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Erst simulieren, dann bauen

Risikomanagement bei der Energieerzeugung in Windparks
Erst simulieren, dann bauen

Die Energieerzeugung in Windparks birgt viele technische und wirtschaftliche Risiken. Deren Bewertung muss zahlreiche Faktoren berücksichtigen: Schwankungen des Windprofils am Standort, die Turbinentechnologie und Verfügbarkeit der Turbinen sowie die operationalen Aspekte des Windparkmanagements sowie des Steuerungssystems.

Exklusiv in KEM Der Autor Dr. Graham Dudgeon ist Energy Production Industry Marketing Manager der Mathworks Inc., USA-Natick

Unmittelbar nach Inbetriebnahme lassen sich die vom Überwachungssystem erfassten Daten analysieren, um Abweichungen zwischen der errechneten und der tatsächlichen Energieproduktion zu erkennen und zu quantifizieren. Die Analyse solcher Abweichungen mit Hilfe von Messdaten eines bereits in Betrieb befindlichen Windparks ist jedoch zeitintensiv und teuer. Detaillierte Simulationsmodelle können diesen Prozess stark vereinfachen und vermitteln Ingenieuren einen tieferen Einblick in das Systemverhalten bei überschaubaren Kosten.
Simulationsstudien eines Windparks können technische und betriebliche Risiken verringern. Auf ihrer Basis können Ingenieure verschiedene Entwurfsalternativen untersuchen, die Einflüsse des Regelungs- und Managementsystems im Vorfeld verifizieren, die erzeugbare Energiemenge zuverlässig abschätzen und Fehlerstudien in einer sicheren und reproduzierbaren Umgebung durchführen.
Anhand von Simulationen können die Planer von Windparks schon frühzeitig Systemreaktionen aufdecken, die andernfalls erst in der Inbetriebnahmephase erkennbar wären. Probleme, die das Erreichen des Produktionsziels gefährden, lassen sich so bereits in einer frühen Projektphase feststellen. So können Gegenmaßnahmen zeitsparend und kostengünstiger implementiert werden. Damit lässt sich der Kapitalaufwand deutlich minimieren.
Simulation: datenbasierte und physikalische Modelle
Für die Planer von Windparks ist von Vorteil, dass Messdaten schon vor der eigentlichen Installation vorliegen. Winddaten aus den Analysen vom Aufstellungsort können in das Windparksimulationsmodell eingespeist werden. Aggregierte Windparkmodelle, die einen Park als eine einzige Turbine darstellen, sind bei der Beurteilung des Verhaltens am Netzanschlusspunkt (POC) nützlich. Diese aggregierten Modelle können hingegen nicht die Schwankungen bei der Stromerzeugung im gesamten Park, einschließlich der Verfügbarkeit der Blindleistung einzelner Turbinen, erfassen. Die Verfügbarkeit der Blindleistung ist wichtig für die Aufrechterhaltung der Spannung und für die Einhaltung der Anforderungen bei Spannungseinbrüchen. Um die Modellierungsgenauigkeit von Simulationen zu verfeinern, können spezielle Windturbinentechnologien und Windprofile von unterschiedlichen Orten am Standort mit integriert werden. Messdaten zu Windgeschwindigkeit und Windrichtung können auch zur Vorhersage von Turbulenzen im Windprofil sowie für die Festlegung des Aufstellungsortes und des relativen Abstands der Turbinen untereinander eingesetzt werden.
Simulieren von Spannungsabfällen
Nach neuesten Anforderungen muss ein Windpark bei und nach Spannungsabfällen am Netz bleiben. Die Steuersequenz, die ein Windpark bei solchen Bedingungen anwenden kann, kann unterschiedlich ausfallen. Beispiele:
  • Ein Windpark kann bei einem Fehler vom Netz getrennt und nach dem Fehler wieder ans Netz geschaltet werden
  • Er kann während des und nach dem Fehler am Netz bleiben
  • Er kann zusätzlich nach dem Fehler Blindleistung ins Netz liefern, um eine Spannungswiederherstellung zu beschleunigen und
