie weit das gehen würde.

KEM Konstruktion: Mit der Industrie 4.0 wachsen auch Arbeitsbereiche zusammen, die bisher getrennt betrachtet wurden. Wie hat sich ihr Anforderungsprofil dadurch in den letzten Jahren verändert?

Pilz: Ich denke, das ist ein permanenter Prozess. So wie sich vor einigen Jahren aus der Elektronik und der Mechanik die Mechatronik entwickelt hat, werden jetzt die Produktion und die IT zusammenwachsen. Bis beide Seiten verstanden haben, dass gemeinsam etwas Neues geschaffen wird, hat es damals etwas gedauert und so wird es auch diesmal sein. Heute gehört die Mechatronik ja wie selbstverständlich dazu. Dementsprechend müssen Ingenieure nun mit dem notwendigen IT-Wissen ausgestattet werden.

Renate Pilz, bis Ende 2017 Geschäftsführerin bei Pilz
„So wie sich vor einigen Jahren aus der Elektronik und der Mechanik die Mechatronik entwickelt hat, werden jetzt die Produktion und die IT zusammenwachsen. Bis beide Seiten verstanden haben, dass gemeinsam etwas Neues geschaffen wird, hat es damals etwas gedauert und so wird es auch diesmal sein“, sagt Renate Pilz, bis Ende 2017 Geschäftsführerin bei Pilz
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

Darüber hinaus haben wir mit unserer Technik bisher vereinfacht gesagt den Menschen vor der Maschine geschützt. Nun wird auch die Maschine vor einem bewusst oder unbewusst schadhaften Eingreifen des Menschen geschützt und die Security ist gleichbedeutend mit der Safety.

KEM Konstruktion: In Zusammenhang mit dem Schutz des Menschen vor der Maschine haben Sie im letzten Jahr verschiedene neue Produkte und Weiterentwicklungen vorgestellt – unter anderem ein komplett abgesichertes Beispiel einer Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Welches Feedback haben Sie dazu bekommen?

Pilz: Die Resonanz war sehr gut. Gerade im Bereich der MRK haben wir bereits sehr gute Lösungsmöglichkeiten, die skaliert und individuell auf die jeweilige Applikation abgestimmt werden können. Unser Angebot umfasst dabei beispielsweise neben Lichtgittern und Scannern auch die auf der SPS IPC Drives 2017 vorgestellte neue dynamische Schaltmatte, die neben der klassischen Sicherheit auch Steuerungsfunktionen von Maschinen erlaubt. Unsere hervorragend ausgebildeten Fachleute können so weltweit auf die individuellen Applikationen eingehen und optimal abgestimmte Lösungsvorschläge machen. Außerdem gibt es im MRK-Bereich inzwischen eine Technische Spezifikation, die definiert, mit welcher Kraft ein Roboter einen Menschen berühren darf – abhängig von der betroffenen Stelle am Körper. Hier konnten wir ein Kraftmessgerät entwickeln, das beispielsweise bei großen Automobilbauern zum Einsatz kommt.

KEM Konstruktion: Wie sehen Sie selbstlernende Systeme allgemein?

Kunschert: Gerade hier müssen Regularien gefunden werden, die definieren, wo wir Grenzen ziehen. Dazu müssen sich auch Ethikkommissionen mit diesem Thema beschäftigen. Gerade im Bereich der Service-Roboter, die beispielsweise in Japan bereits in der Pflege älterer Menschen eingesetzt werden, müssen wir überlegen, wie weit das gehen soll. Ein Roboter kann die Pflegekräfte bei schwierigen oder körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten unterstützten. Es sollte aber niemals so sein, dass die Betreuung nur noch über Roboter erfolgt. Ich habe auch schon angeregt, dass wir als Pilz eine Quote für Roboter im Betrieb festlegen sollten – einfach, um dieses Thema zu besetzen.

KEM Konstruktion: Frau Kunschert, sie haben inzwischen, zusätzlich zu Ihren bisherigen Aufgaben, die Abteilungen Customer Support, Marketing and Communications, Product Management sowie Sales International von Ihrer Mutter übernommen. Was – wenn überhaupt – werden Sie anders machen?

