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Transparenz schaffen – Last managen

Christoph Winterhalter, Leiter des ABB-Forschungszentrums, Ladenburg
Transparenz schaffen – Last managen

Die Energiewende soll Realität werden. Eine Schlüsselrolle dabei nimmt ABB ein. Der Konzern beschäftigt etwa 135 000 Mitarbeiter in rund 100 Ländern. In Deutschland sind es 10 000 Mitarbeiter. Die Impulse für die Energiewende müssen in erster Linie von der Forschung kommen. KEM sprach mit Christoph Winterhalter, Leiter des ABB-Forschungszentrums Ladenburg, wie die Umsetzung der Forschungsergebnisse effektiv zu realisieren ist.

Herr Winterhalter, ABB hat weltweit sieben Forschungszentren, wo liegt der Schwerpunkt in Ladenburg?

Winterhalter: Der Schwerpunkt in Ladenburg liegt bei Automatisierungslösungen für die Prozess- und Fertigungsindustrie, aber auch für Versorgungsunternehmen. Die Forschung fokussiert sich hierbei auf die fünf Bereiche Softwarearchitekturen und Engineering-Methoden für die Prozessautomation, Integra- tionstechnologien und Engineering-Lösungen für die Fabrikautoma- tion, Energieeffizienz und Komfort durch Gebäudeautomation, Aktoren und Sensoren für Geräte der elektrischen Energietechnik sowie Technologien, Prozesse und Geschäftsmodelle für das Servicegeschäft, die allesamt eine hohe Relevanz für die Umwelt und den Klimaschutz haben. In diesen Segmenten stellen wir den ABB-Geschäftsbereichen unsere Forschungsleistungen bereit.
Müssen die Aufgaben in Ladenburg zwischen markt- und technologiebetriebener Forschung aufgeteilt werden?
Winterhalter: Industrieforschung ist anwendungsorientierte Forschung und Technologieentwicklung. Die Grundlagen hierfür werden vor allem an Universitäten und Forschungsinstituten gelegt. Um die relevanten Ergebnisse der Grundlagenforschung sowie die neuesten Technologietrends für ABB zu nutzen, arbeitet das Forschungszentrum Ladenburg intensiv mit den verschiedensten Forschungseinrichtungen wie beispielsweise dem KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, zusammen. Damit ein möglichst hoher Wertbeitrag erzielt wird, analysieren wir permanent alle Marktanforderungen, Kundenwünsche und Technologietrends. Unser Kapital ist dabei das Wissen und Know-how unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wie groß soll der Anteil an regenerativer Energie in Deutschland im Jahr 2020 sein, wo liegen wir heute?
Winterhalter: Die Bundesregierung plant, bis zum Jahr 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Bruttostromverbrauch auf 30 bis 35 Prozent zu steigern. Danach soll er kontinuierlich erhöht werden. Im Vergleich dazu liegt die Produktion aktuell bei etwa 20 Prozent. Die Windenergie nimmt dabei die Spitzenposition bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ein. Das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft: Vor allem mit einer verstärkten Nutzung der Windenergie auf dem Meer, sowie der weiteren Erschließung der Windenergienutzung an Land, insbesondere durch den Austausch älterer Anlagen durch moderne, leistungsfähigere Anlagen, sieht die Bundesregierung wichtige Perspektiven. Diese Perspektiven sind durchaus realistisch, wenn auch die Netze und deren Betrieb entsprechend mit ausgebaut werden.
Was leistet die Forschung Ladenburg in puncto intelligente Netze?
Winterhalter: Das Thema intelligente Netze ist ein globales Forschungsgebiet für ABB. Die wichtigsten Eckpfeiler sind dabei die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), die Überlagerung des Wechselstrom-Netzwerks mit einem leistungsfähigen Gleichstromnetz, sowie der Betrieb beziehungsweise die Stabilisierung von Netzen mit dezentraler Einspeisung. Dabei spielen Netztopologien von Wind- und Solarparks und verschiedene Demand Response-Szenarien von Industrie über Rechenzentren bis zu Privathaushalten eine wichtige Rolle. Intelligenz im Netz bedeutet zunächst Sensorik und Aktorik im Verteilnetz unterzubringen und die verfügbaren Informationen zu verarbeiten. Dies ist momentan nicht vorhanden, durch dezentrale Einspeisung aber notwendig. In Ladenburg liegen die Schwerpunkte in diesem Zusammenhang im Energiemanagement von Gebäuden, das heißt dem Ausbau eines intelligenten Netzes hinter dem Zähler sowie im industriellen Demand Side Management.
Alles spricht über regenerative Energie. Von Energiespeichern ist fast nie die Rede. Anscheinend braucht es keine Energiespeicher?
