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Versorgt sich selbst

Optimierung eines piezoelektrischen Energiewandlers zur Verwendung in Autoreifen
Versorgt sich selbst

Siemens nutzt Fluid-Struktur-Interaktionssimu- lation zur kosteneffektiven Optimierung eines MEMS- Generators für die Energieversorgung eines Reifendruck-Kontrollsystems. Der Wunsch, sich von Batterien und Stromleitungen zu befreien, motiviert einen großen Forschungsbereich. Auf der Suche nach Systemen, die sich selbst mit Energie versorgen, zieht das Energy-Harvester-Konzept viel Aufmerksamkeit auf sich.

Exklusiv in KEM Dieser Beitrag stammt von der Comsol Multiphysics GmbH, Göttingen

In einem aktuellen Projekt untersuchten Forscher der Siemens Corporate Technology in München das Potenzial eines energiesammelnden MEMS (Mikro Elektro-Mechanisches System)- Generators. Zusammen mit dem Partner Continental AG haben Dr. Alexander Frey und Dr. Ingo Kühne von der Siemens Corporate Technology beschlossen, sich auf eine Anwendung mit klarem kommerziellen Potenzial zu konzentrieren.
Oberstes Ziel war es, den MEMS Generator so klein, leicht und stark wie möglich zu entwerfen. Der Generator sollte stark genug sein, um ein System unter verschiedensten Bedingungen mit Energie zu versorgen. Basierend auf diesen Anforderungen beschlossen die Ingenieure, einen Mikrogenerator für ein innovatives Reifendruck-Kontroll-System (TPMS) zu entwerfen, das durch Bewegung angetrieben wird. Klassische TPMS sind batteriebetrieben und werden gewöhnlich an der Felge montiert. Wenn das System nicht auf eine Batterie angewiesen ist, kann es direkt im Reifen angebracht werden und so weit mehr als nur den Reifendruck messen. Es könnte Temperatur, Reibung, Beanspruchung und Antriebsmoment überwachen, die optimale Spurführung sowie die Motorsteuerung unterstützen und all diese Informationen kabellos übertragen. Das System wäre außerdem wartungsfrei, kostengünstig und umweltfreundlich.
Das Einsetzen des Gerätes innerhalb der Reifen erfordert jedoch einen äußerst widerstandsfähigen Aufbau. Außerdem muss es Beschleunigungen von bis zu 2500 g standhalten. Des Weiteren muss es sehr leicht sein, um eine Reifen- unwucht zu vermeiden und, wie die Reifen selbst, eine Betriebslebensdauer von mindestens acht Jahren aufweisen.
Von mechanischer Spannung zu elektrischer Energie
An einer Stelle innerhalb des Reifens platziert, gewinnt der piezoelektrische Mikrogenerator seine Energie aus dem Druck, der bei jeder Berührung dieses Bereichs mit dem Boden entsteht. Der piezoelektrische Träger des MEMS-Generators wurde so entworfen, dass er eine Dünnschicht aus selbst-polarisiertem piezoelektrischem keramischen Material mit einer tragenden Siliziumschicht enthält, die für mechanische Stabilität sorgt und die gesammelte Energie speichert.
Das Team entwarf den federgespannten, piezoelektrischen Biegebalken als Dreieck, da diese Form eine einheitliche Belastungsverteilung auf der Oberfläche ermöglicht. Typische Biegebalken haben eine erhebliche Masse und konzentrieren das Gewicht an der Spitze. Dies funktioniert bei der konventionellen Methode, über die kontinuierliche Anregung des Balkens mit seiner Eigenfrequenz. „Die hohen dynamischen Kräfte, mit denen wir es bei diesem System zu tun haben, halten uns davon ab, diese Anregungs-Methode zu verwenden“, erläutert Dr. Alexander Frey. „Wir mussten einen unkonventionellen Ansatz verfolgen und Masse sowie ihre Konzentration vermeiden. Dies stellte uns vor das Problem, dass so die Dämpfung zum entscheidenden Faktor wird.“