Kunschert: Dadurch, dass wir etwa zehn Jahre lang zusammen gearbeitet und gemeinsam mit meinem Bruder sowohl die lang- als auch die kurzfristige Strategie für das Unternehmen entworfen haben, wird sich da nun, abgesehen von Reaktionen auf aktuelle Marktentwicklungen, nichts ändern. Thomas und ich stehen voll hinter unseren gemeinsamen Entscheidungen. Darüber hinaus haben wir den Generationswechsel nicht umsonst unter das Motto „Generationen wechseln, Werte bleiben.“ gestellt. Unsere Mutter hat nicht nur klare Werte vermittelt, sondern stets auch auf die Wandlungsfähigkeit des Unternehmens geachtet. Außerdem befinden wir uns ja schon mitten im Wandel – und wir haben gut vorgearbeitet.

Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin bei Pilz
„Methoden und Technologien sind nur die Werkzeuge für uns Menschen. Der muss im Mittelpunkt stehen“, sagt Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin bei Pilz
Bild: Rüdiger J. Vogel/Konradin Mediengruppe

KEM Konstruktion: Und was raten Sie Ihren Kindern, Frau Pilz?

Pilz: Im Moment ist die gesamte Wirtschaft weltweit in einem unglaublichen Transformationsprozess. Da wird sich in den nächsten Jahren viel ändern und da braucht man Beweglichkeit sowie den Willen zum Wandel und den haben sie.

KEM Konstruktion: Diese Transformation betrifft neben der Technik auch Geschäfts- und vor allem Arbeitsmodelle. Wie ist Pilz diesbezüglich aufgestellt?

Kunschert: Wenn die Produktion flexibel und vernetzt wird, dann muss sich auch die Art und Weise ändern wie wir zusammenarbeiten. Früher hat man beispielsweise in der Entwicklung Produkte sequentiell entwickelt, ein Schritt nach dem anderen. Heute setzen wir bei Pilz agile Methoden wie etwa Scrum ein, bei denen alle betroffenen Abteilungen von Anfang an eng zusammenarbeiten. Neben der Entwicklung sind dies die Produktionstechnik, der Einkauf, das Produktmanagement und auch Marketing und der Vertrieb. Agile und flexible Methoden ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Aktivitäten im Unternehmen, dazu gehört beispielsweise auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, darunter die papierlose Fertigung und die digitale Personalakte oder der Einsatz von 3D-Druckern.

KEM Konstruktion: Wie wird das bei Pilz gelebt?

Kunschert: Methoden und Technologien sind nur die Werkzeuge für uns Menschen. Der muss im Mittelpunkt stehen. Daher achten wir darauf, dass Raum für Begegnungen geschaffen wird. Außerdem schulen wir unsere Mitarbeiter selbstverständlich in den digitalen Bereichen. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass die Menschen in der Lage sind, diesen Fortschritt mitzugehen. Deshalb finde ich die Überlegung so wichtig, wo man eine Grenze ziehen soll. Wo ist ein Punkt erreicht, den wir nicht überschreiten sollten? Wir wollen unsere Mitarbeiter abholen und gemeinsam weiterhin zu den technologischen Vorreitern gehören. Trotzdem muss man sich im Bereich der Arbeitsthemen immer wieder überlegen, wie die Menschen damit umgehen und was ihnen gerecht wird.

KEM Konstruktion: Kommen wir abschließend noch einmal zurück zum Generationswechsel. Gerade in mittelständischen Bereich gibt es einige Beispiele, bei denen sich dieser aus unterschiedlichen Gründen schwierig gestaltet hat oder komplett gescheitert ist. Warum funktioniert er bei Pilz, zumindest für Außenstehende, so reibungslos?

Pilz: Das ist schon ein großer Glücksfall, für den ich sehr dankbar bin. Ich glaube, der Schlüssel liegt auch darin, dass die Kinder nicht dazu angehalten wurden, dass sie in das Unternehmen einsteigen müssen. Das war ihre eigene Entscheidung.

Kunschert: Ja, das hat sicher eine Rolle gespielt. Dazu kommt, dass wir, wie erwähnt, bereits seit zehn Jahren zusammen arbeiten, dabei aber jeder immer seine Eigenständigkeit hatte. Unsere Mutter hat uns die Verantwortung jeweils komplett übertragen, uns selbst entscheiden und dadurch auch unsere eigenen Fehler machen lassen. Nur so lernt man. Außerdem hat sie uns mit viel Liebe großgezogen und sich viel Zeit für die Erziehung sowie die Vermittlung von Werten genommen. Darauf aufbauend begegnen wir uns und den Menschen allgemein mit Respekt und haben uns in Diskussionen nicht geschont. Dabei zählt für uns, dass das Unternehmen gleich die Menschen sind. Deshalb werden mein Bruder und ich auch weiterhin bei jeder Veränderung zuerst darauf achten, wie es den Menschen bei uns damit geht.

