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Energetischer Vergleich von elektromechanischen und fluidtechnischen Antrieben

Energieeinsparungen von bis zu 90 %
Elektromechanische Antriebe versus Fluidtechnik

Elektromechanische  Antriebe versus Fluidtechnik
Galten bislang fluidtechnische Antriebe häufig als gesetzt, lohnt sich ein Blick auf elektromechanische Alternativen auch unter rauen Bedingungen. Bild: Exlar Europe
Elektromechanische Antriebe können heute bis zu 90 % Energieeinsparung bringen – und sind damit umweltverträglich und effizient. Noch vor 20 Jahren galten Hydraulik und Pneumatik, die beiden Teilgebiete der Fluidtechnik, als die Techniken zum Antreiben und Bewegen von Maschinen. Elektrische Antriebe wurden zu diesem Zeitpunkt lediglich als geringerwertige Alternative betrachtet. Diese Rangordnung ist heute nicht mehr haltbar.

 

Exklusiv in KEM: Christoph Pohl, wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach, Leiter des Fachgebiets Umweltgerechte Produkte und Prozesse, Universität Kassel; Christian Becker, Sales Manager Exlar Europe GmbH, Raunheim

Inhaltsverzeichnis

1. Energieeffizienz ist Nachteil fluidtechnischer Antriebe
2. Elektromechanische Antriebe bieten Alternativen
3. Energetische Überlegenheit der Elektromechanik
4. Kostenüberlegungen zu elektromechanischen Antrieben
5. Fazit: Elektrische Antriebe bieten Potenzial
6. Drei Antriebsarten im energetischen Vergleich

Die zunehmende Verknappung von Energie und Ressourcen als Folge der steigenden globalen Nachfrage verlangt zum einen nach dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, zum anderen nach einer Steigerung der Energieeffizienz. Diesen veränderten Anforderungen in der modernen Gesellschaft wird – wie in diesem Beitrag zu sehen sein wird – die moderne Elektromechanik mehr als jede andere Disziplin gerecht.

Energieeffizienz ist Nachteil fluidtechnischer Antriebe

Der Einsatz von Hydraulik und Pneumatik in der Antriebstechnik ist mit einem entscheidenden Nachteil verbunden – den, in Relation zum Endenergieeinsatz, hohen Wirkungsgradverlusten. Als Beispiel sei der außerordentlich hohe Energieverbrauch bei der Erzeugung von Druckluft angeführt: Vom europaweit mit etwa 80 Mrd. kWh veranschlagten Energieeinsatz stehen, in Abhängigkeit vom Gesamtsystem, meist nur knapp 10 % als Nutzenergie zur Verfügung.
Etwas günstiger stellt sich das Verhältnis zwischen Ressourceneinsatz und nutzbarer Endenergie in der Hydraulik dar – hier sind Wirkungsgrade in einer Größenordnung von etwa 70 % nicht unüblich. Jedoch werden auch in der Hydraulik – ähnlich wie in der Pneumatik – separate Erzeugungseinheiten (Pumpen) und Verteilleitungen (Rohre, Schläuche) benötigt.

Elektromechanische Antriebe bieten Alternativen

Hieraus leitet sich insbesondere für Spitzenverbraucher in Industrie und Gewerbe die Empfehlung ab, die Möglichkeit des Einsatzes elektromechanischer Antriebe in Erwägung zu ziehen und intensiv zu überprüfen. Kriterien wie Qualität und Kosten, aber auch Sicherheit und Arbeitsgeschwindigkeit sollten hierbei eine maßgebliche Rolle spielen.
In der Literatur wird das Verhältnis der Kosten zwischen pneumatischer Arbeit und elektrischer bzw. hydraulischer Arbeit wie folgt angegeben:
  • pneumatisch:elektrisch = 0 bis 12: 1
  • pneumatisch:hydraulisch = 1,25 : 1
Im Rahmen des Teilprojektes „Druckluftarme Produktion“ am Fachbereich Umweltgerechte Produkte und Prozesse der Universität Kassel werden durch regelmäßige experimentelle Untersuchungen Erkenntnisse über die Einsparpotenziale ausgewählter Antriebssysteme gewonnen. Hierbei betrachtet man nicht nur technische Aspekte – auch wirtschaftliche Kriterien, wie z. B. die mit einer Neuanschaffung oder Bestandsumrüstung verbundenen Kosten, spielen eine wesentliche Rolle.

Energetische Überlegenheit der Elektromechanik

Das Ergebnis des unten folgend ausführlich beschriebenen Versuches fällt eindeutig aus: Der elektromechanische Zylinder hat mit Energieeinsparungen von 90 % (gegenüber dem pneumatischen Zylinder) bzw. 77 % (hydraulischer Zylinder) die Nase deutlich vorn. Multipliziert man anschließend den errechneten Energieverbrauch mit dem in der Industrie üblichen Strompreis, erhält man die jährlichen Kosten.
In faktorisierter Darstellung, bei der die Elektromechanik mit dem Faktor 1 als Basis dient, wird diese energetische Überlegenheit noch deutlicher: Die Hydraulik benötigt zur Erfüllung der gleichen Aufgabenstellung das 4,4-fache, die Pneumatik sogar das 10,3-fache an Primärenergie.
Auch in puncto Umweltverträglichkeit ist die Elektromechanik ihren Konkurrenten voraus. Einem CO2-Ausstoß von 5,3 t (Pneumatik) bzw. 2,3 t (Hydraulik) steht ein CO2-Ausstoß von gerade einmal 525 kg gegenüber.