Winterhalter: Energiespeicher sind notwendig, um die fluktuierende Einspeisung der erneuerbaren Energien ausgleichen zu können. Eine Stabilisierung der Netze durch den Einsatz von Energiespeichern ist bewiesen und kann den Ausbau der Netze verringern beziehungsweise den Ausbau zeitlich herausschieben. ABB forscht intensiv an Energiespeichern und hat verschiedenste Projekte im Gang. Wir produzieren keine eigenen Batterien, aber die Integration von Batterien ins Netz wird beispielsweise mit dem Energieversorger EKZ in Zürich derzeit pilotiert. ABB hat auch ein Konzept für thermo-Elektrische Energiespeicher entwickelt, das großes Potenzial verspricht. Momentan wird ein entsprechender Pilot in der Schweiz geplant. Mit verschiedenen Batterieherstellern sind wir in Entwicklungsprojekten. Darüber hinaus prüfen wir zusammen mit Partnern die Wiederverwendung von Elektrofahrzeugbatterien als Energiespeichersystem oder Reservestromquelle im Wohnbereich und in kommerziellen Anwendungen.
Hat ABB ein Beurteilungsszenario entwickelt, um rechtzeitig einen Energieengpass zu erkennen?
Winterhalter: Im Projekt MeRegio (Minimum Emmission Regions) wurde ein vorausschauender Lastfluss für die Niederspannung implementiert, der dazu dient, einen lokalen Engpass in naher Zukunft zu erkennen und mit Hilfe von Demand Side Management auch lokal entgegen zu wirken. Hier geht es um eine Optimierung auf einer lokalen Ebene, Strom der dezentral erzeugt wird, soll auch möglichst dort verbraucht werden. Ein anderer Ansatz wird mit dem sogenannten Wide Area Monitoring-System verfolgt, für welches ABB im letzten Jahr den dritten Platz beim European Inventor Award erreicht hat. Dabei wird die Stabilität im Netz überwacht. Wird mehr Strom verbraucht als erzeugt, tritt ein Engpass auf, der durch die Reduzierung der Frequenz im Netz erkannt wird.
Kann man dem Privathaushalt aktives Energiemanagement- zumuten?
Winterhalter: Energiemanagement zu betreiben, wird durch Kosteneinsparungen motiviert. Dazu bieten sich ganzheitliche, innovative Gebäude- und Home-Automatisierungs-Lösungen an. Diese können automatisch auf Preisanreize reagieren, ohne den Benutzer in seiner Entscheidungsfreiheit oder Komfort negativ zu beeinflussen. Privathaushalte dazu zu motivieren, aktives Energiemanagement zu betreiben, wird schwierig. Insbesondere wenn dies zu Lasten des Komforts geht und sich nicht in einem Rahmen bewegt, der eine signifikante Senkung der Kosten bedeutet, werden sich Privathaushalte nicht ohne weiteres beteiligen. „Warum soll ich meine Geräte einschalten, wenn mein Versorger es will? Warum soll ich dem Versorger dadurch Geld (im Netzausbau/Speicher et cetera) sparen?“
Neben Energieinfrastrukturlösungen ist Robotik und Fertigungsautomation ein großer Teil der Forschung in Ladenburg. Was muss eine flexible Roboterzelle heute leisten?
Winterhalter: Die intelligente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter zur skalierbaren Automatisierung ist hierbei ein wichtiges Stichwort. In den vergangenen Jahren hat sich die Robotersicherheitstechnik rasant weiterentwickelt. Mittels Sicherheitssteuerungen lassen sich moderne Industrieroboter ohne trennende Schutzeinrichtungen betreiben und erlauben erste Möglichkeiten der Mensch-Roboter Kollaboration. Die wirtschaftlich sinnvollen Einsatzmöglichkeiten zur skalierbaren Automatisierung von beispielsweise Montageanwendungen sind jedoch aufgrund der dafür erforderlichen, meist permanenten Interaktion mit Menschen heute sehr begrenzt. In verschiedenen Forschungsprojekten wird derzeit an alternativen Sicherheitsansätzen gearbeitet, die harmlose Zusammenstöße zwischen Mensch und Roboter durchaus erlauben.
ABB; Telefon: 06203 71-0; E-Mail: christoph. winterhalter@de.abb.com
Fotograf: Frank Herrmann
Das Interview führte KEM-Chefredakteur Herbert Neumann

Quergefragt
Sonne und Wind liefern diskontinuierlich Energie. Dies ist…
… eine technische Herausforderung, die gelöst werden kann. Dafür sind aber noch erhebliche Investitionen notwendig.
An ein höheres Renteneintrittsalter müssen wir uns in Europa gewöhnen. Eine Alternative dazu…
… sehe ich persönlich nicht wirklich. Wir sollten uns vielmehr darauf konzentrieren, das Wissen und die Erfahrung älterer Mitarbeiter besser zu nutzen, was ABB mit dem Personalprogramm „Generations“ adressiert.
Wenn in 2013 die deutschen Hersteller mit E-Autos kommen…
… wird sich die Käuferlaune nicht signifikant verändern, solange die Elektrofahrzeuge im direkten Wettbewerb zu konventionellen Benzin- oder Dieselfahrzeugen stehen und preislich nicht lukrativ sind.

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