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Luftige Angelegenheit

Auslegung von Rotorlagerungen für Windkraftanlagen
Luftige Angelegenheit

Anbieter von Windkraftanlagen benötigen bei der Auslegung der Wälzlager für die Rotorlagerung eingehende Beratung durch den Lagerhersteller. Zum einen, weil eigene Erfahrungen noch fehlen – zum anderen, weil sie sich mit jeder neuen Anlage in eine höhere MW-Klasse bewegen. Ein kompetenter Entwicklungspartner sollte über das Know-how für alle Lagerkonzepte verfügen.

Bei der Auslegung von Rotorlagerungen für Windkraftanlagen kann selbst die Orientierung an bekannten Lösungen nicht ausreichen, wenn wichtige Details unberücksichtigt sind. Die tatsächlich auftretenden Lasten sowie die zusätzliche Beanspruchung, z. B. durch Schwingungen und Temperatureinflüsse, sind trotz Messungen an bestehenden Anlagen und moderner Simulationsverfahren noch nicht so ausreichend erforscht, dass Lagerungen ohne intensive Beratung ausgewählt werden könnten. Die Schaeffler KG mit ihren Marken INA und FAG arbeitet bereits seit mehr als 25 Jahren mit den Anlagenherstellern zusammen und ist dadurch für alle Lagerkonzepte ein kompetenter Entwicklungspartner.

Lagerluft im Betrieb
Die Lagerluft des Wälzlagers ist im Betrieb nicht nur für die Führungsgenauigkeit der Rotorwelle verantwortlich, sondern wirkt sich auch auf die rechnerische Lebensdauer aus. Bild 1 veranschaulicht den Einfluss der verbleibenden Axialluft im Betrieb auf die rechnerische Lebensdauer eines Kegelrollenlagers als Festlager. Es zeigt sich, dass eine Axialluft bestimmt werden kann, bei der die rechnerische Lebensdauer maximal ist. Die Axialluft kann allerdings unterschiedlich groß sein. Gründe dafür sind: Einfluss der Toleranzen der Umbauteile (Welle, Gehäuse), Toleranz des Lageraußendurchmessers, Toleranz des Lagerinnendurchmessers, Spanne der Lagerluft bei Auslieferung sowie Temperaturunterschiede zwischen den Bauteilen im Betrieb. Je enger die einzelnen Toleranzen gefasst werden und je genauer die Temperaturen der Bauteile im Betrieb der Windkraftanlagen bestimmt werden können, desto enger ist die Streuung der Lagerluft im Betrieb und desto genauer kann die Lagerluft auf den rechnerisch optimalen Punkt ausgelegt werden.
Je nach Auslegungsstadium werden verschiedene Berechnungsmethoden zur Bestimmung der rechnerischen Lebensdauer angewendet. Trotz Nutzung modernster Berechnungssoftware wie Bearinx oder FEM steigt der Aufwand entsprechend zur Anzahl der Parameter und Lasten. Die Lebensdauerrechnung bestimmt die Ermüdungsdauer und berücksichtigt eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit. Ungünstige Betriebsvoraussetzungen wie zusätzliche Verformungen, axiale Bewegungen im Stillstand oder ungünstige Schmierungsbedingungen können zu Verschleiß in den Lagern führen. Eine Berechnung der Verschleißlebensdauer ist dabei nicht möglich.
Nominelle Lebensdauer nach DIN ISO 281
Bei der konventionellen Lagerdimensionierung nach DIN ISO 281 wird die dynamisch äquivalente Lagerbelastung P über die aus den angegebenen Betriebslasten resultierenden äußeren Radial- und Axialkräften mittels X- und Y-Faktoren berechnet. Dies wird auch als „Katalogmethode“ bezeichnet. Da mehrere Lastfälle vorliegen, wird eine äquivalente Lagerbelastung Päqu unter Einbeziehung der Zeitanteile gebildet. Aus der dynamischen Tragzahl des Lagers und der äquivalenten Lagerbelastung wird die nominelle Lebensdauer ermittelt.