Kostenüberlegungen zu elektromechanischen Antrieben

Skeptiker mögen zu bedenken geben, dass die Investitionskosten für den elektromechanischen Zylinder deutlich über denen des pneumatischen oder hydraulischen Zylinders liegen. Doch amortisiert sich die höhere Investition – unter Berücksichtigung aller für den Versuchsaufbau benötigten Komponenten wie Steuerungen, Anschlüsse, Schläuche und Kabel – aufgrund der geringeren Betriebskosten bereits nach etwa 2,5 Jahren.
Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass diese Ausführungen nur auf einer einzigen Versuchsanwendung mit vorgegebenen Parametern und Rahmenbedingungen basieren. Eine Verallgemeinerung der Vergleichsergebnisse darf nicht erfolgen. Doch selbst wenn nicht jede Anwendung im direkten Vergleich zu gleich hohen Einsparungen führt, zeigen weitere experimentelle Untersuchungen ähnliche Ergebnisse. Hier sei eine komplexe Bewegungsaufgabe wie das Handling eines Produkts im Pick-and-Place-System angeführt, das in Einsparungen von mehr als 90 % resultiert (Amortisation nach etwa 5 Jahren) [1].

Fazit: Elektrische Antriebe bieten Potenzial

Nicht immer ist ein seit vielen Jahren bewährtes Verfahren auch heute noch optimal. Wer kostenbewusst produzieren will, sollte die Vor- und Nachteile der gängigen Antriebe sorgfältig gegeneinander abwägen. Durch den Einsatz elektrischer Antriebe sind – bei größerer Steuerungsgenauigkeit und geringerer Umweltbelastung – Einsparungen in einer Größenordnung von bis zu 90 % möglich.
 
Literaturhinweis:
[1] Pohl, C.; Hesselbach, J.: Substitution von Druckluft in der Produktion − Potenziale zur Senkung des Energiebedarfs. In: Industrie Management, Gito mbH, Berlin, Ausgabe 2011/6 und Pohl, Christoph: Druckluft; in Hesselbach, J. (Hrsg.): Energie- und klimaeffiziente Produktionsprozesse: Grundlagen, Leitlinien und Praxisbeispiele. 1. Aufl., Vieweg+Teubner, Wiesbaden, 2012

Der Versuch im Detail

Drei Antriebsarten im energetischen Vergleich

Der erwähnte Versuchsaufbau simuliert eine Bewegungsaufgabe. Sowohl die gewählten Parameter als auch die Platzierung der drei Antriebe (pneumatisch – hydraulisch – elektrisch) unmittelbar nebeneinander erlauben einen energetischen Vergleich. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Kosten, dem Energiebedarf sowie dem CO2-Ausstoß.
Die verwendeten Zylinder – als Kolbenstangenausführung mit einer Hublänge von 50 cm und einer maximalen Zuladung von etwa 1000 N – weisen vergleichbare Spezifikationen auf. Alle Zylinder können mit unterschiedlichen Lasten betrieben werden, im Versuchsaufbau stehen dafür Gewichte bis zu einer Maximalbeladung von etwa 100 kg zur Verfügung. Für den Versuch werden pneumatische und hydraulische Standardkomponenten verwendet, als elektromechanischer Zylinder kommt ein Tritex II der Firma Exlar zum Einsatz.
Bevor ein Vergleich der drei Antriebe erfolgen kann, muss auf die Besonderheiten des hydraulischen Zylinders hingewiesen werden. Im Realbetrieb in der Produktion wird ein Hydraulikzylinder mit hohen Drücken (hier: 200 bis 250 bar) betrieben. Ein einfaches physikalisches Gesetz – Kraft gleich Druck multipliziert mit der Wirkfläche – macht deutlich, dass selbst der kleinste zu beschaffende Zylinder ein Vielfaches der Kräfte bewegen kann, die die beiden Konkurrenten bewegen. Allerdings benötigt er auch deutlich mehr Energie. Um dennoch zu einem seriösen Vergleich zu kommen, wird dem Hydraulikzylinder nur der anteilige Energiebedarf zugerechnet – also der, der für das Bewegen einer Last von maximal 100 kg benötigt wird. Die Messung des jeweiligen Energiebedarfs erfolgt per Zähler (elektrisch), per kalorimetrischem Druckluft-Volumenstrommessgerät (pneumatisch) bzw. per Volumenstrom-Radzähler (hydraulisch). Dabei wird bei der Druckluft von einem effizienten Kompressor ausgegangen, der zur Verdichtung von 1 m3 120 Wh benötigt. Beim Hydraulikzylinder liegt eine Kennzahl von 1,6 kWh/m3 Hydrauliköl zugrunde.
Geht man von etwa 6000 Betriebsstunden jährlich aus, was in etwa einem Drei-Schicht-Betrieb entspricht, zeigt sich die Überlegenheit des elektrischen Zylinders – zum einen in energetischer Hinsicht, zum anderen in punkto Umweltverträglichkeit. Einem jährlichen Energiebedarf von 8380 kWh (Pneumatik) bzw. 3602 kWh (Hydraulik) steht ein Verbrauch von lediglich 816 kWh gegenüber, was einer Ersparnis von 90 bzw. 77 % entspricht. Auch der CO2– Ausstoß des elektromechanischen Zylinders ist mit 525 kg um ein 10,1- bzw. ein 4,4-faches geringer als der der Wettbewerber aus Pneumatik und Hydraulik.
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