  • Er kann eine andere Steuersequenz durchlaufen, die positiv für den Windparkbetrieb ist und die Netzcodekompatibilität wahrt.
Solche Bedingungen können mit einem aggregierten Modell nicht hinreichend untersucht werden, da der Spannungseinbruch am POC von der verfügbaren Blindleistung der einzelnen Turbinen und zusätzlichen Spannungsstabilisatoren abhängt. Um die gewählte Steuersequenz bewerten zu können, muss daher ein Windparkmodell verwendet werden, das aus einzelnen Windturbinen und einer detaillierten Darstellung des Management- und Steuerungssystems besteht. Die Kapazität zur Bereitstellung von Blindleistung wird bei allen Turbinen aufgrund der Schwankungen des Winds und der sich daraus ergebenden Schwankung der erzeugten Wirkleistung der einzelnen Turbine unterschiedlich sein.
Richtige Dimensionierung der Komponenten
Die richtige Bemessung der Komponenten bei der Planung hilft doppelt, Kosten einzusparen: Zum einen können teure Ausfallszeiten und Reparaturdienste während des Turbinenlebenszyklus aufgrund schlecht dimensionierter Komponenten, die nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen, verringert werden. Zudem wird der Einsatz von überdimensionierten Komponenten minimiert. Betrachten wir das Beispiel eines Windparks mit 40 Einzelturbinen des Typs III. Bildlich dargestellt ist das Ergebnis einer Simulation dieses Windparks. Die Blindleistung wird in diesem Beispiel nur von den rotorseitigen Umrichtern erbracht. Es zeigt zwei unterschiedliche Szenarien bezüglich der Reaktion am POC nach einem Nennspannungsabfall um 90 % im Netz.
Im ersten Szenario ist die Windgeschwindigkeit im gesamten Windpark relativ hoch, daher gibt es geringe Kapazitäten zur Bereitstellung von Blindleistung in den Umrichtern der Turbinen. Im zweiten Szenario ist die Windgeschwindigkeit geringer und ermöglicht die Erzeugung von mehr Blindleistung. Die Simulation zeigt, dass die Spannung bei der hohen Windgeschwindigkeit einbricht. Zu beachten ist, dass die Kapazität zur Bereistellung von Blindleistung bei höheren Windgeschwindigkeiten nach acht Sekunden aufgebraucht ist und zum Spannungseinbruch führt. Die Simulationsergebnisse in diesem Beispiel zeigen deutlich, dass die Komponenten unterdimensioniert sind.
Windparkreaktion bei subsynchronen Resonanzen
Subsynchrone Resonanz (SSR) ist gleichermaßen ein Problem für Windparkbetreiber wie für Netzbetreiber. Obwohl dieses Phänomen häufig mit großen Wärmekraftanlagen in Zusammenhang gebracht wird, können auch große Windkraftanlagen, die in serienkompensierten Netzwerken geschaltet sind, SSR ausgesetzt sein. Das Auftreten von SSR erhöht die Materialermüdung in den Turbinenwellen, kann dort zu Ausfällen führen und so die Verfügbarkeit der Turbinen reduzieren.
Herkömmlicherweise wird eine Serien-Kompensationsvorrichtung in das Stromnetz eingebaut um SSR-Phänomene abzumildern. Innovative Regelungskonzepte können jedoch dank der an jede Turbine angeschlossenen Konverter den SSR-Effekt auch lokal an der Turbine abmildern. SSR kann beispielsweise abgeschwächt werden, indem ein zusätzliches Signal zu dem elektromagnetischen Drehmoment dem rotorseitigen Umrichter einer DFIG-Turbine (Turbine mit doppeltgespeistem Asynchrongenerator) hinzugefügt wird. Bildlich dargestellt ist das Ergebnisse der Simulation dieser zusätzlichen Dämpfung bei einer Windturbine. Dieses Beispiel unterstreicht den Wert der Entwicklung, Simuliation und Anwendung innovativer Regelungsstrategien, um unerwünschte Phänomene in Stromerzeugungsanlagen abzumildern.
Mathworks;
Telefon: 0241 4757-6700; E-Mail: info@mathworks.de
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