Lh10(xy) = (Cdyn/P)p
Dabei werden weder Betriebsspiel noch Einfluss von Schmierung und Verschmutzung in Betracht gezogen. Man geht von einem starren Lager und einer starren Umgebung aus – und davon, dass die Lager nur in Nennrichtung belastet werden. Zusätzliche Beanspruchungen aus Verkippung und Momentenbelastung bleiben so unberücksichtigt. Kombinierte Belastungen gehen durch die Anwendung der X-Y-Faktoren in die Berechnung der Lagerbelastung ein.
Die Berechnungsmethode eignet sich zur Vorauslegung sowie bei sehr hoher rechnerischer Lebensdauer auch zur Endauslegung einfacherer Lagerungskonzepte – ohne die lebensdauermindernden äußeren Einflüsse einzubeziehen. Eine rechnerische Lebensdauer Lh10 von mehr als 300 000 h kann hier als ausreichender Wert angesehen werden.
Nominelle Lebensdauer nach Schaeffler Gruppe
Die Berechnung erfolgt ebenfalls gemäß DIN ISO 281. Sie ermittelt jedoch die äquivalente Lagerbelastung nach der Druckverteilungsmethode und berücksichtigt neben Rollen- und Laufbahnprofilen auch den Einfluss der Lagerluft, der Lagerverkippung und der Momentenbelastung. Zusätzlich kann bei Anwendung der Berechnungssoftware Bearinx von steifer oder elastischer Nabe ausgegangen und deren Biegung mit einbezogen werden.
Rotorlager werden unter verschiedenen Lasten und Drehzahlen sowie unter verschiedenen Betriebsbedingungen betrieben. Möchte man Schmierung und Sauberkeit berücksichtigen, ist eine Berechnung nur sinnvoll, wenn die entsprechenden Last- und Drehzahlkollektive mit Betriebsdaten wie Drehzahl, Temperaturverhältnisse, Verschmutzungsgrad etc. vorliegen.
Die Richtlinien des Germanischen Lloyds (GL) schreiben eine rechnerische Lebensdauer Lh10 von mindestens 130 000 h vor. Die Anwendungstechniker der Schaeffler KG sprechen ab einem Wert von ca. 250 000 h von einer sicheren Auslegung. Die Schmierungseinflüsse bleiben dabei aus genannten Gründen außen vor. Die Erfahrung zeigt, dass diese hohe Lebensdauer vorteilhaft ist. Denn somit können Einflüsse abgefangen werden, die die Beanspruchung erhöhen, jedoch bis dato nicht bekannt sind.
Erweiterte Lebensdauerberechnung
Die Berechnung nach DIN ISO 281, Beiblatt 4, berücksichtigt neben der räumlichen Belastung des Wälzlagers und den bei der Lh10(kf)-Methode beschriebenen Auswirkungen auch den Einfluss der Schmierung entlang des Wälzkörpers, der dafür in einzelne Scheiben geschnitten wird. Das ist die detaillierteste Betrachtung der Kontaktverhältnisse. Dabei wird die rechnerische Lebensdauer für jeden einzelnen Kontakt ermittelt. Der Exponent in der Lebensdauerformel wird jeweils an das Betriebsverhältnis angepasst. Der GL fordert eine rechnerische Mindestlebensdauer von L10mr = 175 000 h für diese Art der Berechnung.
Statische Kennzahl und Flächenpressung
Die statische Kennzahl fs (analoge Bezeichnung: S0-min) ist ein Maß für die Sicherheit gegen plastische Verformungen an den Berührstellen der Wälzkörper. Sie muss für jeden Extremlastfall und die daraus ermittelte statisch äquivalente Belastung berechnet werden.
S0=(Cstat/P0)p
Ein Mindestwert von 3 wird von der Anwendungstechnik angestrebt. Die Anforderungen der Schaeffler Gruppe gehen somit über die der Zertifizierer hinaus. Bei der Ermittlung der statischen Sicherheit sollten Beanspruchungen aus Momentenbelastung und Verkippung durch die Nutzung geeigneter Berechnungsprogramme einbezogen werden.