www.pilz.com

Details zu den Produkten und Lösungen von Pilz


Sicherheitstechnik von Pilz

Zu den auf der Hannover Messe 2018 vorgestellten neuen Produkten und Varianten gehört im Bereich des modularen Schutztürsystems von Pilz der Schutztürsensor PSENmlock mit Reihenschaltung, eine optionale Fluchtentriegelung sowie die Taster-Unit PITgatebox: Mit der Variante PSENmlock mit Reihenschaltung können in Kombination mit der Diagnoselösung Safety Device Diagnostics (SDD) einzelne Schalter oder Türen nun auch gezielt angesteuert werden. Eine kostenaufwändige Einzelverdrahtung im Schaltschrank entfällt. Als optionales Zubehör für PSENmlock sind zudem zwei Ausführungen der Fluchtentriegelung erhältlich, die mit allen Varianten des Schutztürsensors kombiniert werden können. PSENml Escape Release ist dabei über eine Stange direkt mit dem Basisgerät verbunden, während PSENml Escape Release Cordset über ein Zug-Druck-Seil montiert wird. Letztere Ausführung ermöglicht eine räumlich getrennte Montage des Schutztürsystems sowie der Fluchtentriegelung. Und mit der Taster-Unit PITgatebox lassen sich Befehle wie Aktivieren, Stopp oder das Quittieren der Maschine oder Anlage steuern. Die Bedieneinheit steht in unterschiedlichen Ausführungen zur Verfügung und ist mit ihrem robusten Gehäuse aus Zinkdruckguss besonders resistent gegen Schock, Vibration und Kollision. Die vorkonfigurierten Varianten mit verschiedenen Kombinationen aus Drucktastern, Schlüsselschalter und Not-Halt-Taster bieten dabei große Flexibilität für individuelle Anwendungen.

Die Familie der Schutztürsysteme PSENmlock für sichere Verriegelung und sichere Zuhaltung bieten neu auch eine Variante für die Reihenschaltung
Bild: Pilz

Zum Unternehmen

Als Glasbläserei für medizinisch-technische Apparate im Jahr 1948 in Esslingen gegründet, hat sich das Familienunternehmen in den 60er Jahren zum Anbieter von elektronischen Kontroll- und Überwachungsgeräten sowie speicherprogrammierbaren Steuerungsgeräten entwickelt. Seit dieser Zeit setzt Pilz immer wieder Maßstäbe im Bereich der sicheren Automation. Inzwischen hat sich das Unternehmen, ausgehend von der Kernkompetenz Sicherheit, zum Komplettanbieter für Automatisierungslösungen entwickelt. Dafür werden Sicherheit und Automatisierung intelligent miteinander verschmolzen und die langjährige Erfahrung sowie das umfassende Wissen aus der Sicherheitstechnik auf die Anforderungen der allgemeinen Steuerung von Maschinen und Anlagen übertragen. So bekommen Nutzer maßgeschneiderte Automatisierungslösungen aus einer Hand. Über den Stammsitz Ostfildern hinaus unterstützt Pilz mit 40 Tochtergesellschaften Anwender weltweit und bietet Vertriebs- und Engineering-Leistungen direkt vor Ort. Weltweit stellen über 2200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Wissen in den Dienst der sicheren Automation.

Renate Pilz stieg 1975 nach dem Tod ihres Mannes in das Unternehmen ein und hat es mehr als 40 Jahre lang erfolgreich geführt. Inzwischen haben ihre Kinder Susanne Kunschert und Thomas Pilz die Geschäftsführung komplett von ihr übernommen. 2010 wurde Frau Kunschert persönlich durch die Bundesregierung in die Forschungsunion berufen. In diesem zentralen innovationspolitischen Beratungsgremium der Bundesregierung hat Pilz maßgeblich an der Ausarbeitung des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 mitgewirkt. Pilz arbeitet zudem in Gremien wie der Allianz Industrie 4.0 des Landes Baden-Württemberg, der Forschungsplattformen SmartFactory KL und des Forschungscampus Arena 2036 an der Schaffung gemeinsamer, praktikabler Standards für die Industrie der Zukunft – immer unter dem Gesichtspunkt Safety und Security.

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