Nun stellte sich dem Siemens-Team die Frage, wie das Biegebalken-Design zur Minimierung der Dämpfung optimiert werden musste. Es zeigte sich, dass Luftdämpfung der dominante Effekt und das aerodynamische Profil ein entscheidender Parameter war. Während die Fläche des Balkens auf 100 mm2 begrenzt war, konnten die Schichtdicken als Designparameter frei variiert werden. „Wir mussten geeignete Werte für diese Parameter finden, um sicherzustellen, dass die mechanische Schwingung so lange wie möglich anhält und so möglichst viel Energie in den elektrischen Bereich übertragen wird“, kommentiert Dr. Frey. „Dafür benötigten wir ein Berechnungswerkzeug, mit dem die optimale Struktur bestimmt werden konnte und mit dem wir sicherstellten, dass genug Energie produziert wird.“
Fluid und Struktur – eine offene Beziehung
Mit dem Wissen, dass die Übertragung von mechanischer Energie an die Umgebungsluft einen entscheidenden Faktor darstellt, führte das Team zuerst eine Fluid-Struktur-Interaction (FSI) Analyse des Biegebalkens durch. Kühne erklärt: „Wir begannen mit statischen Simulationen, die uns einige Ausgangswerte lieferten. Im Anschluss daran ermöglichte dies uns eine zeitabhängige Analyse, um eine Reihe physikalischer Effekte zu entdecken, und zu verstehen, welchen Einfluss die Umgebungsluft auf die Dämpfung des Biegebalkens hat.“
Das Team initiierte nun eine dreidimensionale FSI Simulation. Dabei wurden die Auslenkung des Balkens als eine Funktion des äußeren Drucks und die Trägerdicke berücksichtigt. Sie untersuchten für jede Schichtdicke die maximale Spannung, die für die anfängliche Auslenkung erforderlich war und konnten quantitativ bestätigten, dass die Erhöhung der Trägerdicke zu einer Verbesserung des Dämpfungsverhaltens des MEMS- Harvesters führte.
Form- und Größenoptimierung des Trägers
„Mit der Simulationssoftware Comsol Multiphysics konnten wir das Verhalten unserer Struktur numerisch beschreiben, um dann im Labor weitere Untersuchungen durchzuführen“, erklärt Kühne. Um das simulierte Verhalten mit realen Tests zu vergleichen, wurde der Biegebalken periodisch angeregt und die generierte piezoelektrische Spannung aufgezeichnet.
„Der Vergleich der Simulation mit physikalischen Tests zeigte, dass das allgemeine Dämpfungsverhalten tatsächlich höher war. Die naheliegende Erklärung dafür war, dass wir durch intrinsische Verluste des Materials Energie verloren. Wir nahmen einen akzeptablen Wert für diese interne Dämpfung an. Nachdem wir diese korrigierenden Faktoren berücksichtigt hatten, erhielten wir übereinstimmende Ergebnisse. Diese Vorgehensweise hat bestätigt, dass der Simulationsprozess mit Comsol verlässlich ist und wir bei der Untersuchung der Eigenschaften des Biegebalkens mit verschiedenen Parameterwerten fortfahren konnten.“ Das Team konnte nun mit der Optimierung der Systemkomponenten und der Systemintegration fortfahren.
Der Einsatz von Comsol war entscheidend für die Entwicklung der physikalischen Prototypen. Laut Kühne benötigen drei Mitarbeiter vier Monate, um einen technologischen Prozessdurchlauf durchzuführen, der für gewöhnlich aus einer Charge von bis zu 25 Wafern besteht. Ein Durchlauf führt normalerweise zu mehreren vollständigen Prototypen. Die physikalischen Tests dauern noch einmal zwei Monate. Insbesondere der zusätzliche Aufwand einer Reinrauminfrastruktur führt zu Entwicklungskosten von über 100 000 $ für einen einzigen Prototypen-Durchlauf über sechs Monate. Im Gegensatz dazu kann man eine 2D Simulation in Stunden und eine 3D Simulation in Tagen durchführen. Mit einem solchen Zeitaufwand ist es leicht, die Eigenschaften von bis zu 2000 verschiedenen Prototypen mit Comsol Multiphysics zu simulieren. Frey fasst zusammen, „Ohne Comsol und die Möglichkeit der numerischen Modellierung hätten wir viele Prototypen erstellen müssen, die uns viel Zeit und Geld gekostet hätten. Stattdessen waren wir in der Lage, mit der Optimierung des MEMS- Designs fortzufahren.“
Comsol Multiphysics, Tel.: 0551 99721–0,
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