Neben nomineller Lebensdauer und statischer Sicherheit sollten weitere Ergebnisse betrachtet werden. Dazu gehört die Flächenpressung an den Wälzkörpern. Betrachtet wird der Maximalwert aus allen Lastsituationen, aber auch die Auftretensdauer der unterschiedlichen Werte. Hierbei wird die Häufigkeitsverteilung aus den Lastzeitreihen zu Hilfe genommen. Bei auffällig hohen Werten wird darüber hinaus der Flächenpressungsverlauf entlang der Rolle betrachtet, d. h. ob der max. Wert etwa in der Mitte der Rolle auftritt oder ob es sich um eine unzulässig hohe Kantenspannung handelt.
Als kritische Obergrenze sind Flächenpressungen im Bereich zwischen 1200 und 1500 N/mm2 zu sehen. Je mehr Einflüsse z. B. aus Verformungen von Umbauteilen herangezogen wurden, desto eher kann man sich ans obere Limit dieses Bereichs legen.
Bei der Verwendung von Pendelrollenlagern als Hauptlager ist auf ein weiteres Kriterium zu achten, nämlich auf das Verhältnis der Axialkraft zur Radialkraft. Dabei gilt die Faustformel, dass dieses Verhältnis in nicht länger als 50 % der Betriebszeit größer als der Wert „e“ sein soll, der den Lagerdaten entnommen werden kann. Der Berechnungsfaktor „e“ ist ein Maß für den Druckwinkel des Lagers.
Finite-Elemente- Methode
Immer häufiger werden für die Auslegung von Rotorlagerungen FEM-Berechnungen durchgeführt. Das liegt daran, dass die Windkraftanlagen immer größer werden und die Flexibilität der Umbauteile der Rotorlager zunimmt. Auch neue Konzepte, für die noch keine ausreichenden Betriebserfahrungen vorliegen, erfordern Analysen nach FEM. Dabei beurteilen die Lagerhersteller in der Regel nicht die Eigenschaften der Grundrahmen, Wellen und sonstigen Umbauteile, sondern den Einfluss der Verformungen dieser Bauteile auf die Lebensdauer und das Betriebsverhalten der Rotorlager.
Sehr wichtig ist neben der richtigen Modellierung der Lager und der Umbauteile auch die Auswahl der Lastfälle, mit denen die Betrachtung durchgeführt wird. Aus den Extremlastfällen sollten die Situationen gewählt werden, die die ungünstigsten Beanspruchungen hervorrufen. Die Lastfälle mit dem max. Nickmoment, dem max. Giermoment und dem max. resultierenden Moment stehen dabei im Fokus. Die Auswahl der geeigneten dynamischen Lastfälle ist schwieriger. In jedem Fall sollen solche ausgewählt werden, die die Rotorlager so beanspruchen, dass eine ähnliche Lebensdauer errechnet wird wie die mittlere Lebensdauer aus der gesamten Lastzeitreihe. Daneben sind auch dynamische Lastfälle interessant, die extreme Beanspruchungen erzeugen.
Die Beurteilung der Ergebnisse von statischen Lastfällen unterscheidet sich von denen der dynamischen Lastfälle. Für letztere lässt sich ein Faktor ermitteln, um den die rechnerische Lagerlebensdauer durch den Einfluss der Verformung der Umgebung vermindert oder erhöht wird. Auch die Druckverteilung über den Umfang ist von Bedeutung und gibt Hinweise auf die Gleichmäßigkeit der Belastung der einzelnen Wälzkörper. Der Wert der max. Flächenpressung ist sowohl für die statischen als auch für die dynamischen Lastfälle zu beachten, ebenso die relative Verlagerung der Lagerringe zueinander.
Wälzlager KEM 462
Stehlagergehäuse KEM 463
Pendelrollenlager KEM 464
Bearinx KEM 465
Zylinderrollenlager KEM